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Formel 1: Das Märchen vom armen Rennstall

Warum der Triumph von Brawn-GP gar nicht so sensationell ist, wie er auf den ersten Blick aussieht.

Sao Paulo - Nicht nur Jenson Button wurde in Brasilien Weltmeister – auch das Brawn-Team holte sich in Interlagos den WM-Titel. Für Teamchef Ross Brawn bot sich also die Möglichkeit, wieder die Geschichten vom „Märchen“ und vom „Wunder“ hervorzuholen – schließlich wusste man bis Ende Februar 2009 nicht, ob es dieses Team nach dem Honda-Ausstieg 2008 überhaupt geben würde. Ross Brawn betont gern, wie traumhaft dieser Erfolg deshalb sei. „Ich kann nur allen danken, die dazu beigetragen haben, durch ihre Arbeit und ihren unermüdlichen Einsatz“, sagte er am Sonntag. „Vor allem auch in der schwierigen Zeit im Winter, als keiner wusste, ob es weitergeht.“

Doch Wunder gibt es eher selten – gerade in der Formel 1. Die Brawn-Saga vom armen, kleinen Privatteam, das mit einem Genie (Ross Brawn) an der Spitze das ganze Establishment besiegt, stimmt nur bedingt. Das „Wunderauto“, noch von Honda mit einem 350-Millionen-Dollar-Jahresbudget entwickelt, war zum Zeitpunkt des Ausstiegs der Japaner praktisch fertig. Honda half auch nach dem Ausstieg und finanzierte Ross Brawn weitgehend die Saison, im Bereich immerhin eines 100-Millionen-Dollar-Budgets. Und in der zweiten Saisonhälfte relativierte sich das Wunder auch schon. Die anderen Teams schlossen auf, der Brawn war nicht mehr das überlegene Auto.

Brawn-Mercedes profitierte vom Vorsprung der ersten Monate, der in erster Linie dank des umstrittenen Doppeldiffusors zustande kam. Ein Aerodynamik-Teil, das von den meisten Teams als illegal angesehen wurde. Und zu dem man in der Technical Working Group eigentlich beschlossen hatte, es nicht einzusetzen, weil es sich in einer Regellücke befand. Was den trickreichen Ross Brawn, ausgerechnet Chef dieser technischen Arbeitsgruppe, nicht daran hinderte, es eben doch zu bauen.

Dass er es dann auch noch vom Automobilverband Fia genehmigt bekam, trotz wütender Proteste der Konkurrenz, lag auch daran, dass der Streit für Fia-Präsident Max Mosley eine willkommene Gelegenheit war, Unfrieden in der erstarkenden Teamvereinigung Fota zu stiften. Jenson Button nutzte dieses Geschenk am besten: In den ersten sieben Rennen holte er sechs Siege.

Brawn soll in absehbarer Zeit, sobald Mercedes aus den McLaren-Kooperationsverträgen herauskommt, das neue echte Werksteam der Schwaben werden, man verspricht sich von der Partnerschaft mit Ross Brawn mindestens die gleichen Erfolge – bei geringeren Kosten und mehr Einfluss. Die ganz besondere Ausgangsposition, die den phänomenalen Start 2009 ermöglichte, wird es für Brawn aber kaum noch einmal geben. Karin Sturm

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