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Sport: Fußball-Begeisterung: Über 30 Millionen Türken schauen heute Abend beim Spiel gegen Portugal auf elf Spieler

Heute Abend wird es ernst für die türkische Nationalmannschaft. Die halbe Nation wird vor dem Fernseher sitzen, wenn Hakan Sükür und seine Kollegen in Amsterdam zum EM-Viertelfinalspiel gegen Portugal einlaufen.

Heute Abend wird es ernst für die türkische Nationalmannschaft. Die halbe Nation wird vor dem Fernseher sitzen, wenn Hakan Sükür und seine Kollegen in Amsterdam zum EM-Viertelfinalspiel gegen Portugal einlaufen. Ein ganzes Land ist im Fußballrausch - und elf Männer müssen die riesigen Erwartungen von 65 Millionen Landsleuten erfüllen. Tausende von türkischen Fans werden im Stadion ihre Schlachtgesänge anstimmen - und Millionen Zuschauer vor dem Fernseher sich wieder fragen, was die Fans da von sich geben.

Manchem Türken ist es in diesen Tagen ganz recht, dass kaum jemand in Europa die Lieder und Parolen der rot-weiß gekleideten Fans versteht - denn die haben es teilweise in sich. Nationalistisch, sentimental, martialisch oder schlicht obszön sind einige der beliebtesten Schlachtgesänge; die Fans versichern deshalb bei jeder Gelegenheit, dass alles nur spielerisch gemeint und keinesfalls bierernst zu nehmen ist.

Auffallend ist bei den türkischen Stadiongesängen, dass es oft mehr um die Nation an sich als um ihr Fußballspiel geht. Fast prosaisch ist dabei noch der Standard-Wechselruf, zu dem sich die Fans in zwei Gruppen aufteilen: "Rot - weiß - die Türkei - ist die Größte", rufen sich die Gruppen zu, was im Originalton folgendermaßen geht: "Kirmizi - beyaz - en büyük - Türkiye." Ähnlich schlichter Patriotismus äußert sich in diesem Sprechgesang: "Zu jeder Zeit, an jedem Ort ist die Türkei die Größte, die Türkei ist die Größte, andere Größen gibt es nicht." Pathetischer wird die Vaterlandsliebe schon in folgendem Dreizeiler: "Meine Türkei, meine Türkei, meine einzige Liebe; sag, wen gibt es für mich außer dir; ich weine mit dir, und ich lache mit dir." Und eine weitere Kostprobe: "Rot-weiß fließt unser Blut, Türkei, du bist unsere Seele, wir lieben dich vom Grunde unseres Herzens." Dass solch sentimentale Vaterlandsliebe auch zu Opfern bereit ist, deutet dieser Schlachtgesang an: "Ruhmreiche Türkei, lange sollst du leben, meine Seele opfere ich dir, nichts auf dieser Welt kann an der Liebe zu dir rütteln." Härter zur Sache geht es in einem Stadionruf, in dem die Fans ihre Bereitschaft kundtun, für den Sieg zu sterben: "Wir sind hier, wir sind hier, um zu sterben, um zu sterben, wir sind hier, um zu siegen." Noch deutlicher: "Um zu sterben, um zu sterben sind wir nach Holland gekommen; um Portugal zu ficken sind wir hierher gekommen."

Vor dem Spiel wird mit Märschen der osmanischen Musik aufgespielt, zu deren Klängen das osmanische Heer vor Jahrhunderten nach Europa einmarschierte und bis vor Wien vordrang. Ähnlichen Sehnsüchten geben die Fans dann während des Spiels mit ihren Sprechchören Ausdruck. "Europa, Europa, hör auf uns - dann hörst du die Tritte der vormarschierenden Türken", ist derzeit eine der meistgesungenen Parolen türkischer Fans. Eine Variation auf dieses Thema ist der Schlachtruf: "Schieß, schieß, dass es knallt - Europa soll es hören!"

Schluss ist mit dem Patriotismus allerdings, wenn die Nationalelf nicht so spielt, wie die Fans sich das vorstellen. "Yön-e-tim is-ti-fa", hallte es vor allem in dem enttäuschenden Spiel gegen Schweden durch das Stadion: Den "Rücktritt der Führung" verlangten die Anhänger damit von Nationaltrainer Mustafa Denizli.

Noch derber müssen sich die Spieler von den Fans anfahren lassen, wenn sie etwas verpatzt haben: "Hurensohn", brüllt es dann unisono von den Tribünen. Und fällt eine zweifelhafte Schiedsrichterentscheidung gegen die türkische Elf, wie im Spiel gegen Italien, dann ist der Fall für die Fans klar: "Der Schiedsrichter ist schwul!"

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