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Nicht zu stoppen: Die Füchse Berlin stehen mit einer perfekten Bilanz an der Tabellenspitze.

© dpa

Füchse Berlin: Willkommen im Farbfernsehen

Vor fünf Jahren waren die Füchse am Ende und standen kurz vor dem Abstieg aus der zweiten Liga. Jetzt mischen sie die Handball-Bundesliga auf und stehen nach fünf Spielen ungeschlagen an der Spitze.

Berlin - Der Schuhkarton ist bei den Füchsen längst ein Kultobjekt. „Wenn ich mal aufhöre, kommt der ins Museum“, sagt Bob Hanning. Mit diesem Behältnis unter dem Arm, gefüllt mit Rechnungen und Schuldscheinen, und dem heutigen Geschäftsstellenleiter Stefan Güter an der Seite begann der 42-Jährige aus dem Ruhrgebiet das neue Handball-Projekt Füchse Berlin. Das mittlerweile, nach dem Erfolg über Champions-League-Sieger THW Kiel am vergangenen Sonntag, offiziell für beendet erklärt wurde. Man sei nun angekommen, hieß es nach dem 26:23, eine neue Stufe in der Entwicklung zu einem Spitzenteam könne in Angriff genommen werden. „Wenn man so ein Resümee ziehen kann, erinnert man sich gern an die Anfänge“, sagt Hanning und streichelt die mittlerweile etwas zerbeulte Pappkiste.

2005 lag der Spitzenhandball in Berlin im Koma. Der Traditionsverein Reinickendorfer Füchse stand vor dem Abstieg aus der Zweiten Liga, weil ihm wegen Nichteinhaltung der Frist die Lizenz verweigert worden war. „Das erwies sich im Nachhinein als großes Plus", sagt Hanning, der von einem „Wendepunkt“ spricht. Die Begründung für den Lizenzentzug enthielt derart viele Formfehler, dass er mit Hilfe eines cleveren Anwalts und einigen Gleichgesinnten wie dem Präsidenten Frank Steffel die Spielberechtigung doch noch erwirkte. Für die Finanzierung gewann er eine Bank, bei der er dann in Lichtenberg auch eine Büro-Grundausstattung erhielt. „Ja, so war es, und heute redet alles über einen Füchse-Sieg gegen den THW Kiel - Wahnsinn!“, sagt Hanning.

Allein schon die Zuschauerresonanz dokumentiert die Entwicklung seitdem. Begonnen hatte es mit 17 verkauften Dauerkarten, 15 an den Fanklub und zwei an Hannings Eltern sowie 10 000 Freikarten, die an Betriebsräte großer Firmen verteilt wurden. Die Jahreseinnahmen aus Tickets beliefen sich auf 1038 Euro. Heute stehen die Füchse in der Bundesliga hinter Hamburg und Kiel mit einem Zuschauerdurchschnitt von 8124 in der vergangenen Saison an dritter Stelle und haben damit Einnahmen im siebenstelligen Bereich. Gegen Kiel war die Schmeling-Halle mit 9000 Fans ausverkauft, was auch Bundestrainer Heiner Brand zur Aussage animierte: „Es war ein Spitzenspiel mit einer Spitzenatmosphäre.“

Damit ist die Mannschaft in ihrem vierten Erstligajahr an einem Punkt angekommen, von dem aus große Sprünge nicht mehr möglich sein werden. Vor Jahren hat Hanning für die Füchse ein Lernplateau mit zehn Stufen ausgearbeitet; aktuell sieht er sie auf der Stufe fünf. Selbst Rückschläge könne man nie ausschließen, sagt er: „Aber da wir selbst nach dem Erfolg gegen Kiel nicht hoch fliegen, können wir auch nicht so tief fallen.“

Von den aktuell 10:0 Zählern und Platz eins in der vorgeblich stärksten Liga der Welt leitet niemand bei den Füchsen unrealistische Ambitionen ab. „Rang neun mit 40 Punkten in der vergangenen Saison, das ist zunächst für uns die Vorgabe“, sagt Trainer Dagur Sigurdsson, der sich mittlerweile nahezu bei jedem Spiel über Lob von Kollegen freuen kann. „Die Füchse haben sich enorm entwickelt“, sagt zum Beispiel Kiels Coach Alfred Gislason. Ob dies so weiter geht, hängt maßgeblich vom Etat ab – und der wiederum von der öffentlichen Resonanz. „Um uns haben sich die Medien bisher zweimal regelrecht gerissen“, sagt Hanning, „als die Liaison von Torhüter Silvio Heinevetter mit Schauspielerin Simone Thomalla bekannt wurde und jetzt erstmals nach einem sportlichen Erfolg.“ Der Rechtevermarkter IMG soll das Füchse-Hoch nun in klingende Münze umwandeln. Derzeit liegt der Etat bei etwas über vier Millionen Euro. Zehn Millionen sind aus Hannings Sicht die Schallmauer, „dann werden wir Meister und sind in der Champions League ganz vorn dabei“.

So haben sich eben die Proportionen bei den Füchsen in fünf Jahren verschoben. Da wirkt die Geschichte mit dem Schuhkarton wie Fernsehen ohne Farbe.

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