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Lieber ein ganzes Turnier im eigenen Land als zwei Halbfinals und ein Endspiel in München, so das Motto des DFB.

© dpa

Fußball-Europameisterschaft 2020: Heute entscheidet die Uefa über die 13 Spielorte

Heute um 13 Uhr gibt die Uefa die 13 Spielorte für die EM 2020 bekannt, die erstmals über Europa verteilt stattfindet. Hier ein Überblick über die Hintergründe, den komplizierten Modus und die Chancen Münchens aufs Finale.

DIE GRÜNDE

Seit Napoleon hat wohl kein Franzose mehr die Grundordnung Europas so erschüttert wie Michel Platini. „Statt eine Party in einem Land zu feiern, werden wir 2020 eine Party in ganz Europa haben“, sagte der Uefa-Präsident, als er seine Idee vor zwei Jahren vorstellte. Anlass ist das 60-jährige Jubiläum der Europameisterschaft, deren erstes Turnier 1960 in Frankreich stattfand. Dabei gehe es ihm vor allem um die kleinen Länder, die alleine nie eine EM austragen könnten, betonte Platini. Abgesehen davon, dass auch Kleinverbände Wählerstimmen bringen, ist das nur die halbe Wahrheit. Tatsächlich hatte sich fast niemand ernsthaft darum beworben, die EM 2020 auszutragen. Selbst der Favorit Türkei wollte eigentlich lieber Olympia im selben Jahr ausrichten. Die Uefa schrieb den geringen Rücklauf an Bewerbungen der europäischen Finanzkrise zu. Experten glauben eher, dass die Erhöhung der Teilnehmerzahl von 16 auf 24 die meisten Länder schlicht überfordert. Ein Turnier mit 51 Spielen kann sich kaum noch ein Land leisten. Nach anfänglicher Skepsis finden mittlerweile viele Gefallen an der Europa-EM. Die wenigen öffentlichen Kritiker befürchten, dass keine gemeinsame Turnierstimmung aufkommen wird, es stattdessen 13 separate Events gibt. So einer EM fehlten Seele und Herz, Identität und Euphorie, lästerte etwa Joseph Blatter. Der Weltverbandschef glaubt eher, dass sein Intimfeind Platini die europäische Idee aus Afrika habe. „Ich habe Platini gesagt, seine Idee sei nicht neu. Der frühere Staatschef von Libyen, Colonel Gaddafi, hat mir bei der Vergabe der Weltmeisterschaft 2010 an Südafrika erklärt, dass in den 53 Ländern Afrikas in jedem Land ein Spiel ausgetragen wird und die Finalspiele in Südafrika stattfinden.“ Ein zweifelhaftes Vorbild.

Der Modus: Halbfinals und Finale finden in nur einer Stadt statt

DER MODUS

Erstmal findet die EM in 13 Städten in 13 verschiedenen Ländern statt. Die Spielorte werden in geografische Zonen eingeteilt, das soll Teams und Fans weite Reisen ersparen, zu Gruppenspielen und im Achtel- und Viertelfinale.

Halbfinals und Finale finden in nur einer Stadt statt, wie bei einem Final Four. Zum zweiten Mal nach der EM 2016 werden 24 Mannschaften mitspielen, von denen sich 20 Teams ihre Teilnahme über die EM-Qualifikation sichern. Vier weitere Plätze werden erstmals über die Nations League vergeben, die im September 2018 startet. Den Modus und Sinn dieses neuen Nationen-Wettbewerbs zu erklären, würde jeden Rahmen sprengen. Jeder Ausrichter hat zweimal Heimrecht in der EM-Vorrunde, ab der K.-o.-Phase nicht mehr. Es kann jedoch sein, dass ein Gastgeberland gar nicht qualifiziert ist. Die Entscheidung über die Spielorte trifft das Exekutivkomitee der Uefa vorher, es trifft sich am Freitag ab 9 Uhr in Genf und will um 13 Uhr an die Öffentlichkeit treten (Livestream auf Uefa.com). Außer Platini gehören diesem Gremium 16 weitere Mitglieder an. Den DFB vertritt Präsident Wolfgang Niersbach. In vier Abstimmungsrunden werden zwölf Standardpakete vergeben mit je drei Gruppenspielen und einem Achtel- oder Viertelfinale sowie ein Paket mit beiden Halbfinals und dem Finale.

