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Er hat angefangen! Oder war es doch der Kollege Streich selbst? Freiburgs Trainer musste sich Vorwürfe von seinem Nürnberger Kollegen Gertjan Verbeek anhören.

© dpa

Fußball-Bundesliga: Streit unter Trainern: Die Linie übertreten

Am Wochenende sind Gertjan Verbeek und Christian Streich aneinander geraten, die Trainer werfen sich gegenseitig Unsportlichkeit vor – kein Einzelfall in der Bundesliga.

Wie ein plötzliches Naturereignis hatte Gertjan Verbeek gewütet nach der Niederlage seines 1. FC Nürnberg im Bundesliga-Abstiegsduell beim SC Freiburg. Die Gesichtsfarbe von Christian Streich hingegen wirkte noch eine Spur blasser als sonst, als der Freiburger Trainer nach dem Spiel allein auf dem Podium saß. Verbeek hatte sich geweigert, neben ihm zu sitzen, mit der Begründung: „Das ist kein Kollege.“ Streich habe ihn beschimpft, das sei „unverschämt, brutal und respektlos“. Der Beschuldigte war sichtlich bedrückt. „Das ist ja Wahnsinn, so etwas zu sagen“, sagte Streich. „Ich bin emotional, aber doch nicht gegen ihn.“ Die Verbalattacke tue ihm „richtig weh“.

Die Nerven liegen blank im Abstiegskampf der Bundesliga, der Kampf um den Klassenerhalt wird nicht nur von den Spielern hart geführt. Doch es trafen auch zwei Trainercharaktere aufeinander, die unter Druck mit ihrem Temperament an die Grenzen des Anstands gehen.

Mit welchen Worten Streich Verbeek zuvor so aufgebracht hatte, konnten später weder Verbeek noch der Vierte Offizielle genau wiedergeben, der auch für verbale Verfehlungen zuständig wäre. Die Nürnberger Presseabteilung teilte mit, Verbeek habe sich angegriffen gefühlt, habe Lippenbewegungen Streichs gedeutet und dessen Verhalten bewertet. Streich soll Gelb-Rot für FCN-Verteidiger Pogatetz gefordert haben. Vor dem überzogenen Platzverweis war Streich tatsächlich beim Vierten Offiziellen und schimpfte. Auch Verbeek war dort Dauergast und forderte später den DFB auf, „dieser Schiedsrichter darf nie mehr pfeifen“. Er meinte Jürgen Drees, für Verbeek der „zwölfte Freiburger“.

Verbeek bezichtigte Streich, „wie ein Verrückter herumzutoben“. Streich hingegen klagte, Verbeek habe ihm den Vogel gezeigt, Fernsehbilder belegen das. Wer da wen zuerst provozierte und beleidigte, lässt sich schwer rekonstruieren.

Am Tag danach bemühte man sich, die Wogen zu glätten, wenigstens einigermaßen. „Wenn er seine Emotionen nicht unter Kontrolle hat, ist das seine Verantwortlichkeit“, sagte Verbeek über Streich und erklärte zugleich, das Thema sei für ihn vorbei. „Wer Gertjan Verbeek kennt, weiß, dass etwas passiert sein muss, denn er ist authentisch“, sagte Nürnbergs Manager Martin Bader und meinte, in Freiburg gehe es immer hoch her und auch andere Trainerkollegen hätten schon Probleme mit Streich gehabt. Streit mit Streich hatten schon Verbeeks Vorvorgänger Dieter Hecking, Mainz-Coach Thomas Tuchel oder der Frankfurter Armin Veh.

An seinem zweifelhaften Ruf ist Christian Streich sicher nicht ganz unschuldig. Unkontrollierte Wutausbrüche und manch zweideutige Geste lassen ihn nun wie einen Wiederholungstäter erscheinen, der es diesmal auf die Spitze trieb. Der 48-Jährige hat mit den Urteilen über ihn leben gelernt. Oder er versucht es zumindest. Als er beim SC Freiburg den Job des Cheftrainers übernahm, hat Streich mehrfach darauf hingewiesen, eben so zu sein: lebendig, impulsiv, mitunter Misstrauen erweckend. „Sie hätten mich mal bei der A-Jugend erleben sollen“, sagte er einmal. In der Bundesliga muss er sich den Vorwurf gefallen lassen, es sich mit derartigen Erklärungen zu einfach zu machen. Von Mitarbeitern wird Streich als charakterstarker und einfühlsamer Mensch beschrieben, der seine Schwächen kennt, akzeptiert und reflektiert. Er lebt seine Emotion aus, profitiert von seiner Leidenschaft – aber leidet auch darunter. Einige Male übertrieb es Streich tatsächlich mit Klagen über Schiedsrichter und die Benachteiligung seiner Mannschaft, weil die „nur der kleine SC Freiburg ist“. Dass Streich persönlich beleidigend wird, hat bisher keiner seiner Kollegen berichtet. Als Grenzgänger sehen ihn allerdings viele.

Auch Verbeek hat eine bewegte Vergangenheit als Boxer und Judoka und erzählte schon von früheren Kneipenschlägereien. Aber seit seinem Amtsantritt vor fünf Monaten gilt der 51-jährige Niederländer in Nürnberg als besonnener Zeitgenosse, der im Abstiegskampf Gelassenheit ausstrahlt. Das heißt nicht, dass nicht auch Verbeek die Fassung verlieren kann. Das sei früher schon ab und zu passiert, heißt es. Freiburgs Präsident Fritz Keller meinte: „Herr Verbeek hat für seine Emotionen und seine Enttäuschung ein Ventil gesucht. Solche Vorfälle gab es auch schon in Holland.“ Er habe am Spielfeld zwischen den Trainern stehend nichts gehört. „Da gab es keine Beleidigung. Das alles geht Streich sehr nahe, er macht sich sehr viele Gedanken darüber.“

Es war ein insgesamt turbulenter Tag. Nürnberger Fans griffen einen Jugendtreff des SC Freiburg an. Sie warfen mit Schrauben und Nägeln gefüllten Flaschen. Es kam zu einer wilden Schlägerei.

Zu Streichs einsamer Pressekonferenz verschafften sich zwei Nürnberger Ultras Zugang und sorgten für Tumulte, als sie Streich verbal angriffen. Verbeek wisse schon, warum er so reagiere, riefen sie. Wie die beiden den Pressebereich betreten konnten, blieb bislang ungeklärt.

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