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Auf Wiedersehen. Magdalena Neuner hat sich beim Biathlon auf Schalke endgültig von von ihrem Sportlerleben verabschiedet.

© dpa

Frohes neues Leben: Die Kunst des Aufhörens

Im Sport gibt es viele Beispiele von Menschen, die auch hinter der Ziellinie kein Ende zu finden vermögen. Robert Ide kommentiert die hohe Kunst des Aufhörens.

Was denkt einer, wenn er seinen Abschied nimmt? Er (und sie) denkt zurück, vielleicht mit einem Glas perlender Wehmut in der Hand, einem bereits adressierten Rollkoffer am Fuß und einer Welt voller Erinnerungen im Kopf. Bei sich selbst, womöglich aber auch bei anderen, hinterlässt ein Abschied stets die Frage: Ist jetzt tatsächlich der richtige Zeitpunkt zu gehen? Jeder kluge Kopf kennt die Antwort, weil er sie schon oft altklug zu hören bekommen hat: Gehe genau dann, wenn es Dir am schwersten fällt, wenn es am schönsten ist. Bleibt nur noch eine innere Schwachstelle: Kann die eigene Emotion diesem Gedanken folgen?

Eine erst 25 Jahre alte Frau hat an diesem Wochenende etwas vollbracht und wohl auch übers Herz gebracht, was so viele sich vornehmen und doch so wenige wirklich schaffen – es ist Magdalena Neuner. Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere im Sport hat die beste deutsche Biathletin aus freien Stücken sich die Freiheit genommen, ein neues Leben zu beginnen. Neuner ist bei ihrem Abschiedsrennen in der Arena Auf Schalke gefeiert und auch noch als Deutschlands Sportlerin des Jahres geehrt worden. Weil sie eine erfolgreiche und dabei bodenständige Athletin war, natürlich auch deshalb. Aber vor allen Dingen, weil sie es vermocht hat, abzutreten mit perlender Freude in den Augen und mit Wehmut höchstens in ihrem Kopf.

Aufhören ist eine hohe Kunst, nicht nur in der Kultur. Insbesondere im Sport gibt es viele Beispiele von Menschen, die auch hinter der Ziellinie kein Ende zu finden vermögen. Und dabei muss man nicht nur an den ewigen Sonnenkönig des Fußballs Joseph S. Blatter denken. Es gibt auch Dauer-Comebacker gleich hier um die Ecke. Claudia Pechstein, mit ihren 40 Jahren eigentlich schon Eislauf-Oma, kämpft nach massiven, aber schlussendlich gar nicht bewiesenen Doping-Vorwürfen um ihren Ruf und nebenbei auch noch um Medaillen. Sie ist dabei durchaus erfolgreich und zeigt ein Stehvermögen, das gerade auf dem rutschigen Eis des Hochleistungssports selten ist. Aber sie verkämpft sich auch in einem Leben, das längst ihr altes sein könnte.

Ein ganz anderes Leben im eigenen Leben zu beginnen, ist gerade für erfolgreiche Sportler fast die größte Herausforderung der Karriere. Michael Schumacher jedenfalls haben seine Zusatzrunden im Rondell der Formel 1 nicht wirklich gut getan (sie haben ihn als plötzlichen Verlierer höchstens ein wenig menschlicher gemacht); Martin Schmitt stürzt sich wieder und wieder und immer wieder bei der Vierschanzentournee vom Hang, wohl auch weil er unterhalb des Schanzentisches keine andere Welt zu entdecken vermag; und die beste deutsche Behindertensportlerin Marianne Buggenhagen dreht in ihrem Erfolg immer noch Ehrenrunde um Ehrenrunde.

„Als Sportler weiß man immer ganz genau, was man in den nächsten Wochen macht“, hat Magdalena Neuner über ihren selbst gewählten Abschied gesagt. „Jetzt dagegen ist jeder Tag anders, und das ist total schön.“ Bei ihr hat der Gedanke die Emotion erfolgreich eingefangen: Gehe dann, wenn es Dir am schwersten fällt. Dann fällt Dir das nächste Leben hinterher leichter.

Auf ein frohes Neues!

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