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Sport: Für den Fußball spielen

Lukas Podolski sagt wenig und schießt viele Tore – diese Kombination kommt an bei den deutschen Fans

In der Mixed-Zone des Frankfurter Waldstadions hatten sie ein Labyrinth aus weißen Gittern gestellt. So war den Fußballprofis ein möglichst langer Weg durch die Journalisten vorgegeben. Als Lukas Podolski das Wirrwarr sah, überkletterte er eine brusthohe Absperrung. Der junge Kölner Nationalspieler hält nichts von komplizierten Lösungen.

So wie er denkt, spielt er Fußball. Vor dem Tor hat er nur einen Gedanken, „und den setze ich um“, sagt Podolski. „Wenn ich denke, wo soll der Ball rein: oben, unten, links, rechts, dann geht er meist drüber.“

In der offenen Rede ist Lukas Podolski wie auf dem Fußballplatz. Er sucht den Abschluss mit der kürzest möglichsten Antwort. Meist bestehen seine Antworten aus genau einem Satz, einem kurzen. Mit dieser minimalistischen Art hat er schon viele vor die Wand fahren lassen. Doch diese Art gefällt ihm, er hat sie ritualisiert, was voraussetzt, dass er die Art bewusst wählt. Die Frage ist noch nicht einmal zu Ende gestellt, dann freut Podolski sich schon darüber, dass er jetzt wieder nur einen Satz antworten wird. Dann lächelt er, ein bisschen in sich hinein und ein bisschen den Fragesteller an. Noch wird ihm das nicht als Arroganz ausgelegt.

Vor allem die Kölner mögen seine Art. Mit ihnen kann er sowieso machen, was er will. Für sie, und nicht nur die Fußballfans, könnte Lukas Podolski so etwas werden wie Willy Millowitsch, eine kölsche Kultfigur. Den Volksschauspieler haben sie vor knapp sechs Jahren zu Grabe getragen. Da war Lukas Podolski gerade 14. Schon heute nennen sie ihn alle nur Prinz Poldi. Als zwei Tage vor dem Spiel gegen Tunesien die deutsche Nationalmannschaft Podolskis zweite Heimat Köln erreichte, hat das in der Domstadt eine richtige Hysterie ausgelöst. Hier ganz in der Nähe, in Bergheim, lebt er bei seinen Eltern. Als die Podolskis ihre erste Heimat im polnischen Gliwice verließen, war der kleine Lukas gerade zwei Jahre alt.

In der vergangenen Zweitligasaison hat er für den 1. FC Köln 24 Tore erzielt. Nur deswegen ist der Klub aufgestiegen. Weshalb die ansässige Boulevardzeitung „Express“ von der „Tor-Lok“ schrieb und Kölns Trainer Huub Stevens hilflos einwarf: „Wir sind nicht der FC Podolski.“ Mittlerweile aber ist aus dem rheinischen Hoffnungsträger so etwas wie eine Symbolfigur für die Hoffnung darauf geworden, dass Deutschland 2006 Weltmeister wird. Auf die Frage, ob es nicht ein Unterschied sei, in der Zweiten Liga oder für die Nationalelf zu kicken, antwortete er: „Spiel ist Spiel.“

Podolski ist ein Stürmer, der nicht nur im Strafraum lauert. Er macht lange Wege und hat einen guten Antritt. Seine größte Stärke aber ist, wie er seine Tore erzielt, eiskalt und doch voller Witz. Und dabei schießt er schöne Tore. Fünf Mal hat er bis jetzt schon das „Tor des Monats“ erzielt. Zudem ist er für sein Alter sehr robust und zweikampfstark. Auch deswegen hat ihn Huub Stevens schon „mit dem jungen Johan Cruyff oder jetzt Wayne Rooney“ verglichen. Gut möglich, dass er für Deutschland mal so etwas werden kann wie früher Gerd Müller oder Uwe Seeler.

Solche Spieler liebt das Publikum. Reden, warum auch reden. „Was soll ich denn machen“, sagt Podolski, „ich gehe auf den Platz und zeige meine Leistung.“ Das ist eine seiner Lieblingsantworten. Neulich, im Spiel gegen Russland, Bastian Schweinsteiger hatte gerade sein zweites Tor geschossen, war Podolski zu seinem Mitspieler gegangen und hatte zu ihm gesagt: „Rein das Ding – fertig – nach Hause gehen.“ Es sind Sätze wie diese, über die er selbst und seine Mitspieler lachen können. Dass das neuerdings während der Fußballspiele passiert, ist ausnahmsweise mal keine Erfindung von Jürgen Klinsmann.

Noch scheint der öffentliche Rummel dem jungen Mann nichts auszumachen. „Mir ist egal, was da steht“, sagt Podolski. In der neuen „Bravo-Sport“ hat er gleich eine Doppelseite bekommen. Momentan ist er nach Michael Ballack und Oliver Kahn der populärste deutsche Spieler. Der „Express“ hat ihn hochgejazzt zum Justin Timberlake des Fußballs. Aber genau das, ein Popstar, will er nicht sein. Lukas Podolski will, dass ihn die Menschen als Fußballer akzeptieren, sonst nichts. „Ich spiele für den Fußball“, hat er mal gesagt.

Vor ein paar Tagen ist Lukas Podolski 20 Jahre alt geworden. Das ist jung für einen, der schon derart im Rampenlicht steht. „Er hat die Gabe, unbefangen mit dem Erfolg umzugehen“, sagt sein Berater Kon Schramm, „Lukas sagt instinktiv das Richtige.“

Als er im vorigen Sommer bei der Europameisterschaft in Portugal nach dem letzten Spiel der deutschen Elf gegen Tschechien in der Mixed-Zone stand, unterhielt Podolski sich mit einem Reporter in aller Ausführlichkeit. Das Gespräch dauerte an die zwanzig Minuten. Die beiden unterhielten sich auf Polnisch.

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