zum Hauptinhalt
Zwischen den Reifen. Rennstall Mercedes sorgt für großen Ärger innerhalb der Formel 1.

© AFP

Formel 1: Mercedes im Fokus der Verschwörungstheorien

Mercedes durfte bisher als einziges Team neue Reifen testen. Die Konkurrenz fühlt sich benachteiligt. Weltmeister Sebastian Vettel fragt: „Testet jetzt jeder mal für drei Tage oder nur die?“

Von Christian Hönicke

Toto Wolff hörte sich nicht an wie ein Sieger, eher wie ein Angeklagter. „Dieses Team hat wirklich schwere Zeiten durchgemacht“, sagte der Mercedes-Motorsportchef, Wut lag in seiner Stimme. „Wir haben komplett in der Scheiße gesteckt und jetzt unseren Kopf rausgezogen. Und jetzt wird das wieder alles in den Dreck gezogen. Hier neben mir steht der Mann, um den es gehen sollte – er ist ein fantastisches Rennen gefahren.“ Dann schlug er seinem Formel-1-Piloten Nico Rosberg auf die Schulter, der versuchte, ein Siegerlächeln aufzusetzen.

Ja, eigentlich hätte es um Rosberg gehen sollen. Am Sonntag hatte der deutsche Monegasse trotz diverser Unfälle und Rennabbrüche die Nerven bewahrt und 30 Jahre nach seinem Vater Keke sein Heimrennen in Monaco gewonnen. „Von seinen Grundgenen ist er wie der Vater, der kann Auto fahren“, erklärte der Mercedes-Aufsichtsratschef Niki Lauda. Doch dass es eben nicht nur um Rosbergs glanzvollen Sieg ging, zeigt sich auch daran, dass Lauda kurz darauf feststellte: „Mercedes hat nichts falsch gemacht.“

Ob dem wirklich so ist, wird wohl das Berufungsgericht des Weltverbands Fia demnächst klären. Es geht dabei um die ominösen dreitägigen Testfahrten, die das Mercedes-Team vor einer Woche nach dem Rennen in Barcelona offenbar auf Wunsch des Reifenlieferanten Pirelli durchführte. Red Bull und Ferrari legten deshalb offiziell Protest ein, der Rennstallbesitzer Peter Sauber fühlte sich gar „betrogen“.

An sich sind Testfahrten während der Saison mit aktuellen Rennwagen verboten

Die Aufregung entzündet sich daran, dass Testfahrten während der Saison mit aktuellen Rennwagen verboten sind. Pirelli sei es zwar „im Rahmen des Vertrags mit der Fia als alleiniger Reifenhersteller gestattet, bis zu 1000 Kilometer an Testfahrten mit jedem Team durchzuführen“, erklärte die Fia. Der Weltverband schränkte aber ein: Pirelli hätte das aktuelle Mercedes-Auto nutzen dürfen, den Test aber in Eigenregie durchführen müssen. Außerdem hätte „jedes Team die gleiche Gelegenheit zum Testen bekommen müssen, um sportliche Ausgeglichenheit zu wahren“. Doch während Mercedes mit den Stammfahrern Lewis Hamilton und Nico Rosberg in Barcelona testete, wussten die anderen Rennställe offenbar nichts davon. Monisha Kaltenborn, die Teamchefin von Sauber, hatte angeblich noch nicht einmal Kenntnis von der Existenz des Vertrags zwischen Pirelli und der Fia.

Pirellis Motorsportdirektor Paul Hembery gab zu, die anderen Teams nicht informiert zu haben, „weil sie sich dann schon vorher gegen diesen Test gewehrt hätten“. In den drei Tagen von Barcelona habe man die Sicherheit der Reifen verbessern wollen, die besonders am Mercedes zuletzt starke Auflösungserscheinungen gezeigt hatten. Zu 90 Prozent seien Reifen für die kommende Saison geprüft worden, sagte Hembery. Das heißt im Umkehrschluss aber auch, dass auch die neuen Reifen, die schon beim nächsten Rennen in Montreal zum Einsatz kommen sollen, auf die Autos gezogen wurden.

Wer wird nun bestraft: Mercedes oder Pirelli?

Die ungeklärten Umstände des Tests lassen jede Menge Raum für Verschwörungstheorien. Nicht wenige im Fahrerlager glauben, dass Firmenpolitik hinter der Angelegenheit steckt, schließlich war der Weltkonzern Mercedes neben Red Bull der größte Kritiker der aktuellen Formel-1-Reifen. Außerdem glaubt die Konkurrenz, dass die Stuttgarter die unverhoffte Chance dazu nutzten, um auch neue Teile am Auto selbst dem Praxistest zu unterziehen. Toto Wolff wies das energisch von sich. „Pirelli hat uns höchstens zehn Tage vorher angefragt, da war gar keine Zeit mehr, noch neue Teile fertig zu kriegen“, sagte der Österreicher. So oder so – Mercedes konnte über drei Renndistanzen jede Menge nützliche Daten anhäufen. „Wenn wir drei Tage testen würden, wären wir am Ende eine Sekunde schneller“, behauptete Red Bulls Motorsportberater Helmut Marko.

Wie es nun weitergehen soll, ist unklar. Zwar ist theoretisch auch eine Bestrafung von Mercedes möglich, doch das Fia-Statement legt bereits die Vermutung nahe, dass man die Hauptschuld bei Pirelli suchen könnte. Sebastian Vettel gab mit seiner Frage schon einmal die Richtung vor: „Was ist denn nun die Lösung: Testet jetzt jeder mal für drei Tage oder nur die?“ Realistisch ist, dass Pirelli dazu verdonnert wird, nun auch den anderen Rennställen ähnliche Tests anzubieten. Selbst eine harte Bestrafung für Mercedes würde den Wettbewerbsvorteil auch nicht wieder aufheben. „Dass Mercedes behauptet, dass sie von dem Test nicht profitiert hätten, ist nur sehr schwer zu glauben“, sagte Vettels Teamchef Christian Horner. „Wann immer man diese Autos zum Fahren bringt, lernt man etwas.“

Toto Wolff wollte davon nichts mehr wissen. Er deutet die Aufregung als Zeichen dafür, dass sein Team auf dem richtigen Weg ist. Der Protest von Red Bull zeige, „dass uns der dreimalige Weltmeister ernst nimmt“, erklärte er trotzig. Er schlug seinem Sieger Nico Rosberg noch einmal auf die Schulter und erklärte mit fester Stimme: „Nichts und niemand kann ihm diesen Sieg nehmen.“ Doch er sah nicht besonders glücklich dabei aus.

Zur Startseite