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Peking 2008 - Handball

© dpa

Frauen-Handball: Durch das dänische Stahlbad

Die meisten Handballerinnen bei Olympia kennen sich aus der besten Liga der Welt. Sie spielen in Dänemark. Auch viele Deutsche.

Die deutschen Handballerinnen hatten in der letzten Woche reichlich Eindrücke zu verarbeiten: Das olympische Dorf, die fantastischen Bauten in Peking, die krassen Gegensätze der chinesischen Kultur. Alles ziemlich aufregend. Beim Auftaktspiel gegen Brasilien in das olympische Handballturnier (14.45 Uhr MEZ, live in der ARD) geht es sportlich weitaus weniger exotisch zu. Um olympische Ehren zu kämpfen, ist zwar nicht alltäglich. Aber man kennt sich. Die meisten weiblichen Profis, die hier auflaufen, verdienen nämlich ihr Geld in der „Toms Ligen" in Dänemark, der besten Liga der Welt.

Auch sechs der 14 deutschen Handballerinnen sind in Kopenhagen, Randers und Viborg beschäftigt, angeführt werden sie von ihrer Kapitänin Grit Jurack. „Sie hat alles erst möglich gemacht", weiß Nora Reiche, die gemeinsam mit Jurack beim Spitzenklub Viborg HK spielt, aber in Peking wegen einer Knieverletzung fehlt. In der Tat ist Jurack eine Pionierin. Als sie 2002 zunächst nach Ikast wechselte, fiel sie schon dadurch auf, dass sie bereits exzellent Dänisch sprach. Dazu verkörperte die 30jährige, die 2004 für 150 000 Euro Ablöse zu Viborg wechselte, großen Ehrgeiz und Loyalität zu ihrem Arbeitgeber, sie war keinesfalls arrogant, was vielen Deutschen dort nachgesagt wird. Sie kam richtig gut an beim Viborg Handbold Klub, „der wie der FC Bayern" ist, wie Reiche findet.

Heute zählt sie zu den bekanntesten Sportlerinnen Dänemark, sie ist ein Star, dessen Trikot fast 50 000 Mal pro Saison verkauft wird. Sie führt das Team in Viborg an, so wie sie heute die führende Rolle im deutschen Team einnimmt: Die dänischen Klubs, angetan von Juracks Persönlichkeit, warben um andere deutsche Handballerinnen. Heute spielen neben Jurack, Reiche und Kreisläuferin Anja Althaus (alle Viborg) auch Nadine Krause, Maren Baumbach (FC Kopenhagen), Steffi Mehlbeck (Kolding IF) und Nina Wörz (Randers HK) in der Toms Ligen. Daher gilt Jurack als Pionierin.

Deutschland: zäh und erfolgsorientiert

Der harte Wettbewerb in Dänemark hat sie alle gestählt. „Unsere Mannschaft ist so stark, da ist es manchmal schwerer, einen Platz in der Stammformation zu erkämpfen, als nachher die Punktspiele zu bestreiten", erklärt Jurack die Verdrängungsmechanismen. Aber die zähen und erfolgsorientierten Deutschen setzten sich durch – zur Freude des deutschen Bundestrainers Armin Emrich: „Ich sehe das uneingeschränkt positiv", sagt Emrich. Denn so steige nicht nur das sportliche Niveau der deutschen Mannschaft. „Die Spielerinnen entwickeln sich, weil sie eine neue Kultur und eine neue Sprache kennen lernen, auch in ihrer Persönlichkeit weiter."

Auf jeden Fall haben sich die deutschen Handballerinnen auf diese Weise zu einem Medaillenkandidaten für die Spiele in Peking entwickelt – der dritte Platz bei der WM 2007 in Frankreich verpflichtet. Ulrich Strombach, der Präsident des Deutschen Handball-Bundes (DHB), sieht Goldchancen für Männer und Frauen, und manch einer der Experten rechnet damit, dass die Frauen diesen Wunsch eher erfüllen können als die Männer. So homogen und eingespielt wirkten sie in den letzten Jahren. Und die nötige Chuzpe haben die einzelnen Charaktere auch. „Wir fahren jetzt nicht dahin, um uns das olympische Dorf anzugucken", sagte Althaus vor dem Abflug und grinste.

Nun haben auch Werferinnen und Torhüterinnen aus anderen Nationen von dem Stahlbad „Toms Liga" profitiert. Zum Beispiel die brasilianische Torhüterin Chana Masson, der große Star beim Panamerika-Champion. Zwei Stars aus Südkorea, der nächste Gegner in der olympischen Vorrunde, spielen in Arhus. Und gleich sieben Schwedinnen verdienen ihr Brot ebenfalls im Nachbarland. Nur der Olympiasieger von Athen 2004 muss zuschauen. Die dänische Mannschaft, aus Sicht der Liga-Manager eine traurige Pointe, hat sich diesmal nicht qualifiziert. Sie werden sich von Jurack berichten lassen.

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