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Sport: Frust nach der Freude

Deutschlands Vielseitigkeitsreiter gewinnen beim CHIO in Aachen, sorgen sich jedoch um Bettina Hoy

Als der Sieg in der Mannschaftswertung am frühen Nachmittag geschafft war, stand für die deutschen Vielseitigkeitsreiter gleich der nächste, diesmal allerdings inoffizielle Wettbewerb auf dem Programm. Wer strahlte am meisten? Glücklich und zufrieden sahen sie von Frank Ostholt, der mit seinem Pferd Air Jordan auch die Einzelwertung gewann, über Hinrich Romeike (Platz fünf) bis hin zu Bundestrainer Hans Melzer schließlich alle aus. Am euphorischsten war aber nach der abschließenden Geländeprüfung der 45-jährige Romeike mit seinen Schimmel Marius. „Mein Pferd war heute so drauf, als würde es an einer Blutspur schnüffeln“, sagte er.

„Die ganze Mannschaft hat hier beeindruckt“, sagte der Bundestrainer und lobte sein Team – die Tiere inklusive – für die Auftritte beim CHIO in Aachen. „Die Pferde haben durch das Turnier hier einen richtigen Konditionsschub bekommen“, sagte Melzer, der sich zunächst auch nur in Maßen darüber grämen wollte, dass ein Pferd zu diesem Zeitpunkt gar keinen Konditionsschub mehr bekommen konnte. Weil es den Vormittag nämlich nicht im Gelände rund um die Aachener Soers, sondern auf der Krankenstation zugebracht hatte.

Irgendwann trieb das traurige Los von Ringwood Cockatoo, dem Pferd von Bettina Hoy, dem Trainer dann aber doch ein paar Sorgenfalten auf die Stirn. Zwar ergab der Röntgenbefund des Schimmelwallachs, der sich am Freitagabend bei der Springprüfung verletzt hatte, nicht den befürchteten Sehnenschaden, sondern nur eine Zerrung in der Hinterhand. „Nichts Ernstes“, sagte Melzer zwar, war jedoch weit davon entfernt, erleichtert zu sein. Denn die Olympischen Spiele rücken näher, der Terminplan drängt.

Bettina Hoy ist nur unter Vorbehalt für die Spiele in Hongkong nominiert worden. Hoy muss am kommenden Wochenende bei einem Turnier in Hünxe mit Ringwood Cockatoo noch einen Gesundheits- und Formtest bestehen. Fällt dieser negativ aus, rückt Andreas Dibowski (Egestorf) mit Leon nach. Hoy selbst versuchte optimistisch nach vorne zu blicken. „Es geht ihm ganz gut“, sagte sie nach einer Untersuchung über den 17-jährigen Wallach. „Das ist keine wilde Sache.“ Bei der Röntgenaufnahme sei ein Bluterguss in der Nähe des Sitzbeins zu sehen gewesen: „Das tut ihm weh.“ Sie sei zuversichtlich, in zwei Tagen wieder reiten zu können.

Doch angeschlagenen Pferden, die vor dem Abflug nach Hongkong noch in Quarantäne müssen, rennt die Zeit davon. Ringwood Cockatoo, der beim CHIO für die Geländeprüfung gestrichen worden war, lahmte nach seinem Check in der Pferdeklinik noch. Wenn er nicht bald wieder einsatzbereit ist, fehlt ihm laut Melzer entsprechend „wichtige Aufbauzeit“. Mit einer womöglich unerfreulichen Konsequenz. „Wir können es uns nicht leisten, ein nicht fittes Pferd mit nach Hongkong zu nehmen“, sagte der Bundestrainer.

Und Hinrich Romeike witterte im Fall von Bettina Hoy bereits der Tragödie nächsten Teil. „Das ist dramatisch für sie, gerade sie kennt schließlich alle Höhen und Tiefen“, sagte der besorgte Kollege, der dabei war, als seine Teamgefährtin 2004 bei den Olympischen Spielen in Athen zur tragischen Figur wurde.

In der griechischen Metropole überquerte Hoy im Rahmen der Vielseitigkeitsprüfung, die zugleich für die Mannschaftswertung galt, bei einer Einreitrunde versehentlich zweimal die Startlinie. Hoy hätte sowohl im Einzel als auch mit dem Team Gold geholt. Nach einem erfolgreichen Einspruch der französischen Mannschaft, der zwischenzeitlichen Rückgabe der Goldmedaillen an die deutschen Reiter und einem erneuten Einspruch, diesmal der Franzosen, Briten und Amerikaner, entschied der Internationale Sportgerichtshof Cas am Ende gegen Deutschland.

Seitdem sehnt Bettina Hoy, die mit dem australischen Vielseitigkeitsreiter Andrew Hoy verheiratet ist und in Gatcombe den Landsitz der britischen Prinzessin Anne betreut, die Revanche für den Sommer 2004 herbei. Doch nun droht der 45-Jährigen nach der seelischen Achterbahnfahrt in Athen, dem Tod ihres Pferdes Woodsides Ashby im Jahr 2005, der bei Hoy einen Nervenzusammenbruch auslöste, der nächste Tiefschlag.

Bundestrainer Melzer („Wir haben gute Reservereiter, das haben sie hier in Aachen gezeigt“) stellt sich jedenfalls schon einmal auf ein böses Ende ein. Ebenso wie Hoys Teamkollege Hinrich Romeike, der sich gedanklich schon einmal nach Hongkong versetzt und erklärt: „Wenn sie bei den Spielen nicht dabei ist, dann kämpfen wir für sie mit.“

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