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Talant Duschebajew gewann als Trainer bisher dreimal die Champions League. Am Sonntag empfängt er mit Atletico Madrid die Füchse Berlin.

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Füchse-Gegner in der Champions League: Talant Duschebajew: Wandler zwischen den Welten

Talant Duschebajew war schon als Spieler eine Legende. Nach seiner aktiven Handball-Karriere wurde der gebürtige Kirgise ein nicht minder erfolgreicher Trainer. Am Sonntag trifft er mit Atletico Madrid auf die Füchse Berlin.

Für Talant Duschebajew beantwortet sich die Frage von selbst, damals wie heute. Wie ein kirgisischer Junge überhaupt auf die Idee kommt, Handball zu spielen? „Der Sport ist sehr komplex, das hat mir gefallen“, sagt er, „man braucht die Arme, die Beine – und den Kopf.“ Man muss dazu wissen, dass Duschebajew nie den härtesten Wurf im Welthandball hatte und, mit Verlaub, nie die längsten Beine. Der 1,83-Meter-Mann brachte dafür andere Qualitäten mit. Unberechenbarkeit, Kreativität und Intelligenz, gepaart mit unfassbarer Dynamik - dieses Paket machte ihn zu einem der besten Spieler in der Geschichte seines Sports. Duschebajew zählt bis heute zu den großen Persönlichkeiten des Handballs, weil er das geschafft hat, woran viele Ex-Internationale glorreich scheitern: Er ließ einer herausragenden Karriere als Aktiver eine nicht minder erfolgreiche Laufbahn als Trainer folgen. Am Sonntag trifft der 44 Jahre alte Coach von Atletico Madrid im Achtelfinal-Hinspiel der Champions Leauge auf die Füchse Berlin (18 Uhr, live bei Eurosport).

„Das bislang wichtigste Spiel der Saison“, sagt Duschebajew, „weil die Champions League für beide Teams die letzte Chance auf einen Pokal in diesem Jahr ist.“ Wobei das Szenario einer titellosen Saison in Madrid einer mittelschweren Katastrophe gleichkäme. Duschebajew und seine Spieler sind zwar erst seit eineinhalb Jahren in der spanischen Hauptstadt beheimatet, sie firmierten vor dem finanziell bedingten Umzug der Handball-Abteilung unter dem Namen BM Ciudad Real. „Aber die Erwartungen“, sagt der Trainer, „die haben wir mitgenommen nach Madrid.“ Unberechtigt sind sie allerdings auch nicht. Denn obwohl sich Ciudads Mäzen Domingo Diaz de Mera vor eineinhalb Jahren zurückgezogen hat, verantwortet Duschebajew weiterhin eine Weltauswahl. In seinem 18-köpfigen Kader finden sich Nationalspieler aus acht verschiedenen Ländern. Auch das passt irgendwie zu Talant Duschebajew, diesem Wandler zwischen den Welten und Nationen, der sowohl die spanische als auch die russische Staatsbürgerschaft besitzt.

Duschebajew ist der einzige Athlet seiner Sportart, der mit vier verschiedenen Nationalteams Medaillen bei Olympischen Spielen und Internationalen Meisterschaften gewann: 1990 WM-Silber mit der Sowjetunion, 1992 Olympia-Gold mit dem Team GUS, 1993 WM-Gold mit Russland und schließlich EM-Silber 1996 und 1998 mit Spanien. Nun ist es im Handball legitim und durchaus üblich, dass Spieler in ihrer Karriere für verschiedene Länder auflaufen. Aber bitte, vier Nationalteams? „Was soll ich machen?“, sagt Duschebajew, die politische Situation habe diese Möglichkeit überhaupt erst zugelassen. „Außerdem ist das gar nicht wichtig“, ergänzt er, „Kirgisistan ist und bleibt meine Heimat.“ Und in seine Wahlheimat Spanien hat er sich verliebt, als er 1992 nach Santander kam. Vom russischen Spitzenklub ZSKA Moskau, dessen Handballer nun als Medwedi Tschechow spielen.

Wie der Schlangenmensch Duschebajew seine Position revolutionierte

Bei Teka Cantabria übertrifft der Neuzugang alle Erwartungen, er entwickelt sich zum besten Spielmacher seiner Zeit und revolutioniert die Rückraum-Mitte-Position. Bis dato haben nicht nur die Russen vorrangig auf physisch starke und groß gewachsene Typen gesetzt. Duschebajew ist ganz anders. Technisch versierter, ideenreich, gesegnet mit dem Auge für Mitspieler – und dank seines riesigen Repertoires an Würfen selbst jederzeit torgefährlich, kurzum: ein Alptraum für jede Defensivreihe. Besonders in Erinnerung geblieben sind seine Stemmwürfe, bei denen sich Duschebajew bisweilen wie ein Schlangenmensch verbiegt, um im letzten Moment am gegnerischen Abwehrblock vorbeizuwerfen.

1994 und 1996 wird Duschebajew zum Welthandballer gewählt. Diese Auszeichnung weckt das Interesse einiger Bundesligisten. 1997 wechselt er zum TuS Nettelstedt und ein Jahr später zu GWD Minden. So richtig heimisch wird er in Deutschland nicht, im Zuge der Steueraffäre beim TuS Nettelstedt wird zwischenzeitlich sogar gegen den Welthandballer ermittelt. Der Verdacht erhärtet sich allerdings nicht. Später bezeichnet Duschebajew den Wechsel nach Deutschland als „Fehler“. Er geht 2001 zurück nach Spanien.

Ciudad Real kauft in dieser Zeit große Handballer ein wie Roman Abramowitsch große Fußballer. Duschebajew soll der Kopf der neuen Multikultimillionentruppe werden – mit Erfolg. Meisterschaften, Europapokale, die Mannschaft räumt fast alles ab. Nur einen Titel holt Duschebajew bis zum aktiven Karriereende 2005 nicht: jenen in der Champions League. „Für mich war damals klar, dass ich noch einmal einen Anlauf als Trainer nehmen muss“, sagt er heute. 2005 bietet sich die Gelegenheit, Duschebajew übernimmt bei Ciudad Real. 2006, 2008 und 2009 holt der Klub mit dem jungen Trainer schließlich den bedeutendsten Europapokal.

Seither hofft er allerdings vergeblich auf einen vierten Triumph in der Champions League, im vergangenen Jahr unterlag Atletico Madrid dem THW Kiel erst im Endspiel. Ob es womöglich in dieser Saison reicht? Talant Duschebajew gibt sich verhalten. „Wir haben ein schweres Jahr, viele Verletzte“, sagt er, „aus meiner Sicht sind wir gegen die Füchse nicht zwangsläufig Favorit.“ Diese Meinung dürfte der Trainer allerdings exklusiv haben. Er war halt schon immer ein wenig anders.

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