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Sport: Fußball als Kinoersatz: Der Frauenanteil der Stadionbesucher nimmt immer mehr zu

Die Emanzipation hat auch vor den Fankurven und Tribünen deutscher Fußballstadien nicht Halt gemacht. Immer mehr Mädchen und Frauen fiebern oder trauern bei Spielen mit ihres Lieblingsvereins.

Die Emanzipation hat auch vor den Fankurven und Tribünen deutscher Fußballstadien nicht Halt gemacht. Immer mehr Mädchen und Frauen fiebern oder trauern bei Spielen mit ihres Lieblingsvereins. Laut Thomas Schneider, Fanprojektleiter des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), übernehmen die Besucherinnen dabei eine wichtige Aufgabe. "Mädchen und Frauen haben oftmals einen positiven Einfluss auf das Männlichkeitsgehabe der Jungs", sagte Schneider. "Die Zeiten, in denen Frauen Ende der achtziger Jahre entweder Waffen in die Stadien schmuggeln mussten oder als Sexualobjekte angesehen wurden, sind vorbei", betont Schneider die veränderte Rolle der Frau im Fußball. Mittlerweile übernähmen weibliche Fans einen anderen Part: "Sie stiften einfach eine bessere Atmosphäre." Außerdem interessieren sich Frauen heute viel mehr für Fußball und ihr Fachverstand sei größer geworden.

Hingegen sei das Sehen-und-Gesehen-Werden beim Fußball weniger Ausschlag gebend als beispielsweise beim Reitsport oder Tennis, sagt der Soziologe Hans Stollenwerk. Nach seinen Untersuchungen liegt der Damenanteil in den Bundesligastadien in den letzten Jahren fast gleichmäßig bei durchschnittlich 20 bis 22 Prozent. Anfang der 80er Jahre waren dagegen nur zehn bis zwölf Prozent des Publikums weiblich. Mitte des gleichen Jahrzehnts nahm die Zahl bereits zu. Der Mitarbeiter an der Sporthochschule Köln ermittelte für diese Zeit einen Durchschnittswert von 17 bis 18 Prozent.

Aktueller Ausreißer nach oben ist der SC Freiburg. Ein Drittel der Fans im Dreisamstadion ist weiblich. Ein Gegenbeispiel mit unterdurchschnittlichen Werten ist Zweitligist Borussia Mönchengladbach - allerdings zu einer Zeit, als der Verein noch in der Ersten Bundesliga kickte. 1997 pilgerten einer Stollenwerk-Untersuchung zufolge nur 14 Prozent Zuschauerinnen auf den Bökelberg. Der Wissenschaftler führt diese Zahl auf "insgesamt sehr emotionale Fans, vor allem in der Nordkurve, zurück", wovor manche Frau zurückschrecke.

Dabei unterscheiden sich die Geschlechter in ihrer Einstellung zum jeweiligen Verein und zum Fußball. "Männer akzeptieren ein deutlich höheres Maß an Gewalt", unterstreicht Stollenwerk. Fouls, Unfairness auf dem Rasen oder Konflikte im Klub gehörten für Männer einfach dazu, während für Frauen Harmonie rund um den Rasen wichtig sei. "Daher gibt es auch kaum weibliche Hooligans, die aktiv in Prügeleien einbezogen werden", erklärt Stollenwerk. Er fand zudem heraus, dass das Durchschnittsalter bei weiblichen Fans zwischen Mitte und Ende 20 liegt, bei den Männern dagegen zwischen Ende 20 und Mitte 30.

Einen Grund für die insgesamt steigenden Zahlen von Besucherinnen, aber auch von Familien in Fußballstadien, sieht der Soziologe in dem zunehmenden Komfort der Sportstätten. Beispielsweise locke die Bay-Arena in Leverkusen durch ein abwechslungsreiches Programm immer mehr Familien an. Wenn die Kinder erst einmal gut versorgt seien, kämen auch die Mütter gern ins Stadion. Neben der Sicherheit spiele die Darstellung des Fußballs in den Medien eine wichtige Rolle, meint der Wissenschaftler. "Was medial einen hohen Stellenwert hat, bringt Aufmerksamkeit. Da sagen sich die Betrachterinnen: Mensch, da gehen wir doch mal hin", sagt Stollenwerk. Fußball werde so auch zum Theater- oder Kinoersatz.

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