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Blau wie im Hallenbad. Die Ränge in der Arena in Leipzig beim Spiel am Donnerstag.

© dpa

Leere Ränge gegen Russland: Die Nationalmannschaft sucht ihr Publikum

"Ich dachte schon, ich wär' im Hallenbad": Das Spiel gegen Russland in Leipzig ist nicht ausverkauft. Die DFB-Elf muss sich Zuneigung erst wieder verdienen.

In Zeiten, in denen sich moderne Fußballstadien so sehr voneinander unterscheiden wie Lars Bender von seinem Zwillingsbruder Sven, sticht die Arena in Leipzig architektonisch schon durch die Verbindung von Altem und Neuem aus dem großen Einerlei hervor. Als aktiver Spieler auf dem Rasen wird man von ihren Reizen vermutlich wenig mitbekommen, Joshua Kimmich aber, der Mittelfeldspieler der deutschen Nationalmannschaft, konnte am Donnerstagabend im Testspiel gegen Russland auch mal den Blick schweifen lassen. Und offenbar fand er genügend Muße, um ins Reich der Fantasie einzutauchen. „Ich dachte schon, ich wär’ im Hallenbad“, sagte der Münchner.

An den schneidigen Temperaturen lag Kimmichs Assoziation definitiv nicht, eher am Design der Sitzschalen in den Farben Türkis und Hellblau, die nicht nur an die Fliesen in Schwimmbädern erinnerten, sondern mangels Zuschauerzuspruch auch besonders gut zu erkennen war. 35.288 Zuschauer wollten das Testspiel der Nationalmannschaft live im Stadion erleben. Als die Zahl gegen Ende der zweiten Halbzeit verkündet wurde, gab es sogar freundlichen Applaus von den Rängen – nach den ersten Horrormeldungen vom Wochenbeginn war es schon ein Erfolg, dass nur 6000 der knapp 42.000 Plätze leer geblieben waren.

Das Thema ist für den Deutschen Fußball-Bund (DFB) nicht neu – und daher nicht allein auf die verkorkste Weltmeisterschaft in diesem Sommer zurückzuführen. 2016, beim letzten Länderspiel von Weltmeister Bastian Schweinsteiger, wurde der Oberrang im Borussia-Park in Mönchengladbach verhüllt, damit die dürftige Kulisse nicht ganz so deprimierend wirkte. Und auch 2017, also vor der WM, war nur eins von fünf Länderspielen in Deutschland ausverkauft. In diesem Jahr hingegen waren es alle – bis zum Spiel in Leipzig. „Wir haben auch nicht alles dafür getan, dass die Spiele ausverkauft sind“, sagte Kapitän Manuel Neuer.

Am Montag soll es doch noch voll werden

Selbstläufer sind Länderspiele längst nicht mehr. Selbst vergleichsweise günstige Preise für die Begegnung gegen Russland – Tickets ab 18 Euro, für Kinder sogar ab 10 Euro – halfen nur bedingt. Der späte Anstoß an und vor einem Werktag hat ganz sicher eine Rolle gespielt. Entscheidender aber scheint zu sein, dass auch die Bindung des Publikums an die Nationalmannschaft nicht mehr so eng ist wie in den Jahren 2006 ff., als sich das Land von der Aufbruchstimmung anstecken ließ. „Nach so einem Jahr kann man nicht uneingeschränkt erwarten, dass uns die Fans die Bude einrennen“, hatte Bundestrainer Joachim Löw schon vor dem Spiel in Leipzig getan. „Das hat auch was mit unseren Leistungen zu tun.“ Nach der enttäuschenden WM und dem schleppenden Neuanfang muss sich die Nationalmannschaft, die von vielen immer mehr als Marketingkonstrukt wahrgenommen wird, die Sympathien erst wieder verdienen. Das Publikum in Leipzig begegnete dem Team eher reserviert abwartend als uneingeschränkt euphorisch. Meistens war in der Arena nur ein leichtes Grundrauschen zu vernehmen. Wer vor allem wegen der Stimmung zum Fußball geht, kann sich Länderspiele in der Regel sparen.

Reinhard Grindel, der DFB-Präsident, nahm den geringen Zuspruch fast schon gelassen zur Kenntnis. Ähnliche Zuschauerzahlen habe auch der örtliche Bundesligist RB, wenn er unter der Woche im Europapokal antrete, sagte er. Und für den Jahresabschluss am Montag in Gelsenkirchen, das letzte Spiel der Nations League gegen Holland, ist nun wohl doch kein Desaster mehr zu erwarten. In den vergangenen Tagen hat der Vorverkauf laut Grindel noch einmal deutlich angezogen. Vielleicht wird die Arena sogar richtig voll.

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