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Sport: Franziska van Almsick im Interview: "Ich bin den 200 m Freistil verfallen"

Franziska van Almsick (22) gewann 1992 als unbekannte 14-Jährige in Barcelona die olympische Silbermedaille, ein Erfolg, der die Berlinerin schließlich zur legendären "Franzi" und zur Werbe-Millionärin werden ließ. 1996 in Atlanta war Silber bereits eine Enttäuschung für die Öffentlichkeit.

Franziska van Almsick (22) gewann 1992 als unbekannte 14-Jährige in Barcelona die olympische Silbermedaille, ein Erfolg, der die Berlinerin schließlich zur legendären "Franzi" und zur Werbe-Millionärin werden ließ. 1996 in Atlanta war Silber bereits eine Enttäuschung für die Öffentlichkeit. Am Montag startet die Weltmeisterin von 1994 in Sydney zum dritten und wahrscheinlich letzten Mal bei Olympischen Spielen über ihre Lieblingsstrecke.

Mögen Sie die 200 Meter Freistil?

Was heißt mögen - der Strecke bin ich verfallen! Ich habe 1991 mit den 200 m Freistil angefangen - und das ist eine der größten Lieben meines Lebens geworden.

Was gefällt Ihnen - außer Ihren Erfolgen - so sehr daran?

Dass ich während des Rennens in Ruhe Zeit habe, auf bestimmte Dinge zu achten - und auf der anderen Seite nicht zu viel Zeit, weil ich sonst zu langsam bin.

Also die Taktik. Was ist über 200 m Freistil am wichtigsten?

Ausdauerfähigkeit und Sprintfähigkeit richtig zu kombinieren. Man muss von beidem etwas haben. Es ist eine schwierige Strecke. Das sieht man auch daran, dass die Steigerungen über 100 und 400 m weitaus stärker ausfielen als über 200 m.

Was war der schönste, unvergesslichste Moment Ihrer Schwimm-Karriere?

So einen richtigen großen Augenblick - ich weiß nicht. Na ja - Weltmeisterin 1994 mit Weltrekord, das war schon riesig! Aber ich denke, wenn ich an meine Karriere denke, nicht an einige große Augenblicke, sondern lieber an viele kleine Momente. Als ich beispielsweise mal von einem kleinen Jungen am Rockzipfel gezogen wurde und er mir sagte, dass ich sein großes Vorbild sei. Dazu alles das, was man kennengelernt hat, die Freundschaften. Ich nehme wirklich lieber eine Handvoll kleinerer Augenblicke als einen Riesenaugenblick!

Und der grausamste Moment?

Rein sportlich gesehen die verlorene 200-m-Freistil-Goldmedaille von Atlanta 1996. Das war hart, und ich war sehr enttäuscht. Ich war ja bis 1996 nicht zu schlagen auf dieser Strecke. Meine Enttäuschung über Silber wurde dann noch größer, als ich merkte, dass dieses Silber in der Öffentlichkeit nichts zählte.

Sie sind bei großen Meisterschaften trotz ausgezeichneter Form gelegentlich auch bereits im Vorlauf gescheitert, was ja nun auch in Sydney passieren kann. Betreiben Sie Psycho-Übungen dagegen?

Ich denke generell, dass man im Sport mental stark sein muss. Ich bin da keine Ausnahme und bespreche mich deshalb mit einer Mentaltrainerin. Ich brauche jemand, der mich wieder runterholt, wenn ich anfange zu schweben. Und der mir Mut gibt, nicht aufzugeben, wenn es nötig ist. Wenn ich 100-prozentig fit bin und im Kopf einen Dachschaden habe, dann wird es kaum so, wie es werden könnte. Was mir persönlich mental immer wieder am besten geholfen hat, war: mich in vielen Situationen selbst zu erkennen. Damit meine ich: überhaupt wahr zu nehmen, dass man tierisch gestresst ist. Und man sich deshalb hinsetzen muss, um sich wieder runter zu holen.

Das ist alles?

