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Ernests Gulbis zweifelt die Wertschätzung der Tennisspieler an.

© AFP

French Open: Ernests Gulbis: „Werde wie Dreck behandelt“

Der Lette Ernests Gulbis steht im Viertelfinale der French Open - und beklagt laut die Ungleichheit im Tennis.

Ernests Gulbis ließ den Blick kurz durch den großen Pressekonferenzsaal in Roland Garros schweifen, bevor er sich hinsetzte. Volle Reihen, die große Bühne. Und es lag ein wenig Genugtuung in den funkelnden dunklen Augen des 27-jährigen Letten. Denn so war es vor zwei Jahren auch gewesen, als Gulbis überraschend das Halbfinale bei den French Open erreichte. Da war der Hype um ihn plötzlich groß, nachdem er sogar Roger Federer bezwungen hatte. Alle Welt glaubte damals, das schlampige Talent meine es nun erstmals ernst mit seiner Karriere und würde die Zigaretten, die Schokolade und die exzessiven Partys endlich sein lassen.

Gulbis besserte sich tatsächlich, doch warfen ihn direkt schwere Verletzungen an der Schulter und am Handgelenk weit zurück. Von Nummer zehn der Weltrangliste rutschte er bis auf Platz 80 ab. Noch zum Turnierstart vor einer Woche in Paris wollte niemand etwas von Gulbis wissen. Statt im großen Saal zu sitzen stand der Lette nach seinem ersten Match, das er auf dem hintersten Court der Anlage gewann, im Flur vor den Interviewräumen – und das mit einem einzigen Journalisten. So weit unten in der Hierarchie rangieren sonst nur noch Doppelspezialisten.

Gulbis beklagt ein Zweiklassensystem

Nun war Gulbis also durch die Aufgabe von Jo-Wilfried Tsonga fast kampflos ins Achtelfinale eingezogen und hat am Dienstag gegen den Belgier David Goffin die Chance, ins Viertelfinale vorzudringen. „Ja genau, und im Finale spiele ich dann gegen Andy Murray. Das ist doch alles Schwachsinn“, stellte Gulbis sofort klar. So leicht lässt er sich nicht vom schnellen Erfolg verführen. Zu lange hat Gulbis die Schattenseite der Profitour erlebt und diese in Paris auch heftig kritisiert.

„So lange man gut spielt, lebt man in einer völlig anderen Welt“, erklärte Gulbis, „jedes Turnier will dich verpflichten, du spielst immer auf den besten Plätzen, alle küssen dir den Hintern. Aber Spieler wie ich, die weiter hinten stehen, die werden wie der letzte Dreck behandelt.“

Um jede Trainingszeit müsse man betteln, er werde auf die hintersten Plätze verfrachtet, nach Wildcards bräuchte man gar nicht erst zu fragen und respektiert werde man schon gar nicht, fügte Gulbis hinzu. Und das sei überall so, nicht bloß in Paris. „Leben wir in einer Demokratie oder nicht?“, echauffierte er sich weiter, „wo bleibt denn die Wertschätzung für alle Athleten?“

Derzeit liest er etwas Leichtes von Dostojewski

Doch es herrscht ein knallhartes Zweiklassensystem auf der Tour, und Gulbis kennt beide Seiten. Schon 2008 stand er in Paris im Viertelfinale, damals galt er mit gerade 19 Jahren als neuer Shootingstar. Aber der Lette ist stets so etwas wie der Mario Basler des Tennissports gewesen. Er hatte geniale Momente, war aber eher Lebemann statt Vollprofi und dem Nikotin und Alkohol nie abgeneigt. Hinzu kam, dass er superreich und hochintelligent ist. Seine Familie zählt zu den einflussreichsten Lettlands, und nicht nur weil Gulbis nach Ernest Hemingway benannt ist, interessiert er sich für Literatur, genauso wie für Oper, Malerei und russische Kunst. Gerade lese er etwas Leichtes von Dostojewski, sagte er.

Gulbis hatte nie des Geldes wegen Tennis gespielt. Tommy Haas sagte mal: „Wenn man Weltranglistenpunkte kaufen könnte, dann wäre Gulbis die Nummer eins.“ Doch in den vergangenen 20 Monaten hatte er vielleicht so hart wie nie an einem Comeback gearbeitet. Gulbis will zurück auf die Sonnenseite der Tour, und er möchte als Profi ernst genommen werden. In Paris ist der erste Schritt gelungen.

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