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Dagur Sigurdsson, 40, arbeitet seit 2009 für die Füchse Berlin. Vor zwei Jahren wurde der Isländer zum Trainer des Jahres der Handball-Bundesliga gewählt.

© picture alliance / dpa

Füchse-Trainer Sigurdsson: „Die schwerste Saison seit Jahren“

Wo stehen die Füchse, Dagur Sigurdsson? Der Berliner Trainer im Tagesspiegel-Interview über die Bundesliga, ein Trainingslager in Japan und die Qualifikation zur Champions League heute gegen Hamburg.

Herr Sigurdsson, die Sommerpause in der Handball-Bundesliga war mal wieder kurz. Was haben Sie gemacht in dieser Zeit?

Auf dem Papier hatte ich schon vier Wochen Urlaub, so richtig abgeschaltet habe ich allerdings nicht. In unserem Verein ist ja so viel passiert in den letzten Monaten, die neue Trainingshalle, ein personeller Umbruch, um nur zwei Beispiele zu nennen. Das hat mich natürlich auch im Heimaturlaub in Island beschäftigt. Handball war also irgendwie doch immer im Kopf. Das ist aber auch gut so.

Von Ihren vier freien Wochen haben Sie noch eine für einen Trainerlehrgang in Japan geopfert.

Geopfert würde ich nicht sagen. Ich habe meinen alten Verein in Hiroshima besucht, für den ich drei Jahre gespielt habe. Die Verantwortlichen hatten vor ein paar Monaten bei mir angefragt, ob ich ein Handball-Seminar für ihre Spieler geben kann, verbunden mit einem Trainingslager. Ich hatte damals eine tolle Zeit in Japan, der Kontakt ist nie abgerissen. Deshalb habe ich das sehr gern gemacht. Ehrensache.

Und Sie haben gleich noch einen japanischen Spieler mit nach Deutschland gebracht, der mit den Füchsen ins Trainingslager gefahren ist.

Wir haben bereits im vergangenen Jahr eine Kooperation zwischen den Vereinen vereinbart. Jetzt freuen wir uns, den ersten Spieler bei uns begrüßen zu dürfen. Er wird in der zweiten Mannschaft spielen. Außerdem hatten wir noch zwei junge Isländer zu Gast, einen Kreisläufer und einen Rückraumspieler, sehr talentierte Jungs. In meiner Zeit in Berlin ist dieser Austausch mittlerweile zu einer Tradition geworden. Die jungen Isländer bekommen die Chance zu sehen, wie wir arbeiten. Auf der anderen Seite können sich unsere A- und B-Jugendlichen mit sehr gut ausgebildeten Nachwuchsspielern messen.

Wird man diese isländischen Jungs womöglich in absehbarer Zeit im Füchse-Trikot wiedersehen?

Es geht uns nicht darum, die Spieler irgendwann nach Deutschland zu holen. Vielmehr soll unser Nachwuchs auch mit Spielern anderer Nationalitäten zu tun haben und diese Erfahrung kennenlernen. Immerhin gehört das später auch dazu, wenn man in der ersten Mannschaft spielen will. Da tut es ganz gut, wenn die A- und B-Jugendlichen frühzeitig lernen, sich selbst und andere zu integrieren. Das ist ja auch immer mit einer persönlichen Horizonterweiterung verbunden.

Sie gehen mit sechs neuen Spielern in die Saison. Wo stehen die Füchse am Tag des Hinspiels um die Champions-League-Qualifikation gegen den HSV?

Wir haben in den Testspielen gegen die Bundesligamannschaften von Magdeburg, Hannover und Hamburg gesehen, dass wir immer noch gut mithalten können. Aber bis zum ersten Spieltag in der Handball-Bundesliga liegen auch noch viele Arbeitseinheiten vor uns. Lassen Sie es mich einfach so sagen: Wenn alle unsere Spieler gesund bleiben, dann sollten wir in der Lage sein, unser Niveau zu halten.

Ihre größte Baustelle…

… ist im Moment die Integration unserer jungen Spieler. Wir können von Jonas Thümmler, Fabian Wiede, Mattias Zachrisson und Jesper Nielsen nicht erwarten, dass sie vom ersten Tag an konstante Leistungen auf höchstem Niveau zeigen. Das wird seine Zeit brauchen, und diese Zeit werden sie auch bekommen. Trotzdem verfüge ich hier über eine erfahrene Mannschaft mit gestandenen Persönlichkeiten.

In den vergangenen zwei Jahren haben die Füchse in der Champions League gespielt, Nationaltorhüter Silvio Heinevetter sagt, er habe keine Lust auf den weniger renommierten EHF-Cup. Wie wichtig ist eine erneute Qualifikation für die Entwicklung ihrer verjüngten Mannschaft?

Wenn man einmal in der Champions League gespielt hat, dann will man diese Bühne natürlich in jedem Jahr wieder betreten. Wir haben letzte Saison lange und hart für diese Chance gearbeitet, jetzt wollen wir sie natürlich nutzen. Andererseits ist mir natürlich auch bewusst, dass wir gegen die Hamburger verlieren können. Dann sammeln unsere Neuzugänge eben Erfahrungen im EHF-Pokal. Ich gehe allerdings davon aus, dass unsere Zuschauer lieber Champions-League-Spiele sehen wollen.

Kommen die wichtigen Qualifikationsspiele gegen Hamburg eine Woche vor dem Bundesliga-Start aus Sicht eines Trainers nicht zur absoluten Unzeit?

Natürlich hätte ich gern mehr Zeit zur Vorbereitung gehabt, ist doch klar. Aber wir können keinen Einfluss auf die Termine nehmen. Ich will mich nicht beschweren, der HSV Hamburg hat ja noch mehr neue Spieler als wir. Deshalb ist es sehr schwer, eine Prognose zu stellen. In der Vorbereitung haben wir die Hamburger besiegt, da sind jedoch nicht alle Spieler zum Einsatz gekommen. Der HSV hat 16, 17 Nationalspieler im Kader, bei uns sind es ein paar weniger, das ist schon ein Unterschied.

Lassen Sie uns noch einen kurzen Blick auf die neue Bundesliga-Saison werfen…

Vor uns steht die schwerste Saison seit Jahren, weil die Leistungsdichte in diesem Jahr enorm ist. Wetzlar, Hannover, Magdeburg und Göppingen haben sich richtig gut verstärkt, sie greifen von unten die Etablierten an. Ich erwarte eine sehr spannende Spielzeit.

Beim Serienmeister THW macht man neuerdings auf Understatement und hat andere Teams zu den Favoriten erklärt. Ihr Meistertipp?

Sie werden mir jetzt keine Schlagzeile zum THW entlocken. Ich habe die neue Kieler Mannschaft noch nicht gesehen und werde mir deshalb kein Urteil erlauben. Ich denke, dass sich der Titel zwischen Hamburg, Kiel, den Rhein-Neckar Löwen und Flensburg entscheidet. Diese Klubs haben die größten Budgets und entsprechend hochkarätige Kader.

Das Gespräch führte Christoph Dach. Das erste der beiden Qualifikationsspiele für die Champions League gegen den HSV Hamburg beginnt an diesem Mittwoch um 19 Uhr in der Max-Schmeling-Halle. Das Rückspiel findet am Freitag in Hamburg statt.

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