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Champagner-Experte. Eines Tages will Mick Schumacher auch in der Formel 1 so jubeln können.

© Roland Weihrauch/dpa

Formel 3: Der große Name Schumacher

In Hockenheim holt Mick Schumacher den Formel-3-Titel, mit dem das Interesse an ihm noch größer werden dürfte. Kann der 19-Jährige damit umgehen?

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Mittlerweile kann Sabine Kehm das Schauspiel, das sich regelmäßig zuträgt, wenn die Formel 1 irgendwo zu Gast ist, wieder genießen. Sie wirkt herzlich, interessiert, ganz natürlich – auch wenn sie ihre Augen hinter einer dicken runden Sonnenbrille versteckt. Oft hält sie einen netten Plausch hier und verteilt Küsschen auf die Wange dort. Dass sich die Managerin von Michael Schumacher in diesem eigenen, etwas surreal daherkommenden Kosmos so geben kann, hat vor allem einen Grund: Die PS-Welt respektiert inzwischen, was nicht unbedingt alle ihre Fans nachvollziehen können. Dass Sabine Kehm zur Frage, wie es dem größten Formel-1-Fahrer aller Zeiten geht, keine Angaben macht.

Seit Schumachers tragischem Skiunfall im Dezember 2013 hilft Kehm dabei, den Rekordweltmeister abzuschirmen. Ohnehin bekommt sie jetzt fast mehr Fragen zu einem anderen Rennfahrer gestellt, einem, der auch Schumacher heißt. Mick Schumacher ist 19 Jahre alt. Er ist vor allem aber auch der Sohn von Michael Schumacher – was es für ihn nicht immer einfach macht. Normalerweise interessieren sich nicht so viele Menschen für die Formel 3. Jetzt aber will die ganze Welt wissen, wie der kleine Schumacher fährt und ob er so groß werden kann wie sein Vater. Oft wird Mick Schumacher danach gefragt. Und oft ist Sabine Kehm damit beschäftigt, den Trubel um seine Person nicht zu groß werden zu lassen.

Mick Schumacher galt als mäßig talentiert

Denn tatsächlich schickt sich Mick Schumacher an, eine ähnliche Karriere hinzulegen wie Michael. In Hockenheim ist er nun Formel-3-Europameister geworden. Im zweiten Rennen am Samstag reichte ihm ein zweiter Platz.

Mick Schumacher hat am Samstag auch die 40-Punkte-Marke für die Superlizenz übertroffen. Theoretisch dürfte er fortan ein Formel-1-Auto fahren. Die Branche würde ihn bei der Suche nach einem Cockpit vermutlich vortrefflich unterstützen. „Mit so einem Namen, der die Geschichte von Ferrari mitgeschrieben hat, steht ihm die Tür in Maranello immer offen“, sagte Ferraris Teamchef Maurizio Arrivabene bereits. „Wie könnten wir zu so einem Namen nein sagen?“ Das Entscheidende aber ist: Wie kommt Mick Schumacher mit diesem Namen, der Fluch und Segen zugleich ist, im Rennsportzirkus zurecht?

Vor dieser Saison galt der neue Formel-3-Champion noch als mäßig talentiert. In den diversen Serien fuhr er regelmäßig mindestens einem hinterher, der einfach besser war und schneller. Auch in den Qualifyings lieferte er in diesem Jahr nur selten herausragende Leistungen ab. Anfangs jedenfalls.

„Er hat sich schwergetan, war aber oft auch schon in freien Trainings schnell – und hat dann das Qualifying nicht hinbekommen“, sagt Toro Rossos Formel-1-Teamchef Franz Tost. „Und wenn du einmal hinten stehst, dann ist es halt sehr schwierig.“ Tost, dem Experten ein Händchen für Nachwuchsfahrer bescheinigen, sagt aber auch: „Ich habe von Anfang an erwartet, dass er dieses Jahr um den Titel mitfährt. Zuletzt hat er überzeugende Rennen gezeigt. In Spielberg zum Beispiel hat er auf nasser Strecke eine fahrerische Glanzleistung geliefert.“ Überzeugend ist mittlerweile auch Schumachers Quote, von den vergangenen 15 Rennen gewann er acht. Im belgischen Spa-Francorchamps siegte er Ende Juli erstmals in dieser Saison, seither fließt der teure Siegerschampus oft aus einer Flasche, die Mick Schumacher hält.

