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Ernest Gulbis

© dpa

French Open: Mit lettischer Leidenschaft

Ernest Gulbis steht im Viertelfinale der French Open. Der 19-jährige Lette ist der jüngste Spieler im Viertelfinale und kann ein ganz Großer im Tennissport werden.

Schon als Ernests Gulbis die ersten Bälle über das Netz drosch, ging ein leichtes Raunen durch den voll besetzten Court Suzanne Lenglen. Der eher schmächtig wirkende Teenager mit den wuscheligen Haaren sieht keineswegs so aus, als verfüge sein Körper über jene gewaltige Kraft, mit der er die Bälle beschleunigt. Der 19-jährige Lette ist der jüngste Spieler im Viertelfinale der French Open und ist auf dem besten Wege, einer der Großen im Tennissport zu werden.

Abgeklärt, als spiele er schon ewig auf der Herren-Tour, nahm es Gulbis mit dem Franzosen Michael Llodra auf, den knapp zehntausend Zuschauer lautstark anfeuerten. Doch wie in den Runden zuvor, als er James Blake und Nicolas Lapentti aus dem Turnier geworfen hatte, ließ der junge Lette sich nicht beirren. Mit ernster Miene und hoch konzentriert düpierte er Llodra immer wieder mit wuchtigen Passierbällen und Aufschlägen mit durchschnittlichen 220 Stundenkilometer. In engen Situationen blieb er ruhig, nahm auch mal ein Rebreak hin. Denn er wusste um seine Stärke, wusste, dass er das Match unter Kontrolle hatte.

Mit 6:4, 7:6 und 6:3 zog er schließlich ins erste Grand-Slam-Viertelfinale seiner Karriere ein und schon nach dem Matchball wich die Anspannung aus seinem Gesicht und das sympathische, lausbübische Lächeln schien wieder hervor. „Ich habe mich in allen Bereichen verbessert und auch viel an meiner Physis gearbeitet“, sagte Gulbis zufrieden. „Ich werde immer konstanter und das gibt mir viel Selbstvertrauen. Jetzt denke ich auch nicht mehr, dass ich nach einem guten Match über Nacht vergesse, wie man Tennis spielt.“

In Paris hatte er es sicherlich nicht vergessen und beeindruckte in der ersten Turnierwoche vor allem mit einer Konstanz, die bei so jungen Spielern selten zu beobachten ist. Dabei hatte er vor den French Open noch nie mehr als zwei Matches in Folge auf Sand gewinnen können. Kurz nach seinem 18. Geburtstag war er in die Top 100 der Welt vorgestoßen, als erster Lette überhaupt. Inzwischen wird er an Position 80 geführt. Schon mit seinem Einzug ins Achtelfinale der US Open im vergangenen Herbst machte Gulbis erstmals auf großer Bühne auf sich aufmerksam.

„Ich denke jetzt viel mehr nach und konzentriere mich in den wichtigen Momenten darauf, den Ball erst mal nur ins Feld zu spielen“, erklärt Gulbis, dessen Entwicklung stetig vorangeht. Er hätte viele Optionen gehabt, im Sport Karriere zu machen, erzählt er. Als Kind liebte er alle Arten von Bällen, hatte gutes Ballgefühl und großen Bewegungsdrang. Doch für die in Lettland beliebten Sportarten wie Eishockey und Basketball entschied sich Gulbis nicht. „Meine Oma hat angefangen, mit mir Tennis zu spielen“, erzählt er.

Jenes Talent war auch Niki Pilic nicht entgangen, der Gulbis mit zwölf Jahren in seine Münchener Akademie aufnahm. Zu dieser Zeit spielte dort auch ein gewisser Novak Djokovic. „Er war ein Jahr älter und zu der Zeit schon viel ernsthafter und ehrgeiziger als ich. Ich bin halt so zum Training gegangen, aber er hat sich richtig reingehängt“, erinnert sich Gulbis. Dennoch spürte er, dass er im Tennis etwas erreichen könnte. Dieses Gefühl teilte Pilic und bot ihm an, als Trainer mit ihm auf der Tour zu reisen, obwohl der inzwischen 70-Jährige das eigentlich nicht mehr tun wollte. Aber Pilic blieb fünf Jahre lang an Gulbis’ Seite und gab die Aufgabe erst nach den US Open an den Österreicher Karl Heinz Wetter weiter.

Der muss seinen Spieler oft bremsen, wenn der mal wieder ungeduldig wird und am liebsten sofort sein erstes Turnier gewinnen möchte. „Ich weiß ja, so läuft das eben nicht“, gesteht Gulbis lächelnd. Das Leben auf der Tour behagt ihm zwar nicht sonderlich, dennoch ist Tennis seine erste Leidenschaft: „Ein Match zu gewinnen, ist ein unglaubliches Gefühl.“

Das nächste Hochgefühl dieser Art könnte morgen auf Gulbis warten, der im Viertelfinale auf Novak Djokovic trifft. Eine gute Gelegenheit, seinem ehemaligen Trainigspartner zu zeigen, dass auch er inzwischen recht ernsthaft trainiert.

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