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Formel 1 - Renault Alonso, Briatore und Piquet

© dpa

Formel 1: Renault: Das Drama nach dem Crash

Renault-Boss Briatore und sein früherer Pilot Piquet werfen sich vor dem Rennen in Monza gegenseitig Erpressung vor.

Flavio Briatore lächelte sein Lausbubenlächeln, wie er es immer macht, wenn er angegriffen wird. „Wir haben absolut nichts getan“, sagte er achselzuckend. „Was bringt das auch in der 14. Runde? Es waren doch noch 40 weitere zu fahren.“ Am Sonntag findet in Monza der Große Preis von Italien statt, doch der Chef des Formel-1-Teams Renault sah sich gezwungen, sich für ein Ereignis zu verteidigen, das sich vor fast einem Jahr in Singapur zugetragen hatte.

Damals soll der Italiener den Sieg seines Piloten Fernando Alonso durch einen fingierten Crash des anderen Renault-Fahrers Nelson Piquet Junior herbeigeführt haben. In einer eidesstattlichen Erklärung versicherte Piquet dem Automobil-Weltverband Fia, seinen Wagen in der 14. Runde absichtlich zu Schrott gefahren zu haben. Vor dem Rennen habe er eine solche Anweisung von Briatore und dem Renault-Technikchef Pat Symonds erhalten, um dadurch das Safetycar auf die Strecke zu holen. Dadurch wurde der ungewöhnlich leicht betankte Alonso nach seinem frühen Boxenstopp an die Spitze gespült, weil die anderen in der Safetycar-Phase tanken mussten.

Flavio Briatore wollte sich zu den „komplett unglaublichen“ Vorwürfen im Detail nicht äußern. Stattdessen ging er auf Piquet los und beschuldigte ihn, ein „verzogener und sehr labiler Junge“ zu sein. „In jener Saison hat Nelson 17 Unfälle gebaut, keine Ahnung, ob die absichtlich waren oder nicht.“ Der Teamchef wähnte sich als Opfer einer „unfairen“ Kampagne. Er und Renault hätten daher „wegen falscher Behauptungen und versuchter Erpressung“ Strafanzeige gegen Piquet und seinen Vater, den dreimaligen Weltmeister Nelson Piquet Senior, gestellt. Briatore zeigte sich „zu 80 Prozent zuversichtlich, dass wir genug Beweise gegen die Piquets haben“.

Tatsächlich hatte Piquet Junior nach dem Rennen in Ungarn erklärt: „Ich gehe jetzt erst mal vier Wochen in Urlaub und lasse meinen Vater arbeiten. Ich bin zuversichtlich, dass ich dann auch im nächsten Jahr bei Renault ein Cockpit habe.“ Kurz darauf wurde Piquet nach einer öffentlichen Schlammschlacht, in der er seinen Manager Briatore als „meinen Henker“ bezeichnet hatte, gefeuert und durch den Franzosen Romain Grosjean ersetzt.

Zwar kann aufgrund der dünnen Faktenlage nur gemutmaßt werden, ob Briatore tatsächlich einen fingierten Unfall als taktisches Instrument benutzt hat. Oder ob der mit überschaubarem Talent gesegnete Piquet sich des Vorfalls später im Kampf um seine Zukunft bedienen wollte. Doch weil auch der Piquet-Clan Erpressungsvorwürfe in Richtung Briatore erhebt und der zweimalige Weltmeister Alonso öffentlich beteuert, von all dem nichts gewusst zu haben, liegt zumindest der Schluss nahe, dass es sich tatsächlich nicht um einen gewöhnlichen Unfall gehandelt hat. Einen taktischen Crash darf man Briatore schon zutrauen, schließlich flüchtete er als Steuerbetrüger einst vor der italienischen Justiz ins Ausland und lotete auch in der Formel 1 schon als Michael Schumachers Teamchef bei Benetton gern die Grenzen des Erlaubten aus.

Den Vorwürfen geht nun die von der Fia beauftragte Detektei Quest nach, die auch schon im Spionageskandal im Jahre 2007 ermittelte. Diese Affäre kostete McLaren-Mercedes 100 Millionen Dollar und alle WM-Punkte. Allerdings steht diesmal zu erwarten, dass es bei der Verhandlung des Falles vor dem Fia-Weltrat am 21. September in Paris einen Freispruch aus Mangel an Beweisen gibt. Offensichtlich existiert keinerlei verwertbares Material wie etwa aufgezeichnete Funksprüche. Fia-Präsident Max Mosley verkündete bereits, dass das Regelwerk keine nachträglichen Änderungen am Rennergebnis zulasse und sicherte dem Kronzeugen Piquet Straffreiheit zu. Nun geht es also ausschließlich um die Zukunft von Renault und Briatore, die theoretisch aus der Formel 1 ausgeschlossen werden könnten. Dabei kommt die politische Komponente ins Spiel: Einerseits wird Renault mit einem baldigen Formel-1-Ausstieg in Verbindung gebracht, den eine harte Strafe nur wahrscheinlicher machen würde. Nach den Ausstiegen von Honda und BMW und dem Schlingerkurs von Toyota kann das nicht im Interesse der Formel-1-Granden liegen. Außerdem ist Briatore einer der engsten Vertrauten Bernie Ecclestones, als dessen designierter Nachfolger er gilt.

Der Formel-1-Chef zeigte sich jedenfalls gelassen, was das Schicksal seines Freundes angeht. „Es ist nichts bewiesen“, sagte Bernie Ecclestone lächelnd. „Aber das ist doch schön – so spricht man wenigstens wieder über die Formel 1.“

Mitarbeit: Karin Sturm

Christian Hönicke[Monza]

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