Vettel traut Mick den Sprung in die Formel 1 zu

Ausgerechnet Spa. Nach dem Rennen dort sagte der Sieger: „Wie es scheint, ist Spa ein guter Ort für die Schumacher-Familie.“ Am 30. August 1992 hatte Vater Michael in Spa seinen ersten Grand Prix in der Formel 1 gewonnen – der Beginn einer fabelhaften Ära, an deren Ende sieben Weltmeisterschaften stehen sollten.

Nun also der Junior?

Sebastian Vettel verfolgt Mick Schumacher schon seit längerer Zeit. „Ich finde es toll, das es bei ihm jetzt so gut läuft. Es ist nicht entscheidend, wann jemand zündet, ob das vielleicht mal ein bisschen länger dauert. Wichtig ist, dass er überhaupt zündet“, sagt der viermalige Weltmeister. Und auch der aktuelle DTM-Pilot Timo Glock traut Mick Schumacher den Sprung in die Königsklasse zu: „Er hat eine Chance, es dorthin zu schaffen. Aber noch nicht im nächsten Jahr, da böte sich ein Jahr Formel 2 sicher an.“

Zunächst trat er als Mick Bertsch

Spritzige Zeiten. Michael Schumacher (r.) begießt nach seinem Sieg 2003 in Montreal seinen Renningenieur Chris Dyer.
Spritzige Zeiten. Michael Schumacher (r.) begießt nach seinem Sieg 2003 in Montreal seinen Renningenieur Chris Dyer.

© Gero Breloer/dpa

Sportlich, darin stimmen auch weitere Experten ein, könnte Schumacher das neue große Ding werden. Doch die sportlichen Leistungen des Prema-Piloten allein zählen nicht. Auf die größte Hürde weist Vettel hin: „Er hat es sicherlich besonders schwer, weil er ständig unter extremer Beobachtung steht.“

Mick Schumacher muss erst noch beweisen, ob er mit dem öffentlichen Druck umgehen kann, dem er in der Formel 1 ganz besonders ausgesetzt sein dürfte. Dieses Feld gilt bislang als nahezu unerforscht. Sabine Kehm, die neben dem großen auch den kleinen Schumi managt, schirmt ihn bislang ab wie eine stolze Dalmatinerin ihre Welpen.

Ganz am Anfang, Mitte der 2000er Jahre, als sich abzeichnete, dass Michael Schumacher und Ehefrau Corinna einen möglicherweise begabten Sohn zur Kartbahn schickten, da sollte über die ersten Schritte Micks im Rennsport überhaupt nicht berichtet werden. Ziemlich gnadenlos gingen die Schumachers juristisch gegen Medien vor, die über die Renneinsätze des Juniors im Kart berichteten. Mick Schumacher trat zunächst als Mick Betsch an, dem Mädchennamen seiner Mutter. Mediale Aufmerksamkeit? Bloß nicht! Nach Michael Schumachers schwerem Skiunfall nahm die Abschottungspolitik rund um die Familie noch extremere Formen an. Das galt auch für Mick Schumacher.

2015 fuhr er erstmals in der Formel 4. Im Kreis seiner Fahrerkollegen, überwiegend bestehend aus 15- bis 17-jährige Jungen, durfte er der sein, der er sein wollte: ein junger Mann, der Autorennen liebt. Doch sobald ihn Fans im relativ frei zugänglichen Fahrerlager kontaktierten oder gar Journalisten, machte er dicht. Antworten auf völlig harmlose Fragen wurden verweigert. Selfies mit Fans, oft gleichaltrigen Teenies – durften nicht sein.

