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© Reuters

Frauenbob: Meine Bremserin, deine Bremserin

Sie streiten viel, und ständig werden die Anschieberinnen getauscht. Gemeinsam ist den deutschen Frauenbobs nur ihre Schnelligkeit.

Von Katrin Schulze

Also doch! Frauen sind Zicken! Was oft als Klischee herhalten musste, ist jetzt wissenschaftlich bewiesen. Forscher der US-amerikanischen Universität Pittsburgh jedenfalls haben herausgefunden, dass Frauen häufiger von Veränderungen eines Gens für den Nervenbotenstoff Serotonin betroffen sind, was zu vermehrter Wut und Gereiztheit führe. Vielleicht können die deutschen Bobfahrerinnen also gar nichts dafür, dass es unter ihnen zuweilen turbulent hergeht. „Es kann schon mal sein, dass da ein blöder Spruch fällt“, sagt Pilotin Cathleen Martini. „Dafür sind wir einfach Frauen.“

Ein blöder Spruch hier, ein paar fiese Blicke dort: Frostig ist die Stimmung zwischen den Frauen im deutschen Bobteam – vor allem abseits des Eiskanals. Doch warum eigentlich, zählen doch zwei der drei Zweierbobs zu den besten der Welt? Begonnen hat alles mit einem heftigen Streit zwischen Fahrerin Sandra Kiriasis und ihrer Bremserin Romy Logsch; beide trennten sich daraufhin voneinander. „Ich werde nie wieder mit ihr zusammen fahren“, sagt Kiriasis heute. „Und schon gar kein Bierchen mit ihr trinken gehen.“ Na und; jetzt fährt Romy Logsch eben für Cathleen Martini. Und Kiriasis? Die hat es erst mit der früheren Bremserin ihrer Hauptgegnerin Martini versucht, die sich „der internen Konkurrenz mit Romy Logsch nicht stellen wollte“, wie Martini sagt. Das sei zwar schade, weil sie fünf Jahre lang ein Team gebildet hätten, aber so sei der Bobsport nun mal.

Partnertausch im Eiskanal

Irgendwie war Sandra Kiriasis aber auch mit ihrer neuen Bremserin Janine Tischer nicht zufrieden – und stellte mitten in der Saison Christin Senkel ein, die wiederum im Bob Deutschland III zusammen mit Claudia Schramm gefahren war. Tischer ging daraufhin zu Schramm. Logsch zu Martini – Tischer zu Kiriasis – Senkel zu Kiriasis – Tischer zu Schramm. Klar?

Beim Partnertausch in der Eisrinne kann man schon mal den Überblick verlieren. In Sachen Treue bot in dieser Weltcup-Saison nur das Team Martini/Logsch Konstanz. Kein Wunder, denn Romy Logsch brachte den Erfolg zu ihrer neuen Pilotin: Fünf der acht Weltcup-Rennen hat Martini in dieser Saison zusammen mit Logsch gewonnen. Nur weil sie eine verletzungsbedingte Pause einlegen musste, holte sich Sandra Kiriasis, die dominierende Fahrerin der zurückliegenden Jahre und Olympiasiegerin 2006 in Turin, doch noch den Sieg im Gesamtweltcup. „Ich bin froh, dass ich mich in dieser Saison an Sandra Kiriasis vorbeigekämpft habe“, sagt Cathleen Martini. „Aber es ist insgesamt natürlich schon eine schwierige Situation.“

Dass Konkurrenz im eigenen Lager Höchstleistungen provoziert, ist kein neues Phänomen, die deutschen Frauen bringen es allerdings zu einer bisher nicht gekannten Dimension. Auch bei den Männern stammen die beiden besten Bobteams aus Deutschland – über Streitereien zwischen Olympiasieger André Lange und dem Silbermedaillengewinner Thomas Florschütz ist jedoch nichts übermittelt. Nach dem Wettkampf im Zweierbob gratulierte der unterlegene Florschütz seinem Kollegen Lange sogar aufs Höflichste. Ein ähnliches Szenario ist bei den weiblichen Kolleginnen kaum vorstellbar, auch wenn Kiriasis findet, dass diese Geschichte „nichts mit Zickenkrieg zu tun hat“. So ganz gelingt es ihr dennoch nicht, sich von dem Vorwurf zu befreien: „Wer es darauf anlegt, wird da bestimmt noch etwas finden.“

Konkurrenz im eigenen Lager provoziert Höchstleistungen

Bei Olympischen Spielen dürfte es wohl keine der beiden auf Wortgefechte anlegen, zu wichtig ist der sportliche Erfolg. Und tatsächlich scheint es so, als ob die Teams rechtzeitig den Weg zurück auf eine professionelle Ebene gefunden hätten. „Mittlerweile arbeiten wir sportlich alle wieder zusammen“, sagt Cathleen Martini. Das klingt diplomatisch – mehr nicht. Denn zu einer Freundschaft werden es Deutschland I und Deutschland II vermutlich nicht mehr bringen.

Vor den vier entscheidenden Läufen am Dienstag und Mittwoch kamen sie im Training auf der schweren Bahn im Whistler Sliding Centre jeweils einmal auf die Ränge zwei und vier. Die Konkurrenz zwischen Kiriasis und Martini ist auch in Vancouver knapp und damit brisant. Und anders als bei den Männern gibt es für sie lediglich eine Chance auf Gold. Wäre es da nicht denkbar, auch bei den Frauen künftig eine Konkurrenz im Viererbob auszutragen? „Oh, nein“, sagt Sandra Kiriasis und lacht laut auf. „Vier Zicken in einem Bob, das kann nicht gut gehen.“

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