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Formel 1: Mit Vollgas nach Dorado

Der Motorsport stürzt sich auf den asiatischen Markt. Doch trotz Milliardeninvestitionen kommt die Rennerei dort nur langsam in die Gänge.

Berlin - Es war zu Beginn der Neunzigerjahre, als Bernie Ecclestone in Indien weilte. Der Formel-1-Boss sah sich nach einem geeigneten Austragungsort für ein Rennen im potenziellen Megamarkt um – allein er fand keinen. Die einzige Strecke des Landes war viel zu kurz und ungeeignet für seine Glitzerwelt. Fast zwei Jahrzehnte später scheint endlich die Zeit gekommen: 2010 soll in der Nähe von Neu-Delhi der erste Grand Prix von Indien ausgetragen werden. Die Strecke dazu wird Ecclestone von seinem Hofbaumeister Hermann Tilke gleich selbst errichten lassen. Passend dazu bringt der indische Magnat Vijay Mallya nach dem Kauf des Spyker-Teams einen indischen Rennstall an den Start – ein perfekt orchestrierter Angriff auf die Geldbörsen von einer Milliarde Menschen.

Die Einnahme Indiens ist der zentrale Punkt in Ecclestones Großoffensive im Mittleren Osten und in Asien. „Dort liegen die großen Märkte“, sagt der Brite. Bis 2010 sollen zu den bereits bestehenden Austragungsorten China, wo die Formel 1 an diesem Wochenende in Schanghai gastiert, Japan, Türkei, Bahrain und Malaysia neben Indien noch Singapur (2008), die Vereinigten Arabischen Emirate (2009) und Südkorea (2010) hinzukommen.

Andere moderne Goldschürfer folgen Ecclestone in das vermeintliche neue Dorado des Motorsports. Benoit Lamonerie ist einer von ihnen. „Ecclestone hat vor allen anderen verstanden, dass diese Region interessant wird“, sagt der Franzose. Der frühere Angestellte des Automobil-Weltverbands (Fia), der seit einiger Zeit für die neue Rennstrecke in Dubai arbeitet, will ab November eine komplett auf Asien zugeschnittene Rennserie namens Speedcar starten. Geschlossene Autos nach dem Vorbild der US-Serie Nascar sollen von einer Mischung aus früheren Formel-1-Stars wie Jean Alesi und einheimischen Fahrern gefahren werden. „Zwischen Dubai und China leben mehr als die Hälfte der Menschen der Welt“, sagt Lamonerie, „und bisher gibt es für diesen Teil noch keine lokale Rennserie.“

Ecclestone zeigt sich angetan von der Idee und will die Speedcars wann immer es geht in den Rahmen der Formel 1 in Asien integrieren. Das Gleiche gilt für die Nachwuchsserie GP2, die bislang lediglich in Europa die rollende Ausbildungswerkstatt für künftige Grand-Prix-Piloten darstellt. Ab Januar wird der ganz auf den neuen Markt fixierte Ableger GP2 Asia starten. Es ist ein naheliegender Schritt, denn Ecclestone weiß auch, dass er Lokalhelden benötigt, um seine Ware an den Mann zu bringen: „Eine Serie, die Formel-1-Fahrer hervorbringt, ist mein Geschäft.“ Mit bisherigen asiatischen Piloten wie Narain Karthikeyan (Indien) und Alex Yoong (Malaysia) war ihm nur bescheidener Erfolg vergönnt, und weil, wie Lamonerie erklärt, „Fahrer nicht über Nacht kommen werden“, gibt es zusätzlich in Dubai, Bahrain und Malaysia Förderprogramme für junge Fahrer.

Mit wenig Begeisterung sieht Tony Teixeira dieser von Ecclestone gesteuerten Phalanx entgegen. Der südafrikanische Öl- und Diamantenmogul installierte bereits 2005 mit A1GP eine Art Nationencup des Motorsports mit einem Schwerpunkt in Asien und sieht nun sein Produkt gefährdet: „Wenn Bernie gegen uns antritt, ist das schlecht für alle Beteiligten.“ Auch Willi Weber, der Manager von Michael Schumacher und Chef des deutschen A1GP-Teams, befürchtet „ein Hauen und Stechen um die Gunst des Publikums“. Er sei nicht besonders glücklich, „wenn sich zu viele im gleichen Becken tummeln. Ich glaube nicht, dass der Markt groß genug für alle ist.“ Zumal auch die US-Serie Champcar 2008 mit einem Lauf in China neue Kundschaft generieren will. Speedcar-Chef Lamonerie glaubt hingegen, dass Platz „für alle guten Rennkonzepte ist. Asien ist riesig, zurzeit wächst der Kuchen von Tag zu Tag.“

Allerdings: Auch wenn die Rennsportmanager mit hoher Geschwindigkeit einrollen und in den vergangenen 15 Jahren in aufstiegswilligen Staaten der Motorsportwüste Asien Milliarden für mehr als 20 prestigeträchtige Streckenprojekte verbaut wurden und auch wenn die Pkw-Neuzulassungen in China alle Rekorde sprengen, kommt die Rennerei abgesehen von Japan, wo es bereits seit Längerem eine Basis gibt, nur langsam in die Gänge. Die A1GP ist noch immer defizitär, und von den futuristischen Tribünen in Malaysia, Bahrain oder der Türkei ist bei Formel-1-Rennen in Ermangelung von Zuschauern oft erschreckend viel zu sehen. In China lassen sich nicht einmal kommunistische Parteikader mit Freikarten an die Strecke locken. „Wir sind wie Pioniere, wir müssen erst eine Kultur und eine Tradition schaffen“, sagt Lamonerie. „Vor fünf Jahren standen die Menschen dem Motorsport noch total ignorant gegenüber. In Dubai kamen da gerademal 5000 Leute zu Rennen. Die haben dann ihren Bekannten davon erzählt, und letztes Jahr waren es schon 25 000.“

Auch Bernie Ecclestone wird wohl auf das archaische Mittel der Mundpropaganda angewiesen sein, soll sein Hightech-Produkt in Asien auf Dauer Fuß fassen. Die Fernsehanstalten in Indien jedenfalls sehen es bislang noch gar nicht ein, wieso sie ihm für die Übertragung von Formel-1-Rennen auch noch Geld bezahlen sollten, wie der indische Nachwuchspilot Karun Chandhok erzählt: „Die zeigen lieber ein Cricketspiel von 1986 als einen Grand Prix.“

Christian Hönicke

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