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Sport: FÜR BORIS BECKER HAT SICH DIE SZENERIE DRAMATISCH VERÄNDERT: "Es wird doch langsam Zeit"

Eine neue Generation überholt den müde gewordenen Champion / Mithalten statt siegenVON JÖRG ALLMEROTH STUTTGART.Vor einem Jahr, da bestätigte er noch einmal seinen langjährigen Ruf als Hallen-König der Tenniswelt mit einer nie erwarteten Sternstunde in der Stuttgarter Schleyer-Halle.

Eine neue Generation überholt den müde gewordenen Champion / Mithalten statt siegenVON JÖRG ALLMEROTH STUTTGART.Vor einem Jahr, da bestätigte er noch einmal seinen langjährigen Ruf als Hallen-König der Tenniswelt mit einer nie erwarteten Sternstunde in der Stuttgarter Schleyer-Halle.Da schlug Boris Becker im Finale des schillernden ATP-Millionenspiels seinen großen Konkurrenten und Freund Pete Sampras in fünf erbitterten Sätzen und war später selbst perplex über seine Großtaten in einem "goldenen Tennis-Herbst": "Ich kann gar nicht fassen, was ich vollbracht habe", sprach der erstaunte Volksheld damals gerührt. Zwölf Monate später hat sich die Szenerie für Becker dramatisch verändert.Wenn der Titelverteidiger heute zum Erstrunden-Match in Stuttgart gegen seinen Landsmann und Daviscup-Kollegen Marc-Kevin Goellner aufschlägt, dann fällt für den müde gewordenen Champion vermutlich der Startschuß zu seinem letzten großen Turnier-Auftritt in Deutschland.Viele Indizien sprechen ja dafür, daß der dreimalige Wimbledon-Gewinner nach einem Daviscup-Auftaktsieg gegen Südafrika im nächsten Jahr seine einzigartige Profi-Karriere beendet und sich dann ganz seiner heiklen Aufgabe als Teamchef des Deutschen Tennis Bundes und Boß des Mercedes-Junior-Teams widmet.Er sei schon jetzt mehr "Sportpolitiker" als Sportler, hatte Neu-Funktionär Becker unlängst bei einem Pressegespräch in München bekundet. Sein Ehrgeiz, der 1996 noch den faszinierenden Zweikämpfen mit dem Weltranglistenersten Pete Sampras gegolten hatte, richtet sich nun schon längst auf die Suche nach den eigenen Nachfolgern.Die veränderten Prioritäten könnten sich nach dem spektakulär besetzten Stuttgarter Wettbewerb auch schmerzhaft in der Tennis-Hitparade dokumentieren: Ein frühes Scheitern, das keineswegs überraschend für den nicht hundertprozentig austrainierten Gelegenheitsspieler wäre, würde Becker auf einen Platz zwischen 60 und 80 zurückwerfen.Die 557 Punkte des amtierenden Pokalsiegers in Stuttgart kann der erfolgreichste deutsche Tennisspieler realistischerweise nicht mehr verteidigen.Das weiß auch Becker, wenn er sagt: "Ich will hier zeigen, daß ich noch mit den Besten der Welt mithalten kann".Daß er auch gegen sie siegen kann, ist mehr als zweifelhaft.Schon in der zweiten Runde, nach einem möglichen Sieg gegen Goellner, würde Becker auf den aufschlagstarken Holländer Richard Krajicek treffen.Und danach würde dann im Achtelfinale wohl jener Pete Sampras warten, den Becker in diesem Sommer in Wimbledon als ersten von seinem Rücktritt auf Raten in Kenntnis gesetzt hatte - auf dem Centre Court, nach dem verlorenen Viertelfinal-Match."Es wäre schön, noch einmal gegen Pete zu spielen", sagt Becker, "aber der große Reiz dieses Duells, der ist auch nicht mehr da." Er müsse sich nicht mehr an Sampras messen, den er als besten Tennisspieler überhaupt bezeichnet. Der Automatismus des Punktesystems will es, daß Becker in dieser Woche - wohl unwiderruflich - seinen Platz als bester Deutscher in der Weltrangliste verliert.Sein eigener Schützling Nicolas Kiefer, aber auch der andere erfolgreiche Youngster Thomas Haas werden an Becker vorbeiziehen.Zum ersten Mal seit den glorreichen Wimbledon-Tagen des Jahres 1985 werden damit andere deutsche Spieler außer Michael Stich vor Becker stehen.Dem Chef eines eigenen Juniorteams und verbandsamtlichen Nachwuchsförderer ist das eigentlich nur recht: "Es wird doch langsam Zeit, daß eine neue Generation die Macht übernimmt", sagt der alte Meister. Einem anderen deutschen Spieler gelang gestern bereits der Einzug in die zweite Runde: Qualifikant David Prinosil aus Amberg bezwang seinen Angstgegner Marc Rosset (Schweiz) 5:7, 6:4, 6:2 und trifft nun auf den an Nummer 14 gesetzten Spanier Felix Mantilla.Nach 1:39 Stunden verwandelte der 24jährige Prinosil den vierten Matchball und feierte nach vier Niederlagen in Folge den ersten Sieg gegen Rosset.Die Wende gelang dem Deutschen im zweiten Satz.Nach vielen leichten Fehlern im ersten Durchgang zog Prinosil auf 4:2 davon und ließ sich selbst durch den 4:4-Ausgleich nicht aus dem Konzept bringen.

JÖRG ALLMEROTH

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