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Chefsache. Russlands Sportminister Witali Mutko, Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin sowie die Präsidenten Wladimir Putin (Russland) und Joseph Blatter (Fifa, v.l.) betrachten ein Modell des Luschniki-Stadions, in dem 2018 das WM-Finale ausgetragen wird.

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Fußball-WM 2018 in Russland: "Wladimir Putin spielt eine große Rolle"

Alexej Sorokin, Russlands Organisationschef der Fußball-Weltmeisterschaft 2018, spricht im Tagesspiegel-Interview über Boykottaufrufe, Wladimir Putin und die Ukraine.

Alexej Sorokin, sind Sie als Organisationschef der WM 2018 eigentlich froh, dass es Katar gibt? Durch die Debatten um das Winterturnier 2022 bekam Russland als nächster WM-Gastgeber weniger Kritik ab.

Wir sind bereit für jede Debatte. Wir sind glücklich, wenn wir gehört werden, weil wir einseitige Geschichten über Russland vermeiden möchten. Wir haben keine Angst, über uns zu sprechen, wenn es eine offene und professionelle Diskussion ist.

Kritik an Russland 2018 gibt es dennoch bereits einige: Korruptionsvorwürfe, politische Verwerfungen, Boykottaufrufe, Budgetkürzungen und Diskriminierung.

Wir unternehmen große Anstrengungen, damit diese WM ein unvergessliches Erlebnis wird, aber sind erschüttert über Versuche, das zu verderben. Infrastruktur zu bauen ist das eine, aber unsere größte Herausforderung ist metaphysischer Natur. Ausländische Medien behaupten falsche Dinge über Russland. Wir fürchten, das könnte Menschen abhalten, zu kommen. Viele Besucher der Winterspiele in Sotschi waren überrascht, weil sie nicht erwartet hatten, dass das hier ein normales europäisches Land ist.

Was wird denn Falsches behauptet?

Dass es hier nur Rassisten gäbe, dass alles totalitär wäre, dass es keine Freiheit gäbe. Es ist sehr seltsam, so etwas zu lesen.

Wie reagieren Sie darauf?

Manchmal treten wir dem entgegen, aber manchmal würdigen wir das nicht einmal mit einer Antwort. Es gibt eine falsche Wahrnehmung, was Russland mit der WM ausdrücken will. Wir wollen so viele Gäste wie möglich glücklich machen, neben Sport bieten wir auch ein kulturelles Rahmenprogramm etwa mit historischen Touren, damit die Menschen Russland wirklich erleben können.

Wenn Sie denn kommen. Deutsche Politiker rufen immer wieder dazu auf, die WM zu boykottieren. Denken Sie da: Dann sollen sie eben zu Hause bleiben?

Nein, wir wollen,dass die Deutschen kommen, wie jedes Team, das sich qualifiziert. Ein Boykott wäre komplett falsch, darüber sollte nicht einmal diskutiert werden. Wie die Fifa und Uefa denken wir, dass Boykotte nichts lösen. Sie machen nur die Athleten und Fans zu Opfern dieser seltsamen politischen Bestrebungen. Schlechtes bringt nur Schlechtes hervor. Das Prinzip, Sport von Politik zu trennen, sollte umgesetzt werden, nicht nur postuliert.

Lässt sich denn Sport von der Politik trennen? Russland hat sich mit Militäraktionen auf der Krim und in der Ostukraine beim Westen in Verruf gebracht, es gibt Wirtschaftssanktionen gegen das Land.

Es ist seltsam, dass Menschen eine Verbindung zwischen der WM sehen und dem, was sie glauben, dass in der Ukraine passiert. Da gibt es zwei verschiedene Wahrnehmungen, mindestens. Wir sehen, dass die WM als Plattform missbraucht wird mit solchen Aufrufen. Wir sind froh, dass diese Haltungen von einzelnen Politikern stammen, nicht von Regierungen. Wir werden jeden willkommen heißen, der kommt.

Alexej Sorokin, 45, ist Geschäftsführer des russischen Organisationskomitees für die WM 2018. Zuvor war der Ex-Diplomat Bewerbungs-Chef und Generalsekretär im russischen Verband.
Alexej Sorokin, 45, ist Geschäftsführer des russischen Organisationskomitees für die WM 2018. Zuvor war der Ex-Diplomat Bewerbungs-Chef und Generalsekretär im russischen Verband.

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Die Winterspiele und Formel-1-Rennen in Sotschi, die Fußball-WM: Zu welchem Zweck holt Russland derzeit so viele große Sportveranstaltungen ins eigene Land?

Sport ist eine nationale Priorität, weil er eine gesündere Lebensweise fördert, die Wirtschaft und die Stimmung im Land fördert. Zudem ist er eine wunderbare Art, zu zeigen, was dein Land erreicht hat, und es nach außen zu bewerben. Sport ergreift die Menschen, lässt sie reisen und selbst sehen, wie Russen leben und arbeiten. Sotschi war ein perfektes Beispiel. Jeder, der gekommen ist, war glücklich.

Reisen nach Russland sind aber gar nicht so einfach mit den Visa-Beschränkungen.

Unsere Regierung garantiert gesetzlich Visa-freie Einreisen zur WM. Dazu gibt es kostenlose Transporte mit Shuttles. Das ist unser Versprechen an die Welt.

Welche Versprechungen gab es denn an die Fifa? Wie bei Katar halten sich Bestechungsvorwürfe bei der WM-Vergabe 2010. Herr Sorokin, war da Korruption im Spiel?

Kurz gesagt: nein. Erstens ist die einfachste Antwort, dass es eine tiefgehende Ermittlung eines amerikanischen Juristen gab – was seltsam genug ist, weil die USA Mitbewerber waren. Das Ergebnis ist klar, Teile des Reports wurden veröffentlicht. Zweitens ist es mit der derzeitigen Technologie schwer, etwas zu verstecken. Wenn es etwas gäbe, wäre es schon entdeckt.

Sollte der Report ganz öffentlich werden?

Ich habe dazu keine Meinung, das soll die Fifa entscheiden. Wir hatten nie Angst vor den Ermittlungen und haben kooperiert, alle Fragen beantwortet und Dokumente geschickt. Was können wir noch tun? Wenn die Computer weg sind, sind sie weg, ich kann keine neuen gebären.

Sie haben den Ermittlern Daten nicht geschickt, weil Ihre Computer angeblich nur geleast und danach zerstört worden seien.

Ja, ich kann meinen Kindern in die Augen schwören, dass es stimmt.

Es klingt dennoch sehr unglaubwürdig.

Unsere Organisation war auf ein Jahr angelegt. Da ist es klüger, Computer zu leihen, als sie zu kaufen und dann zu versuchen, sie wieder zu verkaufen. Das ist die normale Art, ökonomisch Geschäfte zu betreiben und kein Geld zu verschwenden. Es ist nicht unsere Schuld, dass die Ermittlungen vier Jahre später stattfinden. Wer behält seine Computer vier Jahre? Vielleicht Ermittler, wir nicht. Dazu sind wir als Bewerbungskomitee durch eine sehr strenge Buchprüfung gegangen. Alles, was wir gemacht haben, war legal. Sonst würde ich nicht mit Ihnen reden.

Das Turnier in Russland sollte die teuerste WM der Geschichte werden. Nun gibt es Budgetkürzungen. Wie wirken die sich aus?

Zunächst gibt es generell Budgetkürzungen in unserer Wirtschaft, aber das wirkt sich nicht notwendigerweise auf die WM aus. Die Infrastruktur, die Stadionrouten, die Spielstätten waren nicht betroffen. Die einzige Änderung sind reduzierte Sitzkapazitäten, der Rest bleibt. Und alles wird rechtzeitig fertig werden.

Wie wichtig ist die Unterstützung von Sponsoren wie Gazprom und aus der Politik von Präsident Wladimir Putin für Sie?

Es ist ein Hauptfaktor, die Unterstützung unseres Anführers zu haben. Er ist der Vorsitzende unseres Aufsichtsrates, es gibt regelmäßige Treffen, die er leitet. Die Unterstützung der Regierung für die WM-Vorbereitungen ist nicht hoch genug anzusiedeln. Wir als OK planen, aber die Bundes- und Regionalregierungen setzen es um, die Rolle des Präsidenten ist daher groß.

Die Diskriminierung von Minderheiten wird in Russland immer wieder angeprangert. Fifa-Präsident Joseph Blatter sagte, Russland könne mehr gegen Rassismus unternehmen, dazu gibt es keine Bestrebungen, die Gesetze gegen Homosexuelle zurückzunehmen. Was unternehmen Sie dort?

Es ist lange her, dass ich auf die Anti-Schwulen-Gesetze angesprochen wurde, die übrigens gar nicht gegen Schwule gerichtet sind, sondern gegen Propaganda. Was den Rassismus angeht, ist das ein altes Problem, das jedes große Fußballland hat, niemand ist immun. Aber ich stimme zu, dass wir mehr dagegen unternehmen können. Der russische Verband ergreift jedoch Maßnahmen, er hat einen Beauftragten ernannt, der sich nur dem Kampf gegen Rassismus widmet. Aber wir sollten die russische Liga und die WM trennen.

Russlands Nationalteam hat noch nie die WM-Vorrunde überstanden. Wie wichtig ist es, im eigenen Land gut abzuschneiden?

Der Erfolg des Gastgeberteams ist immer wichtig, er hält das Interesse an der WM im Land hoch. Unser Nationaltrainer Fabio Capello hat kürzlich das Halbfinale als Ziel ausgegeben, da kann ich ihm nur zustimmen.

Was unternehmen Sie dafür? Es wird immer wieder über Ausländerbeschränkungen in der russischen Liga gesprochen.

Wir als OK können uns dort nicht einmischen, aber ich bin sicher, der Verband unternimmt alles Nötige. Es ist jetzt an der Zeit, Spieler individuell vorzubereiten, und dass sie mehr spielen. Es gibt viele spezifische Maßnahmen, um 2018 ein gutes Team zu haben.

Würde das russische Team denn 2018 auch gegen die Ukraine spielen, falls sich die Mannschaft qualifiziert?  

Wir heißen das Team und die Fans willkommen. Wenn die Ukrainer gegen Russland spielen, dann spielen sie gegen Russland. Es wäre nicht das erste Mal und nicht das letzte Mal. Was die Politiker, die Sie ansprechen, nicht verstehen, ist die verbindende Wirkung des Sports. Als Russland eine eher kalte Periode mit Georgien hatte, hatten die Fußballverbände weiter Beziehungen. Es war normal, miteinander zu sprechen, auch wenn es unterschiedliche Sichten gab. Deswegen ist es so seltsam, Boykottaufrufe Einzelner zu hören. Sie sollten im Gegenteil zur Teilnahme aufrufen, damit die WM ihre friedensstiftende Kraft entfalten kann.

Fifa-Präsident Blatter sagte, die WM-Turniere 2018 und 2022 könnten den Regionen Frieden bringen. Glauben Sie daran?

Absolut. Natürlich nicht sofort, aber es wäre ein Schritt dahin, zu normalen Beziehungen zwischen Nationen. Aber ich fühle gar keine Hindernisse in den Beziehungen zwischen Ukrainern und Russen. Viele Russen haben Freunde und Familie dort, viele Ukrainer kommen nach Russland. Unsere beiden Völker stehen seit vielen Jahren zusammen. Kein Politiker in der Ukraine kann diese Bindungen plötzlich kappen. Wir bleiben freundlich gesinnt, schicken humanitäre Hilfe in großem Ausmaß. Wir sind immer noch Freunde. Also wäre das ukrainische Team so willkommen wie jedes andere.

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