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Fussball-Presseschau: Abschied vom Hoeneß‘schen Der-Verein-bin-ich-Prinzip

Herthas Hoeneß tritt ab, und die Presse erkennt: Alle Macht dem Manager ist out. In Madrid zeigt sich, wie immun der Fußball bisweilen gegen die Wirtschaftskrise ist.

Stefan Osterhaus (Neue Zürcher Zeitung) kommentiert die Trennung Herthas von Dieter Hoeneß nach dreizehn Jahren: "Seine erzwungene Demission ist ein epochaler Schritt. Obschon häufig umstritten, hat Hoeneß die Hertha wie kein anderer geprägt. Der brillante Rhetoriker war neben seinem Bruder Uli der dienstälteste Manager der Bundesliga. Sein Verdienst ist der Aufbau professioneller Strukturen, besonders ragt die Etablierung einer erstklassigen Jugendarbeit heraus."

Ronny Blaschke (Stuttgarter Zeitung) erwidert: "Hoeneß nutzte seine Verdienste als Schutzschild. Dass der Klub unter seiner Führung Schulden häufte, erwähnte er kaum. In der Wirtschaft hätte er seinen Posten längst räumen müssen, im Fußball klammerte er sich selbstsicher an seinen Thron – und Hertha BSC stagnierte weiter."

Andreas Lesch (Berliner Zeitung) vermutet den deutschen Klubfußball an einer Epochenschwelle: "Das Jahr 2009 wird die Bundesliga so schnell nicht vergessen. Es ist das Jahr, in dem Uli und Dieter Hoeneß verschwinden und mit ihnen ein Jobprofil, das das deutsche Kickergewerbe über Jahre geprägt hat – das nun aber überholt zu sein scheint. Das Prinzip Hoeneß hat darauf basiert, dass alle Macht beim Manager liegt: Er darf dem Trainer einen Angreifer ins Aufgebot drücken, dessen Außenristschüsse ihm seit der letzten Südamerikareise schlaflos durchjauchzte Nächte bereiten. Er nimmt sich das Recht heraus, während des Spiels auf der Bank zu sitzen und dort – in schlechten Zeiten – für den Coach wie eine Kündigungsdrohung zu wirken. Er versteht sich als Fürsprecher und Reinredner. Seine Kernbotschaft lautet: Der Verein bin ich."

Hassliebe

Den Zwiespalt im Verhältnis der Nürnberg-Fans zum scheidenden "Club"-Boss Michael Roth beschreibt Thomas Winkler (taz): "Bewundernswert ist die Leistung des Bundesverdienstkreuzträgers, aus dem notorisch amateurhaft und bisweilen gar kriminell geführten 1. FC Nürnberg wieder einen soliden Klub gemacht zu haben, der sein enormes Potenzial ausschöpfen kann. Diese Leistung wird von den Anhängern geschätzt, so peinlich das Auftreten von Roth auch manchmal war. Mit den fränkischen Fans verbindet ihn deshalb eine Hassliebe."

Die unberechenbarste Nebensache der Welt

Markus Lotter (Berliner Zeitung) versucht, den 65-Millionen-Transfer Kaká und den bevorstehenden Kauf Ronaldos zu fassen: "Die Elite des europäischen Klubfußballs war nur für ein paar Monate verängstigt und handelt nunmehr wieder wie ehedem. Ölmagnaten, Bauunternehmer werden sich weiter ihren Traum von einer fantastischen Fußballmannschaft erfüllen, weil das Fußballgeschäft in seiner exaltiertesten Form wohl doch nicht so eng mit der Weltwirtschaft verzahnt ist, wie Uli Hoeneß glaubt und hofft. Der Fußball scheint immun zu sein gegen all die Kräfte, die den Alltag beherrschen. Der Fußball ist die unberechenbarste Nebensache der Welt, weil er sogar die Gesetze der Betriebswirtschaft zuweilen außer Kraft setzt."

Gastarbeiter vom Stiefel

Tom Mustroph (taz) befasst sich mit einem neuen Trend, der Immigration italienischer Jugendfußballer: "Die Stars greifen mit ihrer Flucht eine Tendenz auf, die die Jugend schon längst verinnerlicht hat. Wer sich auf Italiens Nachwuchsbolzplätzen einen Namen verschafft hat, sucht, so schnell es geht, das Weite. Mehrere Dutzend 15- bis 17-Jährige wagten in den letzten drei Jahren den Sprung ins Ausland. Besonders hoch ist die Dichte an ballgewandten Gastarbeitern vom Stiefel in England. Clubs wie Chelsea, Arsenal und Manchester United bieten saftige Gehälter, einen Platz an einer Fußball-Akademie, Englischunterricht und zudem noch den mitreisenden Vätern Jobs als Gärtner, Chauffeur oder Pförtner. Außerdem erhalten die Jungprofis in England schneller die Möglichkeit, sich im Ligabetrieb auszuzeichnen."

Quelle: ZEIT ONLINE

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