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Sport: Fröhliche Weihnachten

Alexander Leipold steht erstmals nach seinen Schlaganfällen auf der Ringermatte und genießt „ein Wunder“

Schifferstadt (Tsp). Natürlich flossen Tränen, das ging ja gar nicht anders. Wie viele Leute in der Halle weinten, weiß man nicht. Aber Juliane Leipold hat sehr bewegend geweint, das konnte jeder sehen. Sie weinte erst spät am Abend, weil ihr Mann den letzten Kampf hatte. Ihr Mann besiegte den jungen FreistilRinger Jan Brömme 5:0, aber das war egal. Juliane Leipold hätte auch geweint, wenn ihr Mann verloren hätte, gegen den bulgarischen Ex-Weltmeister Nicolai Paslar zum Beispiel. Aber der wurde an diesem Abend von seinem Team geschont. Juliane Leipold weinte, weil sie die Frau von Alexander Leipold ist. Und weil Alexander Leipold überhaupt auf der Matte stand.

Am Samstagabend in der Wilfried-Dietrich- Halle in Schifferstadt feierte Alexander Leipold noch mal seine Auferstehung. Diesmal die sportliche. Die viel wichtigere, die generelle Auferstehung, die Tatsache, dass er überhaupt noch lebt, die hat er früher gefeiert. Nachdem er drei Schlaganfälle überwunden hatte. Anfang August war Leipold ein Mann für die Intensivstation, es ging zeitweise um Leben und Tod. Seine rechte Körperhälfte war gelähmt, das Sprachzentrum lahm gelegt. Sein Arzt sagte damals, er solle ihm die Zunge entgegenstrecken. Aber die Zunge knickte einfach weg. Juliane Leipold sagt: „Das sah brutal aus.“ Und Leipold dachte, wie er das Leben bewältigen sollte, im Rollstuhl, nicht reden zu können, den vierjährigen Sohn nur mit Gesten anzusprechen. Aber die Sprache kam zurück, langsam, so dass er immer mehr Sätze wieder formulieren konnte. Und die Lähmung verschwand.

Nun, am Samstagabend, ging es um die Rückkehr der Sportlers Alexander Leipold, des Weltmeisters, des elfmaligen Deutschen Meisters. Der Viertelfinal-Rückkampf seines Vereins VfK Schifferstadt gegen den Luckenwalder SC im Kampf um die deutsche Mannschaftsmeisterschaft, war die Bühne dieses Comebacks. Auf dieser Bühne sprach einer von „Wunder“. Alexander Leipold sagte: „Die Anspannung im Vorfeld war enorm. Der Kampf ist nicht so wichtig. Es war nur wichtig, wieder auf der Matte zu stehen. Solche Wunder gibt es wohl nur an Weihnachten.“ Da weinten wieder einige der 2000 Zuschauer. Die Halle war restlos ausverkauft.

Nach dem Kampf ging Leipold zuerst zu seiner Frau. Ein Kuss, ein dankbarer Blick. „Ohne sie hätte ich es nie geschafft. Der Abend hier war fantastisch. Jetzt brauche ich keine Geschenke mehr zu Weihnachten.“ Wieder Tränen überall.

Sein Abend hatte mit Rockmusik begonnen. Campino, der Sänger der „Toten Hosen“, brüllte „Hier kommt Alex“ aus den Boxen. Der Song passte einfach zu gut zu diesem Moment, als Alexander Leipold zur Matte schritt. Deshalb hatten sie die CD eingelegt. Die Fans tobten, ihre Spannung, dieses wochenlange Bangen und Zittern um den Ringer, löste sich in infernalischem Lärm. Leipolds Dopingfall, die positive Probe bei den Olympischen Spielen in Sydney nach dem sensationellen Olympiasieg, das war schon lange nur eine schwammige Erinnerung. Wer an Leipold dachte, dachte an den Menschen Leipold, der drei Schlaganfälle irgendwie überleben musste. Er dachte vielleicht noch an den Sportler Leipold, aber nur, um sich zu fragen, ob der je wieder auf der Matte stehen würde. Kaum einer dachte ernsthaft an den Dopingsünder Leipold. Der 34-Jährige sagt bis heute, er habe ein verunreinigtes Nahrungsergänzungsmittel gegessen.

Leipold machte schnell zwei Punkte. Es war eine Formsache. Luckenwalde hatte schon den Hinkampf 8:16 verloren, es war nichts mehr drin im Viertelfinale. Deshalb durfte Jan Brömme Erfahrung sammeln. Aber nach drei Minuten hielten die Fans den Atem an. Leipold musste behandelt werden. Spätfolgen des Schlaganfalls? Aber Leipold hatte nur Nackenprobleme, nichts Ernstes. Leipold kämpfte weiter, er gewann 5:0. Und Bundestrainer Wolfgang Nitschke sagte: „Das grenzt an ein Wunder.“ Er hofft, dass Leipold bei den Olympischen Spielen startet.

Schifferstadt, dies nur so, der Ordnung halber, gewann 23:2.

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