Die Bewerber: 19 Städte bewerben sich um 13 Plätze

DIE BEWERBER

Amsterdam (Niederlande), Baku (Aserbaidschan), Bilbao (Spanien), Brüssel (Belgien), Budapest (Ungarn), Bukarest (Rumänien), Cardiff (Wales), Dublin (Irland), Glasgow (Schottland), Jerusalem (Israel), Kopenhagen (Dänemark), London (England), Minsk (Weißrussland), München (Deutschland), Rom (Italien), Skopje (Mazedonien), Sofia (Bulgarien), St. Petersburg (Russland) und Stockholm (Schweden). Das sind die 19 Städte, die sich um 13 Plätze bewerben. Nur Deutschland und England haben sich um das Finalpaket beworben. Ursprünglich hatten 32 Verbände Interesse angemeldet. Doch scherten viele im Bewerbungsprozess aus, so fehlen etwa Portugal, Frankreich und die Türkei. Die war Favorit auf das Endspielpaket, will sich aber auf die Bewerbung 2024 konzentrieren. In Jerusalem könnten erstmals EM-Spiele außerhalb Europas stattfinden. Die Chancen dafür stehen jedoch schlecht. Der Evaluierungsbericht der Uefa äußert sich kritisch über die Bewerbung Israels, die politische Situation dort wird als „komplex“ bezeichnet, zudem werden fehlende Angaben zum notwendigen Stadionausbau bemängelt. Auch bei der Bewerbung Russlands mit St. Petersburg wird auf die ungewisse politische Lage verwiesen. München erhielt dagegen Bestnoten. Die Kandidatur wird vor allem wegen des Stadions und der zentralen Lage in Europa gelobt.

Die Deutschen: Der DFB entschied sich für die Münchner Arena und gegen das Olympiastadion

DIE DEUTSCHEN

Nachdem sich Istanbul zurückgezogen hat, konkurrieren nur noch London und München um die Ausrichtung des EM-Endspiels. Aber auch hier kann nicht mehr von einem richtigen Duell gesprochen werden. Zuletzt deutete der DFB immer offener an, auf eine Kampfabstimmung verzichten zu wollen. Die Prioritäten des Verbandes liegen anderweitig. „Unser größter Wunsch ist, die gesamte EM 2024 in Deutschland auszurichten“, betont DFB-Chef Niersbach. Nach dem Motto: Lieber ein ganzes Turnier im eigenen Land als zwei Halbfinals und ein Endspiel in München. Man würde also London das Finale 2020 überlassen, wenn die Engländer im Gegenzug die deutsche Bewerbung für 2024 unterstützen. 2028 könnte man es umgekehrt halten. „Wembley wäre auch ein erstklassiges Stadion für die Finalserie 2020“, lobte Niersbach schon auf der Verbandswebseite. Für 2024 müsste sich Deutschland gegen die Mitbewerber Türkei und Niederlande durchsetzen. Darüber wird jedoch erst ab 2017 entschieden. Und da sich sportpolitische Konstellationen jederzeit ändern können, wird der DFB wohl bis zum letzten Moment warten, ehe er seine Final-Kandidatur zugunsten Englands zurückzieht. In Berlin wird es ohnehin keine EM-Spiele zu sehen geben. Der DFB entschied sich für die Münchner Arena und gegen das Olympiastadion, wohl auch weil dort schon das WM-Finale 2006 stattfand. Für Berliner wird es wie für die meisten Fans eine EM der vielen Flüge.

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