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Opfer der Technik. Daniel Ricciardo wurde in Australien nachträglich disqualifiziert. „Das Gefühl auf dem Siegerpodest kann mir keiner mehr nehmen“, sagte der Lokalmatador.

© dpa

Formel 1: Streit um Benzinwerte: Total vermessen

Schon zum Saisonbeginn herrscht Streit in der Formel 1: Red Bull und die Fia zoffen sich um Benzinwerte.

Es war Mitternacht, als die Motorsportgemeinde Australiens aus allen Träumen gerissen wurde. Fünf Stunden nach dem Grand Prix in Melbourne wurde der Lokalheld Daniel Ricciardo nachträglich disqualifiziert. Der Red-Bull-Pilot war im Rennen hinter dem Mercedes-Fahrer Nico Rosberg als Zweiter ins Ziel gekommen. Dem Teamkollegen von Weltmeister Sebastian Vettel blieben nur noch Erinnerungen. „Niemand kann mir das Gefühl wegnehmen“, schrieb Ricciardo über ein Foto, das ihn auf dem Siegerpodest zeigte.

Der Fall wirft ein Schlaglicht auf die neuen Regeln in der Formel 1, die nicht nur die Fans teilweise überhaupt nicht mehr nachvollziehen können. Begründet wurde die Disqualifikation damit, dass an Ricciardos Auto die maximale Benzindurchflussmenge im Rennen „immer wieder“ über den erlaubten 100 Kilogramm pro Stunde gelegen habe. Man habe Red Bull auch während des Rennens gewarnt und aufgefordert, das zu ändern, das Team habe sich aber geweigert, das zu tun. Das streitet Red Bulls Teamchef Christian Horner auch gar nicht ab. Er sagt klipp und klar: „Wir haben denen geantwortet, dass wir das nicht tun werden, weil wir auf Grund unserer eigenen Daten sicher sind, dass wir uns im Rahmen des Erlaubten bewegen und dass wieder nur die Fia-Sensoren falsche Werte liefern.“

Die Messungen der Team-Techniker sind genauer

Hier liegt das Grundproblem. Die Geräte des Automobil-Weltverbands Fia liegen immer wieder mal daneben. Die bizarre Situation: Teamtechniker wissen, dass ihre eigenen Messungen und Berechnungen genauer, ihre Geräte leistungsfähiger sind. „Das Fia-Zeug ist wirklich nicht auf höchstem technischen Stand“, sagt ein Teamchef, der nicht genannt werden möchte. Ähnlichen Ärger um die Messung der Durchflussmengen gab es bei den Sportwagen der Langstrecken-WM über Jahre. Seit dem Beginn der Testfahrten 2014 wird nun auch in der Formel 1 darüber gestritten.

Schon vor der Qualifikation hatte es bei einigen Teams Probleme gegeben. Bei den Messungen waren Spitzenwerte aufgetaucht, die den Technikern nicht plausibel erschienen. Die Fia änderte daraufhin die Messfrequenzen und die Beurteilungsmethode und erklärte, man beachte diese einzelnen Spitzenwerte nicht mehr, sondern schaue auf die Durchschnittswerte. Mercedes, wo es wohl auch Auffälligkeiten gegeben hatte, reduzierte die maximale Durchflussmenge ein bisschen, „sonst wären wir auch noch schneller gewesen“, meint Teamchef Toto Wolff. Wobei die Silbernen im Vergleich zur Konkurrenz über so viel Motorleistung verfügen, dass sie sich das notfalls leisten können.

Red Bull riskiert viel

Die Teams mit Ferrari- oder Renault- Motoren dagegen brauchen bei ihrem Versuch, an Mercedes heranzukommen, jede einzelne PS. Sie müssen ihre vorhandenen Möglichkeiten voll ausreizen, ohne von ungenauer Fia-Technik eingebremst zu werden. Vielleicht riskierte es Red Bull auch deshalb, die Anweisung nicht zu befolgen und das Ganze einmal bis zum Ende juristisch durchzufechten. Das Team kündigte schon an, in die Berufung zu gehen und dann dort anhand eigener Daten zu beweisen, dass man sich jederzeit im erlaubten Rahmen bewegt habe.

So wird die Formel 1 schon gleich zum Saisonauftakt wieder von juristischen Streitereien dominiert. Dabei wären die leicht zu verhindern gewesen. Seit dieser Saison ist die Spritmenge pro Rennen ohnehin auf insgesamt 100 Kilogramm begrenzt. Um das zu überwachen, hätte man im Reglement ein Tankvolumen von maximal 100 Kilogramm vorgeben können. Das ließe sich recht problemlos überprüfen, ohne auf komplizierte und anfällige Elektronik zurückgreifen zu müssen.

Als Argument für die Zusatzregel mit der begrenzten Durchflussmenge führte die Fia an, dass ansonsten wie schon in den 80ern vor allem im Qualifying durch erhöhte Benzinzufuhr zeitweise extreme PS-Zahlen erreicht und die Autos zu schnell würden. Doch das Argument zieht nicht. Damals wurden die Turbomotoren nach der Qualifikation meist gewechselt, weil sie nach der hohen Belastung keine Renndistanz gehalten hätten. Heute, wo man mit fünf Motoren über die gesamte Saison kommen muss, wären der Risikobereitschaft der Teams automatisch Grenzen gesetzt. Die Zusatzregel bräuchte man also nicht. Dann wäre das Reglement klar und übersichtlich, würde den Anreiz zum Spritsparen und das grüne Image behalten und auch die Fans würden noch durchblicken. Und Daniel Ricciardo hätte seinen Pokal behalten können.

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