Reifer als der Vater

Ob all das so von Mick Schumacher gewollt war, der immer einen eher zurückhaltenden Eindruck vermittelte, oder andere das für ihn bestimmten, blieb unklar. Nur wenn es ins irgendwie immer noch laufende Vermarktungskonzept des Namens Schumacher passte, durfte Mick mehr Öffentlichkeit wagen. 2016 nahm er an einem Benefiz-Fußballspiel teil, das im Namen von Schumacher zusammen mit der Stiftung von Basketball-Star Dirk Nowitzki organisiert wurde. Es war ein Dankeschön von Schumachers Familie „an all die Fans, die den schwer verunglückten Formel-1-Rekordweltmeister uneingeschränkt unterstützen“, wie es offiziell hieß. Vor den Fernsehkameras durfte Mick ein paar knappe Antworten geben.

Der Umgang mit der Presse ist restriktiv geblieben, daran änderten auch Schumachers Volljährigkeit und der Wechsel in die Formel 3 wenig. Der Kontakt zur Außenwelt ist auf ein Minimum reduziert. Mehr als die üblichen Pflichttermine bei Pressekonferenzen nimmt Schumacher kaum wahr. Zugang zu der Nachwuchshoffnung mit dem ruhmvollen Namen erhält nur der engste Kreis, obwohl es ein paar Fotos mehr geworden sind, auf denen Schumacher mit seinen Fans posiert, die ihm dann Autogrammkarten zustecken, damit er darauf seine Signatur kritzeln möge. Das Fanvolk lechzt nach Nähe, nach Vorbildern. Michael Schumacher ist dabei meist authentisch geblieben, er kam ja auch aus der breiten Masse und gab vor, sie zu verstehen. Vom „Kerpener“ war auch dann noch die Rede, als dieser seinen Wohnsitz längst in die Schweiz an den schönen Genfer See verlagert hatte.

Mick Schumacher ist an diesen Ufern aufgewachsen, er hat vermutlich schon früh gelernt, das Messer in die rechte und die Gabel in die linke Hand zu nehmen, und in einer vornehmen Gesellschaft die richtigen Sätze im passenden Augenblick aufzusagen. In den wenigen Momenten, in denen er der Formel-3-Welt Rede und Antwort stehen muss, wirkt Mick Schumacher höflich, wohlerzogen, geradezu weltgewandt. Er ist wesentlich reifer als sein Vater mit 19 Jahren war.

Privatleben soll privat bleiben

Wahrscheinlich wäre Mick Schumacher auch durchaus in der Lage, der Öffentlichkeit etwas aufgeschlossener zu begegnen. Denn wer im Motorsport Karriere machen will, muss nicht nur schnell fahren, sondern auch ein bisschen was darüber erzählen können. In einem BBC-Interview im August – eine seltene Ausnahme von der medialen Abstinenz – bewies Schumacher, dass er auch das kann. Die Fragen drehten sich unter anderem um seinen Vater – natürlich. Der Junior beantwortete sie sachlich und souverän, verbunden mit dem Hinweis, dass er ganz glücklich darüber sei, noch nicht die Bekanntheit des Vaters erreicht zu haben. „Ich denke in dieser Hinsicht haben wir einen guten Job gemacht, das Privatleben auch wirklich privat zu halten“, sagte er.

Das konnte auch als Hinweis an die deutschen Medien verstanden werden, deren Anfragen das Schumacher-Management regelmäßig ablehnt oder schlicht ignoriert. Sollte Schumacher in der nächsten Saison, wie allseits erwartet, in der Formel 2 starten, dürfte der Kraftakt, ihn aus der Öffentlichkeit zu halten, ein gewaltiger werden. Die F2 fährt im Rahmenprogramm der Formel 1 – also vor der kompletten internationalen Medienwelt. Und der Name Schumacher, so viel steht jetzt schon fest, wird da jede Menge Interesse wecken. Gut möglich also, dass seine Managerin Sabine Kehm bald wieder weniger gemächlich durchs Fahrerlager schlendern kann.

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