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Sport: Für den Rasen geboren

Der Kanadier Raonic drängt in die Weltspitze

Tobias Kamke war am Mittwoch im Grunde nur Zuschauer. Die Bälle schlugen mit 230 Stundenkilometern neben ihm auf dem Rasen ein, und er konnte froh sein, wenn er sie mit dem Schläger wenigstens noch berührte. Kamke hatte beim Turnier in Halle das Pech, dass ihm in der zweiten Runde in Milos Raonic jener Spieler gegenüberstand, der in den vergangenen Monaten fast so schnell nach oben geschossen war wie seine Bälle über das Netz. Der 20-jährige Kanadier mit montenegrinischen Wurzeln gilt als eines der vielversprechendsten Talente der Tour. In Halle ist Raonic nach der Absage von Roger Federer einer der Titelkandidaten.

Dabei stand der Kanadier vor einem Jahr noch auf Platz 294 der Rangliste und spielte für eine paar Dollar Preisgeld bei Challenger-Turnieren. Nun ist er die Nummer 28 der Welt mit aufsteigender Tendenz. Bei den Australian Open im Januar hatte sich Raonic durch die Qualifikation bis ins Achtelfinale vorgekämpft, kurz darauf gewann er in San José sein erstes Turnier. Und auf einmal interessierte man sich für den netten, 1,96 Meter großen Hünen mit den dunklen Locken, der in einer Partie schon mal 38 Asse ins Feld zimmern kann. „Ich weiß auch nicht, warum mein Aufschlag so schnell ist“, sagt Raonic und grinst, „ich hatte als Kind nicht immer jemanden zum Spielen, da habe ich eben Aufschläge geübt.“

Als Milos Raonic drei Jahre alt war, wanderte seine Familie im Zuge des Balkankrieges mit ihm aus Podgorica in Montenegro ins kanadische Toronto aus. Im Fernsehen verfolgte er jedes Match von Pete Sampras, wollte auch unbedingt spielen.

Der Trainer im örtlichen Klub jedoch fand Raonic auch mit acht Jahren zu jung für eine Trainingsgruppe. Also stellte ihn Vater Dusan vor die Ballmaschine. Anders als Andre Agassi seinerzeit hatte der kleine Milos Spaß daran. „Ich war das eifrigste Kind in der Gegend“, erzählt Raonic. Nach wenigen Monaten durfte er dann doch in die Gruppe. Seine Eltern legten Wert darauf, dass er parallel Fernkurse absolvierte, solange er es nicht in die Top 100 geschafft hatte. Noch immer belegt Raonic nebenbei Wirtschafts- und Finanzseminare. Seine bodenständige Art hilft ihm jetzt, wo die Erwartungen wachsen. „Ich habe sehr gute Menschen um mich“, sagt Raonic, „die sagen mir schon, wenn ich durchdrehe.“

Mit seinem Trainer Galo Blanco bereitet er sich nun auf sein Debüt in Wimbledon vor. „Ich hatte immer gehofft, dass ich dort gut spielen würde, weil ich Pete so verehre“, sagt er. Gut möglich, dass es so kommt. Denn obwohl er heute im Viertelfinale gegen Philipp Petzschner erst sein fünftes Match auf Rasen überhaupt bestreitet, scheint es, als wäre dieser Belag wie für ihn gemacht. „Rasen ist eine ganz neue Erfahrung für mich“, sagt er. „Aber ich schlage noch mehr Asse. Das hilft.“

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