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Meist souveräne Vorstellungen. Angerer wurde zur Weltfußballerin des Jahres 2013 gewählt.

© picture alliance / dpa

Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen in Kanada: Nadine Angerer: Letzter Auftritt als Frontfrau

Nadine Angerer ist der Star der deutschen Fußballerinnen, die am Donnerstagabend gegen Norwegen spielen. Nach der WM wird die Torhüterin eine Lücke hinterlassen.

Einen wichtigen persönlichen Erfolg hatte Nadine Angerer schon vor dem ersten WM-Pfiff in Kanada errungen. Mitte Mai gab die 36-Jährige ihr Karriereende im Nationalteam bekannt. Nach dem Turnier ist Schluss – und dass das alle bereits wissen, war für die Weltfußballerin 2013 eine Herzensangelegenheit. Sie allein wollte darüber entscheiden, wann sie geht. „Und nicht eine Verletzung oder jemand anderes“, sagte Angerer.

Für dieses selbstbestimmte Adieu warf sie sogar ihre zweite herausragende Eigenschaft vorübergehend über Bord – ihre Spontaneität. Vor zwei Jahren zum Beispiel saß die Unterfränkin vor der EM im Essener Teamhotel der deutschen Fußballerinnen. Mit ihrer freundlichen Stimme erzählte sie von ihren exzellenten Athletikausdauerwerten, davon, wie sie mit 27 noch mal komplett ihre Torwarttechnik umgestellt hatte – und landete gegen Ende des Gesprächs bei einem ihrer zahlreichen Selbstverwirklichungspläne: einmal mit ihrem alten VW-Bus von Berlin nach Kapstadt zu fahren.

Von der interkontinentalen Busfahrt hatte sie da gerade auf Immobilienerwerb umgeschwenkt. „Vor ein paar Monaten habe ich mir ein Haus gekauft, auf Fuerteventura. Das hatte ich auch nie geplant. Das hat sich so ergeben, ich hatte Bock darauf“, erzählte Angerer. Und schob erklärend nach: „Ich bin einfach ein emotionaler Mensch und entscheide immer nach der Situation. Wichtig ist für mich – es muss sich immer gut anfühlen.“

Gut fühlt es sich für die Torhüterin der Nation auch an, jetzt, nach fünf EM- und zwei (oder vielleicht drei) WM-Titeln, aufzuhören. Das deutsche Team verliert damit seine schillerndste Figur, einen echten Typ – und den Namen, an den jeder im Land beim Stichwort Frauenfußball zuerst denkt. Birgit Prinz, ihre Vorgängerin als Kapitänin der DFB-Auswahl, mag mehr Länderspiele absolviert und international wie national einen höheren Bekanntheitsgrad erreicht haben: Die Rolle als Frontfrau auf und vor allem neben dem Spielfeld füllte Nadine Angerer zuletzt sehr viel überzeugender aus.

Angerer hat schon vor dem Karriereende ihre Autobiographie veröffentlicht

So erzählt die Globetrotterin in ihrer im Februar veröffentlichten Autobiografie von einem Sturz von einem Pferd, 2005 in der südafrikanischen Wildnis, bei der eine frisch verheilte OP-Naht wieder aufplatzte und kurz darauf von einem englischen Medizinstudenten im praktischen Jahr in einer Hütte mit Wellblechdach und Speiseresten auf dem Boden notversorgt wurde. Oder davon, wie sie einst auf dem Balkon der elterlichen Wohnung zwei Zettel – auf dem einen stand „Fußball“, auf dem anderen „Handball“ – faltete und das Los entscheiden ließ, in welcher Sportart sie eine Karriere starten sollte. Und davon, wie sie bei der EM 2013 nach dem verlorenen Gruppenspiel gegen Norwegen für ein internes Krisengespräch entschlossen die Chefin spielte und Bundestrainerin Silvia Neid um Zurückhaltung bat.

Elf Tage später, beim 1:0-Finalsieg der deutschen Mannschaft, hielt Angerer zwei Elfmeter der Norwegerinnen. So wie sie im Endspiel der WM 2007 einen Strafstoß des brasilianischen Superstars Marta pariert hatte, damit den Weg zum 2:0-Triumph der DFB-Frauen ebnete und selbst im gesamten Turnier ohne Gegentor blieb. Auf Marta und Brasilien können die Deutschen auch bei der WM in Kanada wieder treffen, mit Norwegen bekommen sie es schon am Donnerstag zu tun (22 Uhr MESZ/ARD).

Für Angerer wird es nach dem 10:0 gegen die Elfenbeinküste und vor der Partie gegen Thailand am nächsten Montag sicher der arbeitsreichste Einsatz in der Gruppenphase. Vier weitere Spiele könnten bis zum Finale am 5. Juli in Vancouver noch folgen für das junge Team – und spätestens dann tritt Nadine Angerer die letzte Etappe auf ihrer fußballerischen Weltreise an.

In Portland will Angerer noch bis Ende September spielen

Bei ihrem Klub Portland Thorns wird die Keeperin, die offen und entspannt mit ihrer Bisexualität umgeht, ihren laufenden Vertrag erfüllen. Erreicht sie mit ihrem Team die Play-off-Spiele, wird die 140-malige Nationalspielerin noch bis Ende September den Bällen hinterherspringen. Nach Auslandsstationen in Schweden und bei den Brisbane Roars.

Aus der Zeit in Australien nimmt sie vor allem eine große Gelassenheit mit in ihr baldiges Leben jenseits des Fußballs. Sie spüre eine Sehnsucht auf die Zeit nach dem Leistungssport, sagt Angerer. Silvia Neid, die nach Olympia 2016 aufhört, überkommt dagegen leichte Wehmut. „Nadine ist eine außergewöhnliche Spielerin und ein besonderer Mensch“, sagt die Bundestrainerin. „Eine absolute Führungspersönlichkeit und tolle Spielführerin.“ Nach der WM muss sie sich eine neue Kapitänin suchen – aber zumindest weiß sie es schon.

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