Auch das Privatleben spielt da hinein. Viele Leute haben ja eine völlig falsche Vorstellung von einem Model- oder Sportlerleben. Wenn jemand gute Leistungen im Beruf erzielen will, muss es ihm doch auch privat gut gehen! Ich kann nicht mit einer Laus über der Leber eine Top-Leistung bringen. Grundsätzlich gilt: Es wird im Sport immer mehr im Kopf entschieden. Ich glaube, der menschliche Körper ist an der Grenze des Machbaren angelangt. Die letzten Reserven kann man mit Hilfe des Kopfes motivieren.

In den letzten drei Jahren, seit 1997, lief es ja nicht besonders gut für Sie - was lief schief?

Manche Leute haben nicht verstanden, was seit Atlanta 1996 passiert ist. Ich habe danach etwas Pause gemacht, hatte meinen Motorradunfall, hatte fast neun Monate lang nichts gemacht - das ist eine sehr lange Zeit im Leistungssport, die muss man erst einmal wieder aufholen. Ich habe deshalb 1997 gesagt, dass Sydney mein großes Ziel ist und dass ich alles andere, was auf dem Weg liegt, nur mitnehme.

Was aber großen öffentlichen Druck erzeugt, wenn man dadurch Niederlagen kassiert.

Klar, es gab auf diesem Weg seit 1997 nicht die großen Erfolge von einst - aber es gab Erfolge. Ich wurde Deutsche Meisterin und Staffel-Weltmeisterin. Es ärgert mich immer ein bisschen, wie manche Leute Erfolg definieren. Und momentan bin ich zwar nicht mehr die Nr. 1 der Welt, aber ich bin nicht schlecht, und ich bin kein Loser!

Was bedeutet Training für Sie heute?

Dass ich mit ganzem Geist und ganzem Körper dabei bin. Der Umfang hat sich gegenüber früher nicht gesteigert, aber die Intenstät, mit der ich bei der Sache bin. Früher habe ich mich im Training schon mal aufs Fernsehen gefreut. Heute bringe ich alles ein - was natürlich geistig sehr viel anstrengender ist. Früher war es schon angenehm, sich nicht einen großen Kopf zu machen.

Waren früher auch die Wettkämpfe etwas Anderes?

Natürlich - das kann man gar nicht vergleichen. Als Knirps hat man ganz andere Gedanken und geht ohne groß nachzudenken in die Rennen. Als älterer Sportler hingegen weiß man, was man dafür getan hat. Man will sich selber nicht enttäuschen.

Was bedeuten Olympische Spiele für Sie?

Es war für mich immer das Größte, was es in meiner Sportart gibt. Vielleicht ist es heute für mich nicht mehr das Mystische und Geheimnisvolle wie anfangs, weil Sydney jetzt ja bereits meine dritten Spiele sind. Aber es ist immer wieder etwas Besonderes. Es gewinnen Leute, von denen man es nicht gedacht hätte. Und weil so viele Sportarten aufeinander treffen, hat man das große Gefühl, einer der weltbesten Athleten zu sein.

Zu einer Elite zu gehören?

Defintiv! Und man hat auch das Recht dazu, so zu denken.

Beenden Sie mit Sydney Ihre Karriere?

Es werden wohl meine letzten Olympischen Spiele sein, denn bis zu den nächsten, 2004, ist es schon eine sehr lange Zeit. Aber nichts ist sicher. Der Punkt ist der - ich will mich einfach nicht festlegen. Ich will nicht sagen, dass ich nach Sydney aufhöre und ich will nicht sagen, dass ich weitermache. Ich will das selbst entscheiden. Ich habe große Ziele in Sydney und will deshalb im Moment gar nicht daran denken, was danach ist.

Können Sie die Ziele definieren?

Ich kann es nicht in Medaillen und Platzierungen definieren. Mein Ziel lautet: Ein perfektes Rennen! Ich möchte zufrieden sein mit mir!

Mögen Sie die 200 Meter Freistil?

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