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Lewis Hamilton (l.) und Nico Rosberg.

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Formel 1: Ex-Fahrer Johnny Herbert zu Mercedes-Drama: „Nico Rosberg hat nicht absichtlich den Reifen von Hamilton aufgeschlitzt"

Der frühere Formel-1-Pilot Johnny Herbert lobt Nico Rosberg für seine Kompromisslosigkeit im Duell mit Lewis Hamilton. Und er fordert Mercedes auf, keine Stallorder auszugeben.

Johnny Herbert, 50, fuhr von 1989 bis 2000 in der Formel 1 insgesamt 161 Rennen und gewann drei davon. Heute arbeitet er als Formel-1-Experte für das britische Fernsehen. Im Interview spricht er über das Mercedes-Stallduell zwischen Nico Rosberg und Lewis Hamilton.

Herr Herbert, Sie haben als Teamkollege von Michael Schumacher Erfahrung mit teaminternen Auseinandersetzungen und dem Thema Stallorder. Sollte die Teamführung von Mercedes nach der Kollision von Spa zwischen Nico Rosberg und Lewis Hamilton eine Stallregie einführen?

Nein. Man muss es Mercedes hoch anrechnen, dass sie die beiden prinzipiell frei fahren lassen. Das hat man ja früher bei anderen Teams schon ganz anders gesehen, bei Ferrari und Benetton mit Michael Schumacher zum Beispiel. Da galt immer nur: Alles für einen. Da gab es keinen teaminternen Kampf. Insofern ist die Einstellung bei Mercedes für die Fans und die Formel 1 schon viel besser.

Muss sich Nico Rosberg nicht trotzdem von seinem Team verraten vorkommen, so wie er nach dem Zwischenfall in Spa öffentlich als Sündenbock dargestellt worden ist?

Erstmal vorweg, wie ich die Situation gesehen habe: Es war vielleicht eine ungeschickte Aktion von Nico, aber er ist sicher nicht mit der Absicht da hin gefahren, um Lewis den Reifen aufzuschlitzen. Das geht gar nicht. Wenn er das könnte, dann würde er gleich einen doppelten Oscar verdienen. Prinzipiell habe ich mit solchen Duellen kein Problem, das ist Racing, man sollte die Leute fahren und das auf der Strecke regeln lassen.

Und die Reaktionen bei Mercedes?

Na ja, Niki Lauda und Toto Wolff als Repräsentanten eines Weltkonzerns wollten wahrscheinlich beweisen, dass sie das alles unter Kontrolle haben und dass sie sofort einschreiten, wenn etwas passiert.

Die Heftigkeit der ersten Reaktionen haben nicht nur Rosberg überrascht.

Das steht wieder auf einem anderen Blatt. Aber für das, was letztendlich auf der Strecke passiert, hat das bestimmt gar keine so große Bedeutung. Auch dass Wolff jetzt gedroht hat, dass eventuell einer der beiden sein Cockpit verlieren könnte, falls so etwas noch einmal passiert, das würde ich aus Fahrersicht auch mal ganz gelassen sehen. Vor allem, wenn ich dann Ende 2014 die WM-Trophäe im Schrank hätte. Außerdem ist es doch sowieso unwahrscheinlich, dass so was im Endeffekt wirklich durchgezogen wird. Warum denn auch, wenn man zwei der besten Fahrer der Welt im Team hat?

Für Sie ist Rosberg also nicht der Verlierer der Spa-Affäre?

Johnny Herbert, früherer Formel-1-Fahrer, jetziger Fernsehexperte.
Johnny Herbert, 50, fuhr von 1989 bis 2000 in der Formel 1 insgesamt 161 Rennen und gewann drei davon. Heute arbeitet er als Formel-1-Experte für das britische Fernsehen.

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Nein. Ich schätze auch insgesamt seine Leistung sehr stark ein. Die meisten haben geglaubt, Lewis kommt zu Mercedes und wird ihm dort um die Ohren fahren – und das ist überhaupt nicht passiert. Und auch sonst hat es Nico verstanden, sich zu positionieren. Ich glaube immer noch, dass hinter dem Verbremser in Monaco im Qualifying ein bisschen mehr gesteckt hat als ein zufälliger kleiner Fehler. Und auch jetzt in Spa, dass er schon einmal ein Zeichen setzen wollte, in dem er diesmal eben nicht zurückgesteckt hat. Einen Unfall nicht unbedingt verhindern zu wollen, heißt im Umkehrschluss auch, ihn letztlich in Kauf zu nehmen. Aber das ist genau das, was man braucht, um eine Weltmeisterschaft zu gewinnen.

Trotzdem ist er nach dem Vorfall gerade in England sehr heftig kritisiert worden.

Klar, die Kritik bekommt er von einigen Seiten. Aber wird ihm das langfristig schaden, werden die Leute den Respekt ihm gegenüber verlieren? Das glaube ich nicht, das hat man doch in der Vergangenheit immer wieder gesehen, mit Vettel und Webber, aber vor allem auch mit Schumacher. Das ist nichts Neues, das hat es in der Vergangenheit immer wieder gegeben und wird es wohl auch in der Zukunft geben. Und hat es speziell Michael geschadet? Er hatte doch immer weltweit die größte Anzahl von Fans überhaupt.

Was würden Sie an Rosbergs Stelle jetzt machen?

Ich würde mir denken, dass das vielleicht meine einzige Chance ist, je eine WM zu gewinnen. Also würde ich alles dafür tun, um sie zu gewinnen. Natürlich nicht wirklich jemand anderem absichtlich ins Auto fahren – aber das ist er ja auch nicht. Aber es dem anderen auf und neben der Strecke so schwer wie möglich machen, jeden möglichen Vorteil für mich selbst heraus holen. Es ist nicht leicht, in die Formel 1 zu kommen und an die Spitze vorzustoßen – und wenn du dann mal in der Position bist, dann musst du auch das Optimale daraus machen.

Gilt das auch für die Positionierung im Team?

Klar. Nach außen hat er sich dem Team untergeordnet, macht aber genau das, was er für sich tun muss. Und wenn er eine Strafe zahlen musste, dann hat er sie eben bezahlt. Und wenn ich eine Million bezahlen müsste, wenn ich am Ende dafür dann Weltmeister wäre, dann würde ich sie doch gern bezahlen. Wirklich ändern würde sich nur etwas, wenn einer zumindest zeitweise suspendiert würde. Aber das wird kaum passieren.

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