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Legenden auf allen Wänden (hier im Windsor Park in Belfast). George Best wird in Nordirland verehrt.

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Fußball EM 2016: Auf ein Bier mit dem Bestatter von George Best

Unser Autor wollte eigentlich nur Nordirland gegen Schweden gucken. Und trank schließlich Bier mit dem Bestatter von George Best. Der natürlich auch Platzwart der Deutschen bei der EM 1996 war.

Mit den wirklich tollen Geschichten ist es wie mit der Liebe. Man kann sie suchen, die Storys und die Liebe, manchmal wird man sogar fündig. Aber eigentlich kommt es immer dann am Besten, wenn man nicht damit rechnet. Bämm. Und man weiß gar nicht, wie einem geschieht.

Um das Spiel der Iren gegen Schweden zu schauen, suchte ich am Montag in Nizza nach einer Bar. Und setzte mich irgendwann irgendwo hin und orderte eine Pizza. Ich ärgerte mich ein wenig, als sich irgendwann eine Gruppe von Nordiren mit an den Tisch setzte und mir die Sicht versperrte. Ich konnte ja nicht ahnen, wer sich mir da in den Weg gesetzt hatte.

30 Minuten waren vielleicht gespielt, da kam ich mit der Gruppe ins Gespräch. Zwei Frauen, drei Männer zwischen 40 und 65. Woher ich käme. Deutschland? Schön. Was ich hier täte, so ganz alleine? Für ein Fußball-Magazin arbeiten? Noch schöner. Wir unterhielten uns ein wenig über den Auftritt der Nordiren („Grausam!“), die Hooligans („Bloody idiots“) und dann verriet mir mein Gegenüber seinen Namen – Rob(ert) Mitchell – und was er beruflich mache. Er sei Platzwart in Belfast. Ah, sagte ich, meiner Meinung nach ein großartiger Job. Und erzählte ihm von Dieter, dem liebenswürdigen Raubein, der zu Lebzeiten den Rasen meines Dorfklubs gehegt und gepflegt hatte.

"Berti Vogts war ein richtig sympathischer Mann, Andreas Möller ein arroganter Pinsel"

Irgendwann sagte Rob zu mir: „Weißt du eigentlich, dass ich 1996 mitgeholfen habe, dass Deutschland Europameister wurde?“ Und ich so: „Erzähl keinen Scheiß.“ Rob lachte und erzählte.

1996 absolvierte die DFB-Auswahl ihr Trainingslager vor dem Turnierstart in Nordirland, in Belfast. Platzwart damals: der 24-jährige Rob Mitchell. „Berti Vogts war ein richtig sympathischer Mann, hat den Rasen gelobt und gerne eine Runde gequatscht“, erzählt mir mein Tischnachbar. Ebenfalls gute Erinnerungen hat er an Sepp Maier („Nie einen Fußballer kennengelernt, der so bekannt und so normal geblieben ist“), selbst an Oliver Kahn. Der habe trainiert, als ginge es um sein Leben, war aber abseits des Rasens ein überraschend freundlicher Typ. Nur Andreas Möller sei ein arroganter Pinsel gewesen. Rob berichtet, wie ihm Jahre später ein von allen Deutschen signiertes Shirt geklaut wurde.

Aber Rob ist noch nicht fertig. 2014 habe er in Belfast ein Turnier zum 100. Jahrestag des legendären Weihnachtsfriedens im Ersten Weltkrieg organisiert. Deutsche und Britische Truppen standen sich damals an den Feiertagen gegenüber und vereinbarten eine inoffizielle Waffenruhe, bei der als Höhepunkt Soldaten beider Lager gegeneinander Fußball spielten.

Bestatter von Idol George Best

Wir sprechen dann in der Pause zwischen den beiden Spielen über Nordirlands größten Helden, George Best. Robs Frau sagt: „Komm schon, zeig ihm endlich dein Tattoo.“ Rob lüftet sein Shirt, auf seiner rechten Schulter prangt das Konterfei von Best. Natürlich hat Rob auch dazu eine besondere Geschichte zu erzählen. „Weißt du, wer Georgie damals unter die Erde gebracht hat? Ich.“ Als Platzwart offiziell beim Grünflächenamt der Stadt Belfast angestellt, beorderten ihn seine Bosse im Winter 2005 ab, um statt Linien zu kreiden, Robs großes Idol zu bestatten. Jetzt wird es ganz still an unserem Tisch, so ein Volksheld stirbt halt nicht alle Tage. Rob schippt imaginäre Erde mit einer imaginären Schaufel auf das Grab von George Best und schaut traurig wie ein Platzwart, dem Krähen den Mittelkreis zerrupft haben.

Best spielte neun Jahre für Manchester United. Der Flügelstürmer erzielte in dieser Zeit 137 Tore.
Best spielte neun Jahre für Manchester United. Der Flügelstürmer erzielte in dieser Zeit 137 Tore.

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Beim nächsten Bier sprechen wir über den jungen Nordiren, der am Sonntag offenbar angetrunken von einer Balustrade am Strand von Nizza stürzte und den Aufprall nicht überlebte. „Poor lad“, sagt Rob. Armer Kerl. So wie Bestie. Bloß hatte George Best immerhin schon ein Leben gelebt und ging als Idol unter die Erde. Und nicht besoffen aus einigen Metern Höhe.

Aber vielleicht singt er jetzt ja da oben, sagt Rob. Es kann dafür nur einen Song geben. „Going up to the spirit in the sky it’s where I’m gonna go when I die, when I die and they lay me to rest, I’m gonna go on the piss with Georgie Best.“ Auf dem Weg nach Hause bekomme ich die Melodie nicht mehr aus meinem Kopf.

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