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Sport: Fusionsfieber

Nationales Olympisches Komitee und Deutscher Sportbund nähern sich einem Zusammenschluss

Die Ereignisse in den letzten Monaten haben Ulrich Feldhoff verblüfft. Seit Jahrzehnten ist der 67-Jährige als Sportfunktionär tätig, ist Präsident des Kanu-Weltverbandes und Vize-Präsident des Deutschen Sportbundes (DSB). Ihm sind die Machtkämpfe und Geschwätzigkeiten unter Sportfunktionären wohl bekannt. Als DSB und Nationales Olympisches Komitee (NOK) im Januar Fusionsverhandlungen ankündigten und eine zwölfköpfige Strukturkommission ihre Arbeit aufnahm, glaubte Feldhoff daher nicht, dass die selbst auferlegte Verschwiegenheit tatsächlich durchzuhalten sei. Zumal mit der Fusion viele Posten und Funktionen auf dem Spiel stehen.

Heute, da den Fachverbänden, Landessportbünden und Medienvertretern in Hanau die Ergebnisse präsentiert werden, sieht sich das Kommissionsmitglied getäuscht. Die Strukturkommission ging sehr diskret vor – fast nichts drang an die Öffentlichkeit. „Das hat es noch nie gegeben im Sport“, sagt Feldhoff. Sollte das von der Kommission ausgearbeitete Papier, das dem Tagesspiegel vorliegt, umgesetzt werden, wäre das ein bedeutender Schritt in der deutschen Sportpolitik. Die Interessen des DSB und des NOK waren in der Vergangenheit häufig so unterschiedlich gelagert, dass eine Fusion überhaupt nicht denkbar gewesen wäre. Nun spricht vieles dafür, dass es schon bald zum symbolischen Handschlag zwischen DSB-Präsident Manfred von Richthofen und Klaus Steinbach, dem Präsidenten des NOK, kommen wird.

In dem Abschlussbericht der Strukturkommission heißt es, dass bei „einer Fusion von DSB und NOK, von einer gleichwertigen Partnerschaft der beiden Organisationen mit unterschiedlichen Aufgabenstellungen“, ausgegangen wird. Trotz der insgesamt komplizierten Ausgangslage seien die Gespräche „sehr konstruktiv, offen und zielführend gewesen“, wie Kommissionsmitglied Rainer Brechtken, Präsident des Deutschen Turner-Bundes, berichtet. „Alle zwölf Mitglieder haben an einem Strang gezogen.“

Oberstes Organ des neuen Verbandes soll die Mitgliederversammlung sein. Die rund 460 stimmberechtigten Mitglieder sollen alle zwei Jahre tagen. Die knappe Mehrheit der Stimmen liegt dabei mit 234 bei den olympischen Fachverbänden. Die Stimmenverteilung unter den olympischen Verbänden ist abhängig von den jeweiligen Mitgliederzahlen. So erhält der Deutsche Fußball-Bund als größter Verband 16 Stimmen, Baseball hingegen nur sechs. Einen zweiten großen Stimmenblock stellen die nicht-olympischen Verbände wie etwa Billard oder Karate (69 Stimmen). Die Landessportbünde verfügen zunächst über 94 Stimmen, dieser Anteil soll allerdings innerhalb der nächsten vier Jahre auf 126 erhöht werden. Bei ausschließlich olympischen Fragen „werden nur die Stimmen der olympischen Verbände in die Meinungsbildung der Mitgliederversammlung einbezogen“, heißt es im Abschlussbericht.

Diese Stimmenverhältnisse könnten allerdings bei den Landessportbünden, der großen Unbekannten bei der Fusion, noch auf Widerstand stoßen. Für die juristisch zunächst nötige Auflösung der einzelnen Verbände wird jeweils eine Dreiviertelmehrheit seiner Mitglieder benötigt. Verbunden ist die Fusion mit einer „Verschlankung bzw. Abschaffung von überflüssigen, zeitraubenden Gremien“, wie es im Abschlussbericht heißt. Anfang Dezember wollen DSB und NOK über die Fusion abstimmen, die nach Einschätzung von Feldhoff „im Frühjahr oder Sommer 2006“ juristisch abgeschlossen sein soll. Wer dem deutschen Sport künftig vorstehen könnte, darüber gebe es derzeit „viele bunte Spekulationen“, sagt DSB-Pressesprecher Harald Pieper. Da Manfred von Richthofen bereits abgelehnt hat und NOK-Präsident Klaus Steinbach diesen Posten aus beruflichen Gründen offenbar nicht anstrebt, werden dabei vor allem zwei Namen genannt: Innenminister Otto Schily und IOC-Mitglied Thomas Bach.

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