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Nach der Niederlage gegen Deutschland und den unschönen Begleitumständen ist die Stimmung nicht mehr so gut bei den schwedischen Fans.

© AFP PHOTO / Adrian DENNIS

Fußball-WM 2018: Warum die schwedischen Fans nicht mehr an ihr Team glauben

Schweden hat noch alle Chancen auf das Achtelfinale. Doch die Stimmung im Land ist gedrückt. Die Skepsis hat Gründe.

Von Corinna Cerruti

„Oj, oj, oj ...“ – das dürften viele Schweden am Samstagabend enttäuscht vor sich hingemurmelt haben, als Toni Kroos in der Nachspielzeit den entscheidenden Treffer erzielte. Dabei war die Stimmung vor dem Spiel in Umea, der größten Stadt Nordschwedens, ausgelassen: Hunderte Menschen kamen auf dem Rathausplatz zum größten Public Viewing der Stadt zusammen. Auch in den örtlichen Pubs war für spontane Besucher kaum noch ein Platz zu finden. Sogar Warteschlangen bildeten sich vor den Eingängen.

Kein Wunder: Am Freitag erst hatten die Schweden die Mittsommernacht, das Fest der Sommersonnenwende, gefeiert und waren damit in bester Stimmung. Auch Celina, Hanna, und Kevin. „Den Tag über waren wir wie die meisten Schweden etwas angeschlagen“, sagten Celina und Hanna lachend. „Aber jetzt sind wir bereit zu feiern und zu gewinnen!“ Kevin stand dem Spiel allerdings eher skeptisch gegenüber. Er glaubte, dass Deutschland sich mittlerweile von dem Match gegen Mexiko erholt habe und Schweden daher schlagen würde.

Strahlen im Pub

Mit dieser Prophezeiung sollte er goldrichtig liegen