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Es gibt Redebedarf. Ferraris Teamchef Mattia Binotto (l.) und Sebastian Vettel.

© Miguel Medina/AFP

Formel-1-Fiasko in Monza: Sebastian Vettel sollte über sein Karriereende nachdenken

Seit Charles Leclercs Monza-Sieg liegt Vettel hinter seinem Ferrari-Kollegen. Bleibt das so, kann er sich die nächste Saison schenken. Ein Kommentar.

Von David Joram

Wer hätte das vor der Saison gedacht? Das alles so ganz anders kommt als erwartet in dieser Formel-1-Saison. Den stolzen Rennstall Ferrari hatten die Experten nach den ersten Tests Anfang des Jahres in Barcelona bereits in den Weltmeisterstatus erhoben. Nun, nach exakt zwei Dritteln dieser Saison, dürfte bald wieder Lewis Hamilton jubeln, der nach derzeitigen Erkenntnissen einen silbernen Mercedes fährt.

Dann gab es da noch die zweite Annahme: Sebastian Vettel würde, so dachten viele, in dieser Saison endlich jenes Versprechen einlösen, für das sie ihn ins rote Land geholt hatten; Weltmeister werden also. Neuer Teamchef, Mattia Binotto, und neuer Mitfahrer, Charles Leclerc, sollten ihn dabei unterstützen, Binotto als enger Vertrauter Vettels, der Maurizio Arrivabene, Binottos Vorgänger, nie gewesen sein soll; und Leclerc als, nun ja, treuer Untergebener. Neue Saison, neues Personal, neues Auto, neues Glück. Das war Ferraris Formel, die aber mindestens eine Komponente zu wenig enthielt: Vettels alte Schwächen.

Nun ist ja genau dies das Schöne am Sport, dass man eben nie alles so genau berechnen und einkalkulieren kann wie gewünscht, selbst in der detailverliebten Formel 1 nicht. Aber für Sebastian Vettel verläuft diese Saison fast schon tragisch. In Monza hat Vettel seinen Ferrari – einmal mehr – neben die Strecke gesetzt. Ein Dreher ist ihm unterlaufen, grundlos eigentlich, weil er völlig freie Fahrt hatte. Ein gutes Rennergebnis war damit passé – und vielleicht ist es Vettels Karriere auch bald.

Der 32-Jährige, immerhin viermaliger Weltmeister, mag an guten Tagen immer noch ein brillanter Pilot sein, nur überwogen zuletzt häufig die schlechten. Vettels Problem ist, dass seine schlechten Tage nochmal etwas schlechter ausfallen als die der Konkurrenten.

Maß und Instinkt scheinen ihn verlassen zu haben, verloren in einer Motorsport-Welt, über die er sich häufiger beklagt als andere. Fremd geworden scheint sie ihm, weil die Fahrer immer mehr taktieren, abwägen und Knöpfe drücken müssen. Alles ist ein bisschen digitaler geworden, unübersichtlicher.

13 Punkte Rückstand auf Leclerc

Vettel aber ist der Alte geblieben, dem nun einer dieser jungen Wilden davonzufahren droht. 13 Punkte beträgt der Rückstand auf Monza-Sieger Leclerc, der natürlich die hausinterne Nummer eins sein will. Der 21-Jährige kommt so selbstbewusst daher, dass er selbst gegen Weltmeister Hamilton Kampflinie fährt.

Für Vettel sind das keine guten Nachrichten. Der Druck auf den alten Helden, der im Ferrari nie zu einem wurde, ist derzeit so groß wie selten zuvor. Weil er nun um seinen Status kämpfen muss, nicht mehr um die WM. Gegen einen Gegner, der gerade extrem aufstrebt, während Vettel weiter abfällt.

Wenn Vettel in den nächsten sieben Rennen keine entscheidende Wende herbeiführen kann, sollte er nach dieser Saison die Konsequenzen ziehen. Vier Weltmeister-Titel stehen für sich. Der (silbernen) Konkurrenz und dem eigenen Teamkollegen hinterherzufahren, muss er sich kein weiteres Jahr geben. Er ist bereits ein Champion, allerdings aus alten Tagen. Dies zu erkennen, wäre auch eine große Leistung.

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