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Macht er den chinesischen Fußball groß? Der frühere Basketballstar Yao Ming gilt als Kandidat für eine Spitzenposition in Chinas Fußballverband CFA.

© AFP

Fußball in China: Wie zu Zeiten Maos

China will sein Nationalteam zum WM-Titel führen. Dafür sind den Funktionären alle Mittel recht – auch militärische Drills und Chefs aus anderen Sportarten.

Es gab Momente im Jahr 2018, die waren geschaffen dafür, das angekratzte Image des chinesischen Fußballs international aufzupolieren. Das entscheidende 5:4 im Titelkampf von Schanghai SIPG bei Guangzhou Evergrande drei Spieltage vor Saisonende zum Beispiel. Oder der Pokalsieg von Beijing Guo’an mit dem deutschen Trainer Roger Schmidt in zwei packenden Finalspielen gegen Shandong Luneng. Oder die Leistung von Wu Lei von Meister Schanghai, der mit 27 Toren alle hochbezahlten Stars aus dem Ausland abhängte.

Gute Nachrichten für eine Liga, die nach oben will, in einem Land, das nach oben will. Chinas Staatspräsident Xi Jinping wünscht sich den WM-Titel. Doch dazu müsste die heimische Profiliga mindestens ein Niveau erreichen, auf dem Talente internationale Klasse entwickeln können. Was die Liga benötigt, ist ein Verband, der so arbeitet, dass die Klubs in Ruhe arbeiten können. Das Gegenteil ist der Fall. 2018 geht als das Jahr in Chinas Fußballgeschichte ein, das den Glauben an die Professionalität zunichte machte.

Die Funktionäre des Verbandes CFA griffen zu altmaoistischen Traditionen und versammelten ihre Hoffnungsträger wie in früheren Zeiten in einem mehrmonatigen Militärcamp. Anfang Oktober rekrutierte die CFA 55 chinesische Spieler unter 25 Jahren aus den beiden obersten Ligen. Ohne Rücksicht auf die laufende Saison mussten die Klubs ihre Spieler zur Verfügung stellen und weiter bezahlen. Fotos zeigen, wie sie mit nacktem Oberkörper in den Schnee springen.

Militärcamps für chinesische Fußballer haben zwar seit den 1950er Jahren Tradition in China, allein der Durchbruch in die Weltspitze blieb aus. Es heißt, die Profis sollen im kommenden Jahr in zwei Kader aufgeteilt werden und gegen die Klubs der ersten und zweiten Liga antreten. Ihre Gegner sollen dabei auf ausländische Stars verzichten. Die Sinnhaftigkeit des Projekts wird seitdem diskutiert, aber es gibt seitens des Verbandes keine öffentliche, plausible Strategie.

Die CFA knüppelt alles nieder, was nicht der Norm entspricht

„Wann hört die CFA endlich auf, sich in den eigenen Fuß zu schießen? Sie ist ganz sicher das am wenigsten vorhersehbare Organ im gesamten Sport“, sagt Jonathan White von der in Hongkong publizierten „South China Morning Post“. Vermutet wird, dass die Politik eine große Rolle im Hintergrund spielt. Das Sportministerium stellt fachfremde Funktionäre wie 2014 den ehemaligen Tischtennisspieler Cai Zhenhua an die Spitze des Verbandes und künftig möglicherweise den früheren Basketballhelden Yao Ming.

Die CFA gilt als streng hierarchisches Konstrukt, das sich den Anweisungen des Ministeriums beugen muss. Aber es sind wohl Politiker, die den Nationalspielern vorschreiben, wie sie auszusehen haben, wenn sie weiterhin für China auflaufen wollen. Tätowierungen müssen mit hautfarbenen Armstrümpfen abgedeckt und Haare kurz und schwarz getragen werden. Blonde Strähnchen oder Zöpfchen werden nicht mehr geduldet.

Mit der Holzhammer-Methode knüppelt die CFA alles nieder, was nicht der Norm entspricht. Leidtragende waren vor allem die eigenen Nationalspieler. Kürzlich erwischte es den hochtalentierten U-19-Nationalspieler Zhou Junchen. Die CFA sperrte den „chinesischen Ribéry“, wie manche Experten ihn mit Verweis auf den Mittelfeldspieler des FC Bayern nennen, für zwölf Monate. Zhou hatte mit einigen Mitspielern nach einem verlorenen Länderspiel gegen Jordanien in Thailand ohne Rücksprache mit dem Trainerteam das Mannschaftshotel verlassen. Während die Teamkollegen mit erheblich kürzeren Sperren davon kamen, traf Zhou die volle Wucht der Autoritäten. Er sei uneinsichtig gewesen, heißt es aus Verbandskreisen.

„Die CFA befindet sich offenbar auf einem neuen Feldzug. Eine solche Strafe ist völlig überzogen und sie schadet der Entwicklung des Spielers“, sagt Brandon Chemers aus Peking, der seit vielen Jahren über den chinesischen Fußball berichtet. Der US-Amerikaner glaubt, Zhou sei deshalb so hart bestraft worden, um ein Exempel an ihm zu statuieren.

Disziplinierung erwischte auch Ausländer

Ebenso hart hatte es einige Wochen zuvor schon Nationalspieler Wang Shenchao erwischt. Der war im Länderspiel gegen Myanmar eingewechselt worden und hatte sich auf dem Feld ein Halskettchen umgelegt – ein Verstoß gegen Fifa-Regularien. Der nationale Verband sprach ohne Not eine zwölfmonatige Sperre aus und schadete damit vor allem der eigenen Auswahl. Denn Wang muss bei der Asienmeisterschaft im Januar zuschauen. Die Disziplinierung erwischte auch Ausländer. Der Brasilianer Diego Tardelli von Shandong Luneng wurde für ein Spiel gesperrt, weil er sich während der Nationalhymne durchs Gesicht fuhr. Eine Geste, die als respektlos der chinesischen Hymne gegenüber gewertet wurde. In einer Stellungnahme, die in Tardellis Namen auf Mandarin veröffentlicht wurde, hieß es: „Ich entschuldige mich für mein respektloses Verhalten China gegenüber. Das hatte ich nicht beabsichtigt. Ich lebe und arbeite seit vier Jahren in China und liebe und respektiere dieses Land zutiefst.“

Die Vereinheitlichung und Disziplinierung von allen Fußballern des Landes scheint mit dem Traum vom WM-Titel unvereinbar zu sein. Spiellust und Exzellenz haben die Weltmeister seit 1930 nicht dadurch entwickelt, dass sie alle gleich aussahen und Entscheidungen von Trainern und Verbänden ausnahmslos brav abnickten. Doch China betont stets, seinen eigenen Weg gehen zu wollen, gesellschaftlich, politisch, kulturell. 2018 hat der Fußball des Landes diesen Pfad konsequent beschritten.

Marcel Gzanna

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