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Sport: Freiburg - Bayern München: Selten so giftig

Wäre die Partie an irgendeinem beliebigen Sonnabendnachmittag zwischen 1989 und 1999 gekickt worden, und es wäre 1:1 ausgegangen zwischen den ewigen Aufsteigern aus Freiburg und den Herren Stars vom deutschen Rekordmeister, auch beim noblen Besuch hätte man ein solches Spiel hinterher gelobt. Schließlich waren die Leute glänzend unterhalten worden.

Wäre die Partie an irgendeinem beliebigen Sonnabendnachmittag zwischen 1989 und 1999 gekickt worden, und es wäre 1:1 ausgegangen zwischen den ewigen Aufsteigern aus Freiburg und den Herren Stars vom deutschen Rekordmeister, auch beim noblen Besuch hätte man ein solches Spiel hinterher gelobt. Schließlich waren die Leute glänzend unterhalten worden. Das Spiel hatte Tore, ein gutes Dutzend Torchancen und verdammt viel Temperament geboten - was auch neun Gelbe Karten belegten - und bis zur letzten Sekunde hätte es auch einen Sieger geben können. Aber weil am Sonnabend, den 25. November um 17. 15 Uhr, die vom FC Bayern München in der Tabelle erst auf Platz vier liegen, und hinter den 14 Spielen nur sieben Siege, aber schon zwei Unentschieden und fünf Niederlagen stehen, heißt es, die Champions kriseln weiter.

Es heißt auch, Ottmar Hitzfeld sehe wieder so schlecht aus wie damals, als er noch Cheftrainer bei Borussia Dortmund war und wegen seiner Magennerven ins Krankenhaus musste. Das stimmt so nicht. Er engagiert sich in diesen ungewohnt schwierigen Tagen vielleicht ein bisschen mehr, er schreit auch mal seine Wut hinaus aus der Coaching Zone, wenn er glaubt, und das zu Recht, dass der Freistoß vorm Ausgleichstor kein Foul war. Aber er lobt dann, wie phantastisch der Ex-Dortmunder But sein erstes Tor für den SC Freiburg in den Winkel gezaubert habe. Und er besitzt Humor, wenn er den Referee beurteilt. "Je weniger Gelbe Karten, desto stärker der Schiedsrichter." Der Dreisatz des ehemaligen Mathematik-Lehrers zum Unparteiischen stimmte - er war weder böse noch verletzend.

Und wenn Hitzfeld nun sagt: "Wir sind auf dem richtigen Weg" und Manager Uli Hoeneß sichtlich entspannt anfügt, "das war total in Ordnung, Leute", und man solle in diesem Spiel mal nicht aufs Ergebnis, sondern auf die Leistung gucken, dann liegen die zwei sportlichen Vordenker der Firma FCB eigentlich richtig. Als Problem beim Umkehrschwung zur alten Souveränität erweist sich nur, dass einige der leitenden Bayern-Angestellten auf dem Platz diesen Prozess an einem einzigen Arbeitstag bewältigen wollen. Kapitän Stefan Effenberg war selten so giftig. Nur seine Prominenz bewahrte ihn wohl vor einem Platzverweis wegen fortgesetzten Reklamierens. Und warum rannte sein Kapitäns-Stellvertreter Oliver Kahn fünf Minuten vor Schluss bis fast an die Mittellinie, um dort Schiedsrichter Fandel fast umzubrüllen? Was soll das, nachdem sich Deutschlands Fußballer des Jahres sein Image selbst so gut korrigiert hat - und mittlerweile für Vernunft steht?

Auf diesem schmalen, aber sehr heiklen Grat zwischen Selbstbewusstsein und Klasse oder Verunsicherung und Wut auf alles andere bewegen sich die bayerischen Titelverteidiger momentan. Solange bei ihnen alles wie Spaß und trotzdem hochkonzentriert aussah, in den ersten 20 Minuten etwa, musste Freiburgs Trainer Volker Finke fürchten, sein Team werde vor eigenem Publikum in alle Einzelteile zerlegt. Erst als der Stress der Bayern-Stars sichtbar wurde, und sie sich durch Gelbe Karten und persönliche Duelle ablenken ließen, merkte Finke, "dass wir, je länger das Spiel dauerte, umso gleichwertiger wurden und das 1:1 letztlich verdient war". Das fand auch das Publikum, das dieses Unentschieden als moralischen Sieg feierte. Sie sind wieder stolz auf ihren Sportclub - durch den Sieg beim 1. FC Kaiserslautern und all die positiven Botschaften der vergangenenen Woche, mit den Vertragsverlängerungen von Trainer Finke und Manager Rettig hat die Stimmung im und ums Dreisamstadion einen Schub bekommen.

Wahrscheinlich dauert es nicht mehr lange, und einer oder gar zwei der Jungen, die das Tempo ins Spiel der Schwarzwälder bringen, werden auch zu nationalen Größen. Es gibt nicht viele junge Menschen mit deutschem Pass, die so schnell die Linie entlang rasen wie Tobias Willi oder ein Spiel aus der Defensive heraus antreiben wie Sebastian Kehl. Und das Schöne an den Beiden: sie sind erst 20 Jahre alt. "Wenn einer mit 20 Jahren das schon so spielen kann, dann ist er im richtigen Verein", so Finke. Der Stolz darauf war ihm anzumerken.

Martin Hägele

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