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Sport: „Für Nadal ist Sand normal“

Boris Becker über die Bedeutung der verschiedenen Bodenbeläge beim Tennis

Herr Becker, im Sandplatztennis gibt es interessante Entwicklungen. Roger Federer hat am Hamburger Rothenbaum zum ersten Mal gegen Rafael Nadal auf diesem Belag gewonnen. Gewinnt er jetzt auch die French Open in Paris?

Ich glaube, dass er Paris gewinnen kann. Nur ist der Platz dort weicher als in Hamburg. Er muss sich also dramatisch steigern. Roger Federer hat sicher das Talent und die Fähigkeiten zum Turniersieg, aber sein größter Widersacher ist Rafael Nadal.

Roger Federer hat noch nie in Paris gewonnen – John McEnroe, Stefan Edberg, Pete Sampras und Sie früher auch nicht.

Es war immer ein Himmelfahrtskommando. Und am Ende starb stets die Hoffnung.

Sie haben mehr als 50 Mal versucht, ein Turnier auf Sand zu gewinnen, es aber nie geschafft.

Ich habe alles versucht, auf Sand zu gewinnen. Aber ich war nicht gut genug. An meiner mentalen Schwäche bin ich sicher nicht gescheitert, aber aufgrund meiner Spielweise war es mir ab dem Halbfinale nicht mehr möglich so zu spielen wie in der ersten Runde. Ich habe zu viel Kraft gelassen. Ein Sandplatzspieler spielt viel leichtfüßiger. Der gewinnt ja auch nicht durch Kraft, sondern durch Ausdauer.

Hatten Sie zu wenig davon?

Mein Spiel war ja sehr dynamisch, und ich wiege 90 Kilogramm. Irgendwann nach fünf, sechs Spielen war ich einfach müde.

Sie hätten mehr trainieren können.

Dass ich über körperliche Grenzen gehen kann, habe ich doch bewiesen.

Der Österreicher Thomas Muster hat gesagt, dass derjenige auf Sand gewinnt, der bereit ist, am meisten dafür zu arbeiten?

Das ist völliger Quatsch. Ich kann ja nicht mein ganzes Jahr umplanen, nur um diese zwei Monate auf Sand gut zu überstehen. Der Sandplatz-Experte Muster hatte ja keine andere Wahl. Wenn der seine Karriere nach Wimbledon oder den US-Open ausgerichtet hätte, wäre er heute ein armer Mann. Er wusste, auf Sand war er einer der besten, also plant er sein ganzes Jahr so, dass er auf Sand gut unterwegs sein kann. Federer spielt nur sechs bis acht Wochen auf Sand, und dann hat sich das für ihn auch schon wieder erledigt.

Die US Open auf Hartplatz können Sie aber mit weniger Aufwand gewinnen als die French Open?

Ich rede von der speziellen Bewegungstechnik auf Sand. Ich kenne keinen Spieler, der meine Größe hat und mein Gewicht, der auf Sand auch nur irgendwas gewonnen hätte.

Yannick Noah, Paris 1983?

Na gut, der war ja auch ein Modellathlet. Die Gene haben es gut mit ihm gemeint.

Die Gene sind schuld?

Sie können sich ja mal 30 Kilo auf den Rücken packen und rutschen auf Sand Richtung Netz. Dann sehen Sie, wieviel Kraft das kostet, wieder zurück zu kommen. Beim 30. Mal haben Sie Muskelkater. Der Nadal hat zwar auch Muskeln, ist aber deutlich kleiner als ich, das sind ganz andere Winkel, wenn der rutscht. Deshalb gewinnt ja Nadal auch nicht auf Rasen, der kann sich auf Rasen nicht bewegen, da bin ich umso besser.

Auf Sand gewinnt also der Beweglichste?

Nein, warum hat denn Edberg nie Paris gewonnen? Der war Serve-and-Volley- Spieler und hatte die beste Beinarbeit. Aber auf Sand stieß auch er an seine Grenzen. Wir konnten alle nicht genug Gewinnpunkte machen im Verhältnis zu den Fehlern, die uns unterlaufen sind.

Der Geduldigste?

Es gewinnt der in Paris, der die wenigsten Fehler macht. Spieler wie Federer oder ich haben früher Tennis gespielt, um Punkte zu machen, und nicht, um Fehler zu vermeiden.

Ist es doch ein mentales Problem?

Nadal ist auf Sandplätzen groß geworden, für den ist das normal, sich auf Sand zu bewegen. Für mich ist es normal, mich auf Rasen zu bewegen. Nadal rutscht auf Rasen ständig aus, ich nicht.

Der einstige Platzrichter Bruno Rebeuh hat mal gesagt, Sie hätten Tennis auf Sand besser gleich sein lassen sollen. Sollte Federer diesen Rat auch beherzigen?

Federer hat das Problem, dass er so gut ist, dass alle von ihm Perfektion auf allen Belägen erwarten. Auf Sand ist er aber nur der Zweitbeste. Möglicherweise war das bei Boris Becker früher genauso.

Das Gespräch führten Marcus Pfeil und Markus Thönniß (Handelsblatt).

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