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Sport: Formel Weltrekord

Training, Technik, Teamwork: Wie Haile Gebrselassie Marathon-Bestleistungen plant und verwirklicht

Berlin - Wie sich ein Marathon-Weltrekord anfühlt? „Unbeschreiblich“, sagt Haile Gebrselassie, „am besten ist es, Sie probieren es selbst einmal aus.“ Seine Bestleistung versetzte Gebrselassie am Tag danach in noch bessere Laune als er sie ohnehin meistens hat. Und selbst wenn ihm eine genaue Beschreibung seines Innenlebens schwer fiel, so konnte er immerhin erklären, wie ein Weltrekord im Marathon geplant und gemacht wird.

Der Marathon ist für Gebrselassie wie ein Studium und der Weltrekord das Diplom dafür. Der 34 Jahre alte Äthiopier hat lange geforscht, um die richtige Formel zu finden. Einiges davon kann Gebrselassie beschreiben, ein Restgeheimnis wird sicher bleiben, und es wird hoffentlich nicht auf der Liste der verbotenen Substanzen zu finden sein. „Man braucht sehr viel Erfahrung für den Marathon“, sagt er. Der wichtigste Bestandteil seiner Formel ist die Vorbereitung. Im äthiopischen Hochland absolviert er oft 30 Kilometer lange Bergläufe. Das habe auch seine Lauftechnik verändert, erzählt sein holländischer Betreuer Valentijn Trouw. Nun laufe Gebrselassie nicht mehr so sehr auf dem Vorfuß wie noch auf der Bahn, sondern mehr auf dem Mittelfuß.

Training und seine Technik hätten ihm nichts genützt, wenn es nicht ein perfekter Tag für ihn gewesen wäre am Sonntag in Berlin. Mit 14 Grad am Start und 15 im Verlauf des Rennens erwischte Gebrselassie ideale Bedingungen für einen Marathon. Im vergangenen Jahr noch hatte ihn auf den letzten Kilometern der Wind aufgehalten, diesmal legte der Äthiopier am Ende sogar noch einmal zu. Kilometer 35 war mit 2 Minuten und 50 Sekunden sein schnellster, Kilometer 38 mit 2:51 sein zweitschnellster und selbst für den vorletzten Kilometer brauchte er nur 2:52.

Für Gebrselassie war es Wohlfühlwetter: „Gut, dass es am Tag zuvor geregnet hatte. Dadurch war die Luft unglaublich sauber.“ Manchmal habe er Schwierigkeiten mit seiner Atmung. Bestimmte Pollen lösten asthmatische Reaktionen aus. Davon ist er in Berlin verschont geblieben. „Es ist genau der richtige Zeitpunkt, um einen Weltrekord zu laufen. Wenn der Marathon Anfang September stattfinden würde oder im Oktober, könnte man es vergessen“, erklärte Gebrselassie.

Der Zeitpunkt ist ein Vorteil von Berlin, die Strecke ein anderer. Das Profil ist flach, es gibt nur wenige Kurven. „Bis Kilometer 35 ist die Strecke perfekt, danach bekommt man den Wind zu spüren“, sagt Gebrselassie. Er würde an der Strecke nichts ändern. Und wenn in zwanzig Jahren jemand einmal unter zwei Stunden bleiben würde, dann glaubt Gebrselassie, dass dies in Berlin passieren könnte.

Ein bisschen Tempo wäre wohl noch herauszuholen, aber das kommt für Renndirektor Mark Milde nicht in Frage: „Wir könnten einen Retortenkurs für Spitzenläufer entwerfen. Dann müssten wir zum Beispiel den Wilden Eber rausnehmen, denn das ist unser höchster Punkt. Aber uns geht es ja nicht nur um die Spitzenläufer, sondern auch um das Erlebnis.“

Gelaufen ist Gebrselassie ganz alleine, aber er sagt: „Wir haben Großes geleistet für die ganze Welt.“ Damit meint er die Organisatoren in Berlin, die Zuschauer, die ihn angefeuert haben und seine Tempomacher. Bis Kilometer 30 bildeten sie eine zuverlässige Eskorte für ihn, um ihm zu helfen, seinen Rhythmus zu halten. „Als Tempomacher, die auch nach Kilometer 30 noch dabei sind, kommen eigentlich nur Läufer in Frage, die selbst in der Lage sind, solche Zeiten zu laufen wie Haile“, sagt Renndirektor Milde. Und einen Gegner wollte Gebrselassie auf den letzten Kilometern gar nicht haben: „Dann müsste ich mich auf die Zeit und den Konkurrenten konzentrieren, das wäre zu viel.“

Was für ihn noch möglich ist? „Ich könnte hier 2:03 Stunden laufen“, sagt Gebrselassie. Das wäre dann für den Diplom-Marathonläufer Haile Gebrselassie die Doktorarbeit.

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