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Erfolg bei der Arbeit. Victoria Asarenka hat 2012 alle Spiele gewonnen.

© AFP

Frauen-Tennis: Frische Brise im Vakuum

Die 22-jährige Weltranglistenerste Victoria Asarenka ist die derzeit überragende Tennisspielerin. Früher war die talentierte Weißrussin nicht immer in der Lage, ihre Leistungen abzurufen - doch das hat sich geändert.

Sergej Bubka ist ein charismatischer Mann. Wenn er über Sport spricht, dann kann es schon passieren, dass er sich in einen kleinen Rausch redet. Sport war sein Leben und ist es immer noch. Über die Weihnachtsfeiertage, die Familie Bubka in Dubai verbrachte, da war wieder einer dieser Abende, an denen leidenschaftlich nur über das eine Thema debattiert wurde. Bubka hatte im Stabhochsprung stets nach Perfektion gestrebt, den Weltrekord hält er heute noch. Kaum ein Athlet befasste sich so akribisch mit Fitness, Ernährung und mentaler Stärke, wie der inzwischen 48 Jahre alte Ukrainer. An diesem Abend saß auch Victoria Asarenka mit am Tisch, die seit langem mit dem Junior des Hauses, ebenfalls ein Tennisprofi, liiert ist.

Die Weißrussin hörte gebannt zu, was Bubka senior über Trainingsmethoden und vor allem die richtige Einstellung zu sagen hatte. „Harte Arbeit“, so lautet sein Credo, das hörte Asarenka nicht zum ersten Mal von ihm. Doch irgendwie machte es plötzlich „klick“. Es schien das letzte Teilchen des Puzzles zu sein, das der 22-Jährigen noch gefehlt hatte. „Bubka hat so viel echte Leidenschaft für den Sport und teilt sie genauso mit, das hatte einen enormen Einfluss auf Victoria“, sagt ihr Fitnesstrainer Jean-Pierre Bruyere. Wie groß, das sieht man jetzt nur wenige Wochen später: Asarenka ist im Frauentennis eine Klasse für sich. Sie wurde die Nummer eins der Weltrangliste, gewann nacheinander die Titel in Sydney, bei den Australian Open, in Doha und Indian Wells und schraubte ihre Bilanz 2012 nach ihrem Auftaktsieg beim Masters in Miami auf 24:0.

„Ich hätte nie geglaubt, dass ich so spielen kann“, sagt Asarenka, und es ist wohl tatsächlich eine Glaubensfrage, die ihr den großen Durchbruch ermöglichte. Talent hatte Asarenka schon immer, auch die ersten Erfolge kamen bereits als Juniorin. Doch sie schaffte es nie, konstant und am Limit ihrer Möglichkeiten zu spielen. Meistens stand sie mit einem, wie sie es nannte, „Jammer-Gesicht“ auf dem Platz und zertrümmerte gleich reihenweise Schläger, wenn es mal nicht so lief. Und das kam oft vor. Aber nicht nur die Einstellung fehlte, auch die körperliche Fitness. Bei den US Open 2010 war Asarenka sogar auf dem Platz zusammengebrochen. Ihr Dilemma: Sie schien alle Trümpfe in der Hand zu haben und wusste doch nicht, wie sie diese ausspielen sollte. Asarenka war frustriert, sie wollte vor einem Jahr alles hinwerfen.

Ihre Großmutter rückte ihr den Kopf zurecht und machte ihr als eine Frau, die mit drei Jobs die Familie durchgebracht hatte, klar, wie privilegiert sie sei. Und dass man solche Möglichkeiten nicht einfach wegwirft. Asarenka begann zu arbeiten, dank Bubka arbeitete sie noch härter. 2012 ist sie die wohl fitteste Spielerin auf der Tour, die auf dem Platz wie eine Besessene kämpft. Das Schlägermalträtieren hat sie sich abgewöhnt, das Verlieren offenbar auch. Bis zum Rekord von Martina Hingis, die 1997 mit 37 Siegen in Folge startete, ist es nicht mehr weit. Novak Djokovic brachte es im letzten Jahr sogar auf 41.

Mit jedem Sieg macht Asarenka die nörgelige Diskussion um überragende Spielerinnen vergessen, die ihre Vorgängerin Caroline Wozniacki auf dem Thron zwei Jahre lang zermürbt und die dem Ansehen des Frauentennis geschadet hatte. Asarenka hat einen Grand-Slam-Titel, an ihrer Reputation als Nummer eins gibt es keinerlei Zweifel. Und mehr noch, sie ist locker, charmant und bringt alles mit, um als neue Frontfrau die Fans wieder mitzureißen. Sie hat natürlichen Starappeal, aber keine Allüren. Asarenka ist die erfrischende Brise, die das Vakuum im Machtgefüge aufgelöst hat. „Ich versuche, in jedem Match, in jedem Training, die beste Spielerin zu sein. Das ist mein Job“, sagt Asarenka, „Zahlen und Serien interessieren mich nicht, für mich zählt nur, dass ich diese Verbissenheit behalte, immer an mir zu arbeiten.“

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