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Sport: Franziska van Almsick: Eine Marke, ein Phänomen

Sie kann nicht richtig vom Startblock springen. Sie kann auch nicht allzu lange schwimmen.

Sie kann nicht richtig vom Startblock springen. Sie kann auch nicht allzu lange schwimmen. Der Rücken macht nicht mit. Franziska van Almsick hat einen Bandscheibenvorfall, und deshalb kann es sein, dass sie die Saison jetzt beendet. Heute fällt die Entscheidung. Aber auf keinen Fall, sagt Regine Eichhorn, ihre persönliche Betreuerin, wird sie ihre Karriere beenden. Die Geschichte, dass sie weiterschwimmt, ist wichtig. Diese Meldung lief in den Zeitungen und im Fernsehen und im Radio. Sie lief, weil die Patientin Franziska van Almsick heißt.

Franziska van Almsick war schon immer vieles. Patientin, Weltklasseschwimmerin, Weltrekordlerin, Göre, Zicke, tragische Figur und sportliche Versagerin. Und wenn man sie bündelt, diese Rollen, stößt man auf ihre Hauptrolle: Franziska van Almsick, das Phänomen. Sie ist immer eine Nachricht. Deshalb spielen für ihre Popularität die Sportart, Erfolg oder Misserfolg keine Rolle. "Sie wird schon lange nicht mehr als Schwimmerin wahrgenommen", sagt Eichhorn, "sondern sie ist ja eine eigenständige Marke."

Auch jetzt noch, nach Olympia 2000 in Sydney. Das ist das eigentliche Phänomen. In Sydney schwamm van Almsick in die Rolle des sportlich erledigten Falls. Millionen sahen, wie sie sich mühsam und enttäuscht aus dem Wasser zog. Es war ein trauriges Bild. Und für viele hatte es eine klare Botschaft: Ihre Zeit ist definitiv vorbei. Aber seit Sydney, sagt Eichhorn, "haben die Anfragen nicht nachgelassen. Machmal verstehe ich es selber nicht." Im März, sechs Monate nach der Olympiapleite, schloss van Almsick einen neuen Werbevertrag ab, Laufzeit zwei Jahre. Die 23-Jährige lobt jetzt Produkte einer österreichischen Mineralwasserfirma. "Die wollten jemanden, der Persönlichkeit verkörpert", sagt Eichhorn. Dafür hatten die Österreicher bisher Claudia Schiffer. Persönlichkeiten? Nun ja. Der Firma, sagt Eichhorn, sei es egal, wann van Almsick ihre Karriere beende. Es gehe um den Typ, nicht um die Sportlerin.

Die Zahl ihrer Werbeverträge, sagt Eichhorn, hat sich seit Jahren auch kaum verändert. Sechs sind es im Moment. "Aber das Image von Franziska hat sich natürlich verändert. Man sieht sie jetzt mehr als die Geschäftsfrau. Ich denke, das ist auch ein Grund dafür, dass sich unverändert Firmen für sie interessieren", sagt Eichhorn. Die Rolle der kessen Göre ist längst vorbei. Und für Autogrammstunden ist van Almsick immer noch nicht zu buchen. Zumindest nicht von einzelnen Geschäftsleuten, die mit ihr etwa die Einweihung ihres neues Juweliergeschäfts feiern wollen. Das hat sie noch nie gemacht. Es passt nicht in ihren Trainingsplan, sie war auch finanziell noch nie auf solche Auftritte angewiesen.

Auch das Fernsehen reagiert ja auf den Typen van Almsick, nicht auf die Sportlerin. Der Grad der Berichterstattung über sie, sagt Hajo Seppelt, der Schwimm-Experte der ARD, "steht in keinem Verhältnis zu ihren Leistungen. Andererseits heißt es bei uns ja auch: An ihr kommen wir nicht vorbei."

Damit ist eigentlich alles gesagt.

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