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Fußball in der Krise: Deutschland von der Landkarte "ausradiert"

Die Nationalelf gedemütigt, die Spitzenklubs blamiert, die führenden Köpfe auf Konfrontation. Drei Monate vor der WM im eigenen Land gibt der deutsche Fußball ein trauriges Bild ab und erntet in ganz Europa Spott und Häme.

Hamburg - «Aus Mailand wird in Erinnerung bleiben, wie Deutschlands Stolz ausgespielt wurde», schrieb die dänische Zeitung «Jyllands Posten» nach dem 1:4 des FC Bayern München beim AC Mailand. Der Ärger über das Ausscheiden seines Clubs als letzter deutscher Champions-League-Verein nur eine Woche nach dem Debakel des Nationalteams in Florenz animierte auch Franz Beckenbauer zu einem Rundumschlag: «Die Bundesliga ist doch nicht so stark, wie wir sie gerne hätten. Die Nationalmannschaft wurde abgeschossen, wir wurden aus der Champions League geschossen», sagte der Bayern-Präsident und WM-OK-Chef am Donnerstag nach dem tagelangen Tohuwabohu, an dem er selbst durch seine Äußerungen nicht unbeteiligt war.

In Spanien sah «El Mundo Deportivo» die Münchner stellvertretend für Deutschlands Fußball von Europas Landkarte «ausradiert», und Italiens «La Gazetta dello Sport» bemerkte süffisant: «Wir sind Deutschland - Die Champions League ist ganz italienisch». Drei italienische Duelle innerhalb von 15 Tagen führten die Tristesse im WM-Gastgeberland schonungslos vor Augen. «Das ist bedauerlich. Da macht man sich den einen oder andern Zusatzgedanken», sagte Beckenbauer.

Mit den Besten der Branche können derzeit weder die Nationalmannschaft noch die führenden Bundesligisten mithalten - und bewegte man sich wie Werder Bremen gegen Juventus Turin doch auf Augenhöhe, sorgte ein peinliche Patzer wie der von Torwart Tim Wiese für den nächsten Nackenschlag. «Gerade für die deutschen Nationalspieler ist es ziemlich dick gekommen», sagte Bayern-Trainer Felix Magath.

Während weder der mit den Querelen um Bundestrainer Jürgen Klinsmann beschäftigte DFB-Präsident Theo Zwanziger noch DFL-Chef Werner Hackmann zu der bitteren Bilanz Stellung beziehen wollte, lief die Ursachenforschung nach bekannten Mustern. Beim FC Bayern beklagen Manager Uli Hoeneß und Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge wegen zu geringer TV-Einnahmen seit langem mangelnde Konkurrenzfähigkeit mit den Top-Clubs aus Spanien, England und Italien. Magath nahm diese Möglichkeit zur Entschuldigung gern an. «Wir haben erkennen müssen, dass uns nicht die finanziellen Mittel zur Verfügung stehen wie den anderen, die in der Champions League auf unserem Niveau sind.»

Die Münchner können selbst nach dem neuen Fernsehvertrag künftig im besten Fall auf nur rund 25 Millionen Euro kommen, die Konkurrenz aus Madrid, Manchester oder Mailand hat mindestens das Doppelte zur Verfügung. «Die Topstars spielen in anderen Ligen. Die besten Spieler gehen nun einmal dahin, wo das Geld ist», sagte Oliver Bierhoff in seiner Funktion als TV-Experte bei Sat.1. Die Lage für die Bundesliga sei bedrohlich, denn schon werde der dritte Champions-League-Platz von Clubs aus Portugal und den Niederlanden streitig gemacht. «Man darf die auf keinen Fall unterschätzen.»

Bei allem öffentlichem Wehklagen ist die Situation nicht neu. In den vergangenen vier Spielzeiten war drei Mal kein deutscher Club im Viertelfinale der Champions League vertreten. Nur Bayern München kam im Vorjahr in die Runde der letzten Acht. Seit Borussia Dortmunds Sieg im Jahr 1997 schafften außer den Münchnern, die 2001 als letzter deutscher Club den Europapokal gewannen, nur der 1. FC Kaiserslautern (1999) und Bayer Leverkusen (Finale 2002) den Einzug ins Viertelfinale.

Aus der Bundesliga waren am Donnerstag dennoch nur moderate Töne vernehmbar. «Schlechte Stimmung ist jetzt nicht angebracht», sagte der Mainzer Trainer Jürgen Klopp. Sein Leverkusener Kollege Michael Skibbe betonte: «Ich habe keine Sorgen in Hinblick auf die WM. Wir können uns international noch messen und sind nicht viel schlechter, aber manchmal einen Tick.» Werder-Manager Klaus Allofs sagte: «Es kann nicht sein, dass man daraus gleich den deutschen Fußball verdammt. Das ist doch Wahnsinn.» (Von Arne Richter, dpa)

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