zum Hauptinhalt
Jo-Wilfried Tsonga versucht einen Tennisball zurückzuschlagen.

© afp

French Open: Warten auf Noahs Erben

30 Jahre nach dem Sieg von Yannick Noah bei den French Open in Paris sehnt sich die Grande Nation nach einem französischem Nachfolger. Potentielle Nachfolger gibt es - doch sie tun sich schwer auf Sand.

Vor 30 Jahren gab es in Roland Garros kein Halten mehr. Damals stürmten ein paar hundert französische Fans den Center Court, sie waren so hingerissen von ihrem Helden, dass sie Yannick Noah herzen und umarmen und auf ihren Schultern durchs Stadion tragen wollten. Zum ersten Mal hatte in der Profi-Ära einer der Ihren die French Open gewonnen – das Stadion verwandelte sich in ein Tollhaus, wie man es danach im Tennissport nie wieder erlebte. Binnen Minuten war der schlaksige Mann mit den Rasta-Locken und der markanten Lücke zwischen den Schneidezähnen fast verschwunden im dichten Getümmel und seligen Freudentaumel. Ein Albtraum nach heutigem Sicherheitsempfinden, doch es waren andere Zeiten.

Noah war nahbar, auch wenn er den Status eines Popstars hatte. Mit seinem feurigen, virtuosen Spiel und viel Herz hatte der damals 23-Jährige nicht nur den Favoriten Mats Wilander im Endspiel glatt bezwungen, vielmehr vermochte Noah mit seiner charismatischen Strahlkraft die Menschen für sich einzunehmen. Und es verwundert nicht, dass sich die Franzosen auch in diesen Tagen mit Nostalgie über die Realität hinwegtrösten. Denn seither konnte keiner Noahs Erbe antreten.

Sehnsüchtig hofft die Grande Nation auf einen neuen Champion auf der heimischen Asche. Doch obwohl es in Frankreich 8000 Tennisklubs mit 1,1 Millionen Mitgliedern gibt, und es zumindest vier Spieler seit Noah bis ins Finale eines Grand-Slam-Turniers schafften, gingen sie stets leer aus. Ein wenig unterschlagen die Franzosen beim Jahrestag ihrer Wehmut jedoch, dass Mary Pierce zwischenzeitlich im Jahr 2000 die French Open gewonnen hatte. Doch als Halb-Amerikanerin taten sie sich mit Pierce etwas schwer, und zudem hat das Damentennis auch in Frankreich längst nicht den gleichen Stellenwert wie ihre männlichen Pendants. Noahs Triumph rangiert in ihrer Wahrnehmung auf gleicher Höhe mit dem Gewinn der Fußballweltmeisterschaft im Jahr 1998. Und Noah ist für die Franzosen auch mit 53 Jahren immer noch ihr „Chouchou“, ihr Liebling, dem sie jetzt als erfolgreicher Popmusiker an den Lippen hängen und ihm sogar Ärger mit den Steuerbehörden oder Haschisch-Geständnisse verzeihen.

Zu gerne würden sie ihr nationales Heiligtum klonen. Die französische Sportzeitung „L’Equipe“ hatte im Vorfeld der French Open getitelt: „Wenn man mal träumen dürfte...“ und die Fotos ihrer sechs potenziellen Siegerkandidaten mit Noahs berühmten Rastalocken versehen. Geholfen hat es nicht, von den 18 Franzosen im Hauptfeld sind 15 bereits ausgeschieden. Ebenso die elf Damen. Mehr Spieler stellte keine andere Nation, doch die Masse macht es eben nicht. Gael Monfils war der letzte, der 2008 wenigstens im Halbfinale von Roland Garros stand. „Dieser Ort ist magisch“, schwärmte er. Obwohl auch Monfils es versteht, das Pariser Publikum zu elektrisieren, fehlt ihm die Robustheit, um es beim größten Sandplatzturnier der Welt bis zum Titel zu schaffen. Bleiben mit Jo-Wilfried Tsonga und Gilles Simon noch zwei Franzosen im Achtelfinale, Richard Gasquet könnte nachziehen. Tsonga werden als Nummer acht der Welt und Finalist in Australien 2007 die größten Chancen gegeben, doch Sand liegt ihm nicht.

Vor einem Jahr vergab er im Viertelfinale gegen Novak Djokovic vier Matchbälle, ein bitteres Aus. Es war ein Nachweis, wie gefährlich französische Spieler auf ihrem Territorium sein können. Doch in letzter Konsequenz fehlt ihnen der Glaube. „Ich denke nicht, dass einer von uns hier gewinnt“, sagte Tsonga im letzten Jahr und brachte Noah damit in Rage: „Das Schlimmste ist, wenn man nicht einmal davon träumt, zu gewinnen.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false