zum Hauptinhalt
Volle Konzentration. Sebastian Vettel geht vor dem Rennen in sich.

© dpa

Formel 1: Sebastian Vettel - ein Star mit starker Bodenhaftung

Er holte seinen dritten WM-Titel und sichert sich damit seinen Platz in der Geschichte dieses Sports: Mit erst 25 Jahren ist Sebastian Vettel zu einer Persönlichkeit gereift, die weit über die Formel 1 hinaus strahlt.

Es sind nicht die Zahlen, die aus Sebastian Vettel etwas Besonderes machen. Er mag mit seinen 25 Jahren der mit Abstand jüngste Formel-1-Pilot sein, der drei Titel gewinnen konnte. Bis jetzt war das Ayrton Senna – der Brasilianer war 1991 bei seinem dritten WM-Titel schon 31. Doch Vettel ist viel mehr als ein erfolgreicher Sportler, ein Dominator in seiner Disziplin. Dieser Junge aus Heppenheim ist in den vergangenen Jahren zu einer charismatischen Persönlichkeit herangewachsen, deren Strahlkraft weit über die Fahrerlager dieser Welt hinausreicht.

Er strahlt inzwischen so sehr, dass er sich schon Vergleichen mit den größten Persönlichkeiten seines Sports ausgesetzt sieht. „Der Tonfall, die manchmal schon fast ins Philosophische gehende Nachdenklichkeit, da gibt es Parallelen zu Senna“, beobachtete kürzlich der deutsche Formel-1-Fotograf Lukas Gorys, der seit gut 30 Jahren die Schnellsten der Welt ablichtet. Diese Parallelen liegen in Vettels großem Einfühlungsvermögen begründet. Dazu kommen seine Intelligenz und die Fähigkeit, neben der Formel 1 auch die Außenwelt im Auge zu behalten. Und ganz nebenbei verlor er auf dem Weg nach oben nie die Bodenhaftung.

Im Gegensatz etwa zu seinem verbissenen Kontrahenten Fernando Alonso schafft Vettel es, neben den Pokalen die Zuneigung der Menschen einzusammeln. Manchmal gehen mit ihm noch die Emotionen durch, nicht nur bei seinen Lausbubenscherzen und Parodien. Nach seinem Sieg in Abu Dhabi verärgerte seine sehr jugendliche Sprache auf dem Podest den Automobil-Weltverband Fia, der daraufhin in einem Brief eine „angemessene Wortwahl“ anmahnte. Doch meist trifft er den richtigen Ton. So entnervte er mitten im WM-Kampf seine Rivalen mit Thesen über das Leben in Indien. Nach seinem Sieg saß er da und schweifte ab, sprach über das Land, die Bedeutung von Werten und setzte sie in Bezug zu vermeintlichen Selbstverständlichkeiten in der Formel-1-Glitzerwelt – bis indische Journalisten ihm spontan applaudierten.

Völlig ohne Veränderungen geht es natürlich nicht auf dem Weg vom Jungen im Kart über die ersten Gehversuche in der Formel 1 bis zum dreimaligen Weltmeister. Gewisse Dinge wachsen im Laufe der Zeit, werden größer, komplizierter. Sein Wohnmobil zum Beispiel, mit dem er immer noch zu einigen Rennen in Europa fährt. Die Größe des neuen Gefährts stellte das Traditionshotel Fossati in Monza, auf dessen Parkplatz Vettel seit jeher nächtigt, in diesem Jahr vor Probleme. Aber für Vettel machte Vittorio Fossati, in dessen Haus schon alle Legenden von Jackie Stewart bis zu Michael Schumacher logierten, das fast Unmögliche möglich. Und freute sich dann unheimlich, dass der nette Junge, der schon 2008 nach seinem ersten Grand-Prix-Sieg bei ihm ganz höflich auf Italienisch seine heiße Schokolade bestellt hatte, immer noch so höflich geblieben war: „Er hat sich unheimlich gefreut, dass wir das mit dem Parkplatz hingekriegt haben und sich mindestens 20 Mal bei allen bedankt.“

Im Internet ist Vettel nicht so freundlich. Genau genommen ist er gar nicht da: Vettel ist der einzige aktuelle Formel-1-Fahrer, der weder bei Twitter noch bei Facebook vertreten ist. Selbst Vettels Pressesprecherin Britta Roeske hat Probleme, ihm wenigstens für den Arbeitgeber Red Bull, der am liebsten ständig Nachschub hätte, irgendetwas abzuringen. Er lehnt diese Form der Kommunikation ab und steht dazu. „Ich halte nichts davon, für mich ist das keine echte Kommunikation“, sagt er. „Ich will mit den Leuten direkt sprechen. Das andere ist für mich irgendwie unecht und künstlich.“

Doch in der realen Welt engagiert er sich so bereitwillig, dass es sogar seinen Fahrerkollegen auffällt. Der Brasilianer Felipe Massa erinnert sich noch heute daran, dass ihm Vettel 2010 in Bahrain beim ersten Rennen nach seinem seinem schweren Unfall im Jahr zuvor ein „Herzlich Willkommen zurück“ zukommen ließ – noch bevor er auf der Pressekonferenz über seine Poleposition reden wollte. „Und Sebastian macht so was nicht aus Showgründen, das ist absolut ehrlich“, sagt Massa. „Er ist einfach ein Supertyp.“

Auch Bruno Senna, der Neffe des legendären Ayrton, schwärmt von Sebastian Vettel. Ihm fällt auf, wie sich Vettel im Gegensatz zu einigen anderen Stars bei Fahrerbesprechungen einsetzt. „Er äußert immer seine Meinung, auch wenn sie mal unbequem ist“, sagt Senna. „Vor allem um Sicherheitsfragen kümmert er sich sehr intensiv.“ Es ist selten, dass die Gegner auf der Strecke in so hohen Tönen von der Person, nicht nur vom Fahrer sprechen. Und es ist der Beweis dafür, dass Sebastian Vettel wirklich ein ganz besonderer Formel-1-Fahrer ist.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false