zum Hauptinhalt
So schnell wie nie. Max Verstappen ist erst 16, in der nächsten Saison wird er als jüngster Fahrer der Geschichte in der Formel 1 antreten.

© imago/HochZwei/Suer

Formel 1 vor dem Rennen in Spa: Die Formel-1-Piloten werden immer jünger

Sollte jemand in der Formel 1 fahren dürfen, bevor er einen Straßenauto-Führerschein hat? Immer jüngere Piloten fahren in der Formel 1 – Stars finden, dass die Rennserie zu einfach geworden ist.

Wenn Fernando Alonso seine Arbeit als Formel-1-Pilot beschreibt, klingt das nicht gerade nach einem wahr gewordenen Kindheitstraum. „Natürlich ist es im Vergleich zu früher sehr viel einfacher geworden“, sagt der zweimalige Weltmeister. „Die Autos sind langsamer, die Kurvengeschwindigkeiten niedriger, dadurch sind auch schon die rein körperlichen Anforderungen viel geringer. Der Fahrer muss auch immer weniger selbst entscheiden, technische Einstellungen, Strategien, alles wird von der Box vorgegeben.“

Aus dem unerreichbar scheinenden Traumjob vieler Jungen ist ein kinderleichtes Spiel geworden – das zumindest ist die Einschätzung vieler Spitzenpiloten in der Formel 1. Sebastian Vettel erzählt schon seit Saisonbeginn in mehr oder weniger deutlicher Art und Weise, dass die heutige Formel 1 nicht mehr die gleiche Herausforderung für die Fahrer bedeutet wie in der Vergangenheit, inzwischen stimmen ihm auch Lewis Hamilton und eben Alonso zu.

Sollte jemand in der Formel 1 fahren dürfen, bevor er einen Straßenauto-Führerschein hat?

Anlass für die erneuten Diskussionen gab die in dieser Woche bekannt gegebene Verpflichtung des noch 16-jährigen Holländers Max Verstappen für 2015 bei Toro Rosso. Bereits ab dem Rennen in Austin in diesem Jahr soll der Sohn des ehemaligen Teamkollegen von Michael Schumacher bei Benetton, Jos Verstappen, in Freitagstrainings zum Einsatz kommen. Dabei fährt er 2014 überhaupt erst seine erste Saison Autorennen, in der Formel 3. Bis letztes Jahr war er nur im Kart unterwegs, dort allerdings mit einem WM- und zwei EM-Titeln sehr erfolgreich.

Ein Grund dafür, dass Verstappen so schnell zu einem Formel-1-Sitz kam: Mercedes, McLaren und auch Red Bull wollten das Nachwuchstalent, das am 30. September 17 wird, bereits jetzt langfristig an sich binden. Als Trumpfkarte konnte Dietrich Mateschitz Verstappen und seinem ehrgeizigen Vater, der von Anfang an als Manager, Betreuer und Mädchen für alles fungierte, eben das sofortige Formel-1-Engagement bieten. Wozu hat man schließlich das Zweitteam Toro Rosso?

Dort glaubt Teamchef Franz Tost, dass das „Experiment“ mit dem jüngsten Formel-1-Fahrer der Geschichte sicher funktionieren wird. So wie ja auch sein Wunschkandidat für dieses Jahr, der jetzt 20-Jährige Russe Daniil Kwjat, auf Anhieb sehr, sehr gut zurecht kam und der inzwischen selbst sagt: „Die Formel 1 ist weniger kompliziert als es scheint.“

Laut wagt kaum jemand der anderen Fahrer die Tatsache an sich zu kritisieren, das schon so junge Piloten in die Formel 1 kommen. Doch einige stellen sich schon grundsätzliche Fragen. Sicher, Verstappen scheint für einen 16-Jährigen schon sehr reif zu sein. Der Niederländer machte auch bei seinem ersten öffentlichen Auftritt vor dem belgischen Grand Prix in Spa einen durchaus souveränen Eindruck und fühlte sich dem, was da auf ihn zukommt, gewachsen. „Ich bin bereit – das Alter ist doch nur eine Zahl“, sagte er. Aber trotzdem: Sollte jemand in der Formel 1 fahren dürfen, bevor er einen Straßenauto-Führerschein hat? Und außerdem: Hilft es dem sowieso schon angeschlagenen Image der Formel 1, wenn immer mehr Teenager mitfahren? Argwöhnt dann nicht jeder, dass das mit der großen Herausforderung für absolute Top-Könner nicht mehr viel zu tun hat?

Niki Lauda: „Jetzt werden alle Schüler Formel 1 schauen, wenn da einer aus ihrer Altersgruppe mitfährt.“

Christian Danner sieht das jedenfalls so. „Die Formel 1 sollte die absolute Königsklasse sein, mit Autos, die man nur dann richtig am Limit bewegen kann, wenn man wirklich ein absoluter Könner ist“, sagt der frühere Grand-Prix-Pilot und heutige Fernsehexperte. „Wenn da immer mehr so ganz Junge fast direkt aus dem Kart hineinkommen und auch klarkommen, dann müssen die Leute doch den Schluss ziehen, dass das überhaupt nichts Besonderes mehr ist.“

Ein Zeichen für die allgemein fehlenden Herausforderungen ist auch, dass sich die Spitzenfahrer schon richtig darüber freuten, dass es in Spa für sie ausnahmsweise einmal wieder etwas schwieriger wird. Die früher berühmt-berüchtigte Mutkurve von Eau Rouge war in den letzten Jahren mit den Autos mit extrem viel Abtrieb immer einfacher geworden. Zumindest im Trockenen konnte man die Senke von Beginn an „problemlos mit Vollgas“ durchfahren, wie Vettel bestätigt. Dadurch, dass das neue Reglement den aerodynamischen Abtrieb der Autos stark reduziert hat, liegen sie nun wesentlich unruhiger, so dass man sich an Vollgas in der Eau Rouge erst einmal wieder vorsichtig herantasten muss.

Danners zweiter Kritikpunkt an den immer jüngeren Fahrern hat aber gar nichts mit den Fahrkünsten zu tun. „Man sollte auch schon als einigermaßen erwachsene und reife Persönlichkeit dort ankommen“, sagt er. „Das macht doch auch einen sehr wichtigen Teil der Formel 1 aus, dass dort richtige Typen fahren.“ Der dreimalige Weltmeister Niki Lauda glaubt dagegen, dass Verstappen eine Zuschauergruppe an die Formel 1 heranführen könnte, bei der sie im Moment kaum noch ankommt: die Jugendlichen. „Jetzt werden alle Schüler Formel 1 schauen, wenn da einer aus ihrer Altersgruppe mitfährt.“

Folgen Sie der Tagesspiegel-Sportredaktion auf Twitter:

Zur Startseite