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Fußball-Wettskandal: Welche Ausmaße hat der Betrug?

Der neue Wettskandal zeigt: Fußballspiele zu manipulieren scheint für die organisierte Kriminalität ein mindestens ebenso einträgliches Geschäft geworden zu sein wie Schmuggel, Waffen- oder Drogengeschäfte.

Der Fall erhält seine Wucht durch große Zahlen. Fast 700 Fußballspiele auf der ganzen Welt sollen manipuliert worden sein, Ermittler aus 13 Ländern haben unter dem Dach von Europol insgesamt 13 000 E-Mails ausgewertet, Telefone abgehört, verdeckte Ermittler eingesetzt. Und selbst jetzt sprechen sie noch von der „Spitze des Eisbergs“. Fußballspiele zu manipulieren scheint für die organisierte Kriminalität inzwischen ein mindestens ebenso einträgliches Geschäft geworden zu sein wie Schmuggel, Waffen- oder Drogengeschäfte.

Wie kam es zu diesem Skandal?

Dieser Betrugsfall ist keine völlig neue Geschichte, er baut auf anderen Fällen auf. Unter dem Namen „Soko Flankengott“ hatte die Staatsanwaltschaft in Bochum schon 2009 den bisher größten Wettskandal Europas mit mehr als 200 verdächtigen Spielen aufgedeckt. Bei den folgenden Prozessen kam es vor zwei Jahren zu einigen Verurteilungen, unter anderem gegen den Berliner Ante Sapina. Er war auch schon der Drahtzieher bei den Manipulationen des Berliner Schiedsrichters Robert Hoyzer gewesen.

Mit Ermittlungsbehörden aus anderen europäischen Ländern richtete die Staatsanwaltschaft Bochum dann vor 18 Monaten bei Europol eine Ermittlungsgruppe unter dem Namen „Veto“ ein, zunächst mit Finnland und Ungarn, später kamen Länder wie Slowenien und Österreich hinzu. Am Montag stellte Europol nun in Den Haag die zusammengetragenen Ergebnisse vor: 380 Spiele seien manipuliert und weitere 300 verdächtig. Betroffen seien Fußballspiele in 30 Ländern. Der Betrug ist international organisiert. Bei einem manipulierten Spiel waren 50 Personen aus zehn Ländern beteiligt.

Wie stark ist Deutschland betroffen?

Bislang ist von 70 Spielen in Deutschland die Rede. 51 Spiele waren bei den Prozessen vor dem Landgericht Bochum schon verhandelt worden. Mit Enthüllungen in der Bundesliga oder der Zweiten Liga ist daher derzeit nicht zu rechnen. Der Deutschen Fußball-Liga ist von entsprechenden Ermittlungen auch nichts bekannt. Von den 300 noch verdächtigen Spielen fanden 90 Prozent außerhalb von Europa statt. Und sie reichten bis aufs höchste Niveau: Betroffen waren von den Betrügereien auch Spiele der WM-Qualifikation für Südafrika 2010.

Wie funktioniert der Betrug und welche Maßnahmen gegen Manipulation sind möglich?

Wie funktioniert der Betrug?

Einblicke in die Vorgehensweise der Betrüger hatten die Prozesse vor dem Landgericht Bochum gebracht. Die Manipulation begann oft mit freundlichen Worten. Fußballspieler wurden von Hintermännern angesprochen und für sich eingenommen. Anschließend wurden Summen vereinbart und manchmal auch Anzahlungen geleistet. Die Spieler sollten entweder mit zögerlichem oder riskantem Spielverhalten Tore des Gegners ermöglichen. Auch Schiedsrichter wurden bestochen. Ante Sapina berichtete, dass Spieler schon für 5000 bis 7000 Euro zur Manipulation bereit gewesen wären, Torhüter hätten mehr verlangt und einem Schiedsrichter bezahlte er 40 000 Euro für jedes manipulierte Spiel. Mit den Anwerbeversuchen waren die Betrüger in Deutschland vor allem in der Regionalliga erfolgreich, im Ausland auch in höheren Spielklassen. In Belgien gelang es ihnen sogar, einen ganzen Klub mit eingeschleusten Spielern unter ihre Kontrolle zu bringen. Vor allem unterklassige Spieler und Nationalspieler aus kleineren Ländern sprachen die Betrüger an. So gab es auch Manipulationen bei internationalen Begegnungen wie einem EM-Qualifikationsspiel 2007 zwischen Norwegen und Malta. Maltesische Spieler waren bestochen worden, mit mindestens drei Toren Unterschied zu verlieren. Das Spiel endete 4:0.

Welche Konsequenzen hat der Prozess?

Im Verfahren vor dem Bochumer Landgericht war nur angedeutet worden, dass die eigentlichen Hintermänner des Betrugs in Asien sitzen. Sapina hatte seine Wetten über eine Londoner Plattform platziert. Diese Londoner Plattform war jedoch von Asiaten eingerichtet worden, um etwas unauffälliger in Europa auftreten zu können. Asiatische Wettanbieter beherrschen ohnehin den Weltmarkt im Glücksspiel. Sie bieten aufgrund ihrer Milliardenumsätze bessere Quoten an als europäische Buchmacher und verlangen auch weniger Sicherheiten. Die Ermittlungen unter dem Dach von Europol kommen jedenfalls alle zu ein und demselben Schluss: Die Spur führt nach Asien. Von einem „Wettkartell aus Singapur“ sprach Europol-Direktor Rob Wainwright: „Wir konnten zum ersten Mal beweisen, dass die organisierte Kriminalität in der Fußballwelt operiert.“ In Asien werden Wetten oft von privaten Agenten angeboten, die wiederum bei großen Wettportalen ihr Geld setzen. Das weitverzweigte System aus Wettportalen, privaten Agenten, aber auch geschlossenen Wettzirkeln ist fast undurchschaubar und aufgrund seiner Anonymität höchst attraktiv für Geldwäsche.

Welche Maßnahmen gegen Manipulation sind möglich?

Schon die Prozesse vor dem Landgericht Bochum offenbarten die weitgehende Hilflosigkeit von organisiertem Sport und Politik gegen den Wettbetrug im Fußball. Der Internationale Fußballverband Fifa will sich noch einmal intensiv mit dem Thema beschäftigen. Fifa-Präsident Joseph Blatter twitterte: „Arbeiten mit der Polizei, um im Kampf gegen Matchmanipulation zu helfen. Ich wiederhole, das ist ein großes Thema für den Fußball und die Regierungen, das es zu lösen gilt.“ Erfolgreiche Instrumente gegen den Betrug haben die Sportverbände jedoch nicht in der Hand. Vor Jahren schon hatten sie Frühwarnsysteme eingerichtet, die bei auffallend hohen Wetteinsätzen oder Kursschwankungen Alarm schlagen sollen. Doch wie Ermittler auch diesmal wieder bestätigten, haben diese Systeme bei keinem der verdächtigten Spiele angeschlagen. Auch die Politik will sich nun noch einmal mit dem Betrug im Fußball befassen. Die Weltsportministerkonferenz, die Ende Mai in Berlin stattfindet, hat Wettmanipulation als wichtigstes Thema auf die Agenda gesetzt.

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