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© SCANPIX NORWAY

Frauenfußball: Schnee tut ihr nicht weh

Turbines Yuki Nagasato hat sich schnell eingelebt.

Auf ihrer neuen Autogrammkarte ballt Yuki Nagasato entschlossen die Faust und grinst. So wie auf dem Foto präsentiert sich die Japanerin, die seit dem Ende der Winterpause für den Bundesliga-Tabellenführer Turbine Potsdam stürmt, auch sonst: In sieben Spielen hat die 22 Jahre alte Nationalspielerin schon sechs Tore erzielt, zuletzt zwei am Mittwochabend beim 7:0 im Bundesligaspiel gegen Jena. „Sie ist ein Phänomen“, sagt Turbines Trainer Bernd Schröder, „andere hätten nach der Ankunft erst mal drei Wochen geheult.“ Aus Heimweh, wegen des strengen Winters und vielleicht auch wegen des harten Trainings, für das Schröder bekannt ist. Nicht so Yuki Nagasato, die vom Tokioter Spitzenklub NTV Beleza kam, in 43 Länderspielen 26 Tore erzielt hat und mindestens bis 2012 in Potsdam bleibt. Sie lernte schnell den Begriff „Treppenlauf“, arrangierte sich mit „Schnee, Schnee, Schnee“ und begann, Tor um Tor zu schießen. Bei Herthas 0:2-Niederlage gegen Hoffenheim saß sie im Olympiastadion und hatte sich schnell ihr Urteil gebildet: „Turbine ist besser“, sagt Yuki Nagasato überzeugt und reckt den Daumen nach oben.

Zur Vorbereitung auf Deutschland lernte sie in einem Fahrschul-Crashkurs in Japan, wie man ein Auto ohne Automatikschaltung fährt. Nun ist ein Deutsch-Intensivkurs dran – schon jetzt setzt sie die wenigen Wörter, die sie beherrscht, wirkungsvoll ein. Nach der 0:2-Niederlage gegen Deutschland im Spiel um Bronze bei Olympia 2008 in Peking hat sie das Trikot mit Anja Mittag getauscht. Hängt es nun wirklich bei ihr an der Wand? Yuki Nagasato, der die angeblich typisch japanische Zurückhaltung fremd ist, winkt in der Geschäftsstelle von Turbine Potsdam zur leeren Wand und sagt lachend: „Guten Morgen, Anja.“ Klar hat sie das Trikot ihrer Potsdamer Stürmerkollegin in ihrem neuen Zuhause aufgehängt, soll das heißen.

Eigentlich ist der FCR Duisburg, bei dem Turbine Potsdam heute im Halbfinal-Hinspiel der Champions League antritt, schuld, dass Yuki Nagasato in Potsdam gelandet ist. Als Turbines ärgster Widersacher im Titelkampf in der Winterpause die japanische Auswahlspielerin Kozue Ando verpflichtete, wollte auch Bernd Schröder sein Team unbedingt verstärken. Die Neue durfte noch nicht in der Champions League zum Einsatz gekommen sein, sollte eine Allrounderin sein und sich schnell anpassen können. „Die japanische Szene beobachte ich schon länger“, sagt Schröder, „die Entwicklung in Japan ist besser als in China.“ Yuki Nagasato ist für Schröder, der mit Komplimenten gewöhnlich eher geizt, „ein Glücksfall. Sie spielt, als sei sie schon ein paar Jahre da. Sie ist nicht die Schnellste, kann aber ein Spiel lesen und alles spielen außer Torwart“, sagt der Trainer.

Im Duell der ersten beiden japanischen Nationalspielerinnen der Frauen-Bundesliga steht es 1:1. Im Spitzenspiel in Potsdam kurz vor Ostern setzte sich Turbine durch, im DFB-Pokal-Halbfinale vor einer Woche der FCR Duisburg. Beim ersten Aufeinandertreffen saß auch Akemi Noda, die Frauenfußball-Chefin des japanischen Verbands, auf der Tribüne. „Die Bundesliga ist eine gute Erfahrung für die Spielerinnen. Das Spiel hier ist härter, das brauchen wir“, sagt sie. Von Turbines Mädchen-Fußballinternat sei Noda begeistert gewesen, heißt es in Potsdam, sie wolle in ihrer Heimat etwas Ähnliches aufbauen. Die Potsdamerinnen ihrerseits können sich vorstellen, die Kooperation mit den Japanern auszubauen. Sollten Yuki Nagasato weitere Landsleute folgen, wäre ihnen das große Interesse der japanischen Journalisten in Deutschland sicher. Bei Nagasatos Heimspiel-Debüt übermittelte ein TV-Team jeden ihrer Schritte nach Fernost.

Helen Ruwald[Potsdam]

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