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Fußball-Weltmeisterschaft: Südafrika fiebert der WM entgegen

Die Hoffnungen, die sich mit dem Team der Gastgeber und der WM im eigenen Land verbinden, sind riesengroß. Alle Probleme soll das Fußballfest auf einmal lösen.

Jeden Freitag lässt Amu Nkwinika Rock und Bluse im Schrank. Stattdessen streift sie sich, wie Tausende ihrer Landsleute, das Trikot der Bafana Bafana über, der südafrikanischen Fußballnationalelf. Politiker, Manager, Piloten, Lehrer und Busfahrer – sie alle tragen seit ein paar Wochen jeden Freitag das Jersey, um ihren Kickern zu zeigen, dass Südafrika geschlossen hinter seinem Team steht. Die Mannschaft kann den Zuspruch brauchen: Der 90. der Weltrangliste geht als krasser Außenseiter ins Turnier. Doch die Hoffnungen, die sich mit dem Team der Gastgeber und der WM im eigenen Land verbinden, sind riesengroß. Alle Probleme soll das Fußballfest auf einmal lösen; Kriminalität und Armut, krasse soziale Unterschiede, die hohe Arbeitslosigkeit und am besten auch noch gleich die Aids-Epidemie.

Wie fast alle Südafrikaner ist auch Nkwinika stolz, dass die ganze Welt bald auf den Süden Afrikas schaut. „Stolz – aber auch etwas ängstlich“, wie sie sagt, weil ja niemand wisse, was das Land genau erwarte. „Ich kann noch immer nicht glauben, dass Superstars wie Lionel Messi oder Didier Drogba wirklich zu uns kommen“, sagt Nkwinika, die für den Fußballklub Platinum Stars in Rustenburg arbeitet. „Ich hoffe nur, dass wir die Welt nicht enttäuschen werden und gute Gastgeber sind.“ Zumindest um die Stimmung im Land braucht sie sich nicht mehr zu sorgen: Es hat etwas gedauert, aber die knallgelben Trikots mit den grünen Streifen und die südafrikanischen Flaggen, die inzwischen aus vielen Autofenstern wehen, lassen erahnen, dass die WM in den Herzen der Menschen am Kap angelangt ist.

4000 Fahnen flattern bereits am M1-Highway, der von Johannesburg in die Landeshauptstadt Pretoria führt – und ein paar weniger, aber umso stolzer, in der Mojalefa Street von Soweto, dem berühmten Township im Südwesten des Industriemolochs Johannesburg. Jedes einzelne der 46 kleinen Häuser in der Straße ist hier inzwischen mit zwei Fahnen beflaggt – einer südafrikanischen und einer der 31 Teilnehmernationen. Die Anwohnerin Elizabeth Maatie kramt auf Nachfrage eine alte Quittung aus der Tasche, auf der Slowenien steht. „Meine Flagge ist Slo-ve-ni-a", buchstabiert sie. Offenbar ratlos, wo dieses exotische Land nun wieder liegt.

Vorfreude versprüht auch Soccer City, das gigantische Stadion mit seinen fast 100 000 Plätzen, in dem am 11. Juni mit dem Eröffnungsspiel zwischen Südafrika und Mexiko alles anfängt – und vier Wochen später mit dem Finale alles zu Ende geht. Hier hielt Nelson Mandela 1990 vor Zehntausenden die erste Massenkundgebung nach seiner Freilassung aus 27 Jahren Haft – und viele hoffen, dass der 91-Jährige, obwohl inzwischen reichlich gebrechlich, das Eröffnungsspiel in zwei Wochen besuchen wird.

Eigentlich gibt es also Grund zur Zufriedenheit. Wenn da nicht immer auch das andere, bitterarme Südafrika um die Ecke wäre: Gleich neben Soccer City liegt das Stadion der Rockville Hungry Lions, das während der WM zum Fanpark umfunktioniert werden soll. Doch wenig wies bis vor kurzem darauf hin: Die Anlage wirkte ungepflegt, das Klubhaus heruntergekommen. Es ist der typische Kontrast dieser WM: auf der einen Seite ein Weltklassestadion für 350 Millionen Euro, nebenan eine Brache, in die nicht einmal ein paar Cent fließen. „Wir haben uns immer wieder beschwert, aber es scheint niemanden zu kümmern“, klagt Mighty Motswene, der Trainer der Rockville Hungry Lions. „Dabei haben sie uns vorher das Blaue vom Himmel versprochen.“ Stimmt ihn die WM deshalb bitter? Motswene schaut verdutzt. „Nein, ich bin wirklich ganz heiß darauf“, sagt er. „Und wenn das Turnier dem Land auch noch etwas Rückenwind geben würde, wäre ich sehr glücklich.“

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