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Auf Touren am Turm. Auf der Karl-Marx-Allee rasen am Samstag die Elektro-Rennwagen entlang.

© dpa

Formel E in Berlin: Die Städte sind die Stars

Die Formel E fährt erstmals am Alexanderplatz entlang – das passt ins Konzept der Elektro-Rennserie, gefällt aber nicht jedem.

Alejandro Agag nimmt am gedeckten Tisch Platz und macht gleich große Augen. „Im Sitzen merkt man richtig, dass das Restaurant sich dreht“, sagt der Spanier, 207 Meter über dem Berliner Boden. Der Chef der elektrischen Motorsportserie Formel E hat vor dem Rennen am Samstag (16 Uhr) oben auf den Fernsehturm geladen, mit bestem Blick auf die Strecke an der Karl-Marx-Allee.

Die erste Ausgabe des Rennens hatte im Vorjahr noch auf dem ehemaligen Flughafengelände stattgefunden. „In Tempelhof hätten wir mehr Zuschauer haben können“, sagt Agag zum Umzug. „Aber hier sieht man mehr von Berlin.“ Solche Bilder sind den Machern der Formel E wichtig: szenische Fernsehaufnahmen ihrer Elektroautos vor berühmten Monumenten. Vor einem Monat fuhren sie am Eiffelturm in Paris vorbei, der Wiedererkennungswert bringt Einschaltquote. Agag rechnet damit, dass weltweit 20 Millionen Menschen zusehen werden, wie die Boliden am Alexanderplatz entlangbrausen. Fast alle 14 000 Tickets sind schon verkauft, die Fontäne am Strausberger Platz wird sprudeln, wenn die 18 Rennwagen mit bis zu 225 Stundenkilometer durch die Hochhäuserschluchten rasen.

Eine gute Werbung für die junge Rennserie und für Elektroautos insgesamt. Deshalb liegt die Veranstaltung für den Berliner Senat im öffentlichen Interesse, wie etwa das Myfest oder der Karneval der Kulturen. Daher fallen für die Straßennutzung keine Gebühren an, was mindestens umstritten ist. Die Bezirke Mitte und Friedrichshain hätten gerne 400 000 Euro kassiert. Immerhin sanierte die Formel E der Stadt den Straßenbelag in der Karl-Marx-Allee und Lichtenberger Straße für 250 000 Euro. Die Umbauarbeiten seit zehn Tagen und die Vollsperrung der Strecke ab Freitag gefallen nicht jedem, vor allem Anwohnern.

Genehmigung gilt erstmal nur für dieses Jahr

„Verkehr?“, sagt Formel-E-Chef Agag auf Nachfrage. „Kommen Sie nach Downtown Hongkong. Das kriegen wir auch hin.“ Überall haben die Macher das nicht hinbekommen. In Moskau durften sie kurzfristig doch nicht am Kreml entlangfahren, das Rennen wurde abgesagt. Die kurzfristige Ausladung aus Tempelhof, wo die Hangars zu Flüchtlingsunterkünften umfunktioniert wurden, scheint die Organisatoren nicht zu stören. „Wenn ich es mir aussuchen könnte, würde ich jedes Jahr hier fahren“, sagt Agag und zeigt auf den Alexanderplatz unter sich. Doch die Genehmigung gilt erst mal nur für dieses Jahr, danach wird neu verhandelt.

Peking, Buenos Aires, Mexiko-Stadt, Paris, London, „Berlin ist symbolisch und passt in unsere Liste, wir wollen es behalten“, sagt Promoter Agag, der die Formel E vor zwei Jahren mit gründete. Der 45-Jährige weiß: „Die Sponsoren brauchen Storys.“ Denn anders als in der Formel 1 sind nicht die Fahrer oder die Autos die Stars, sondern die Städte. „Wir können mit der Formel 1 nicht konkurrieren“, sagt Agag. Die Autos haben weniger PS, die Fahrer sind unbekannter oder, wie der Deutsche Nick Heidfeld, betagter. „Wir müssen unseren Vorteil nutzen, dass wir leiser sind und im Herzen der Stadt fahren können“, sagt Agag.

Mit 80 Dezibel sind die Elektro-Rennwagen nicht viel lauter als der normale Straßenverkehr. Ein Formel-1-Auto ist dagegen mit gut 130 Dezibel so laut wie ein Düsenjet. Ein weiterer Vorteil der Stadtkulisse: Die Autos wirken optisch schneller, wenn im Hintergrund Gebäude vorbeisausen. Ähnlich wie das Restaurant auf dem Fernsehturm sich schneller dreht, wenn man sitzt. „Wir könnten so schnell fahren wie ein Formel-1-Wagen, aber nur fünf Minuten lang“, sagt Agag. Die schweren Batterien halten nicht länger durch, das eigentliche Rennen dauert in der Formel E deshalb auch nur eine Stunde, die Fahrer müssen zwischendurch das Auto wechseln. Aber da sich, wie bei den Elektroautos für jedermann, die Technologie ständig verbessert, „wird der Tag kommen, an dem wir nicht mehr in der Stadt fahren können“, ahnt Agag. Dann wird es irgendwann zu gefährlich ohne Auslaufzonen am Streckenrand.

Bis dahin soll weiter durch die Städte gerast werden, auch durch Berlin. Das gefällt nicht jedem. Im Aufzug nach unten sagt jemand: „Auch hier wohnen Leute mit Schichtdienst, die wollen schlafen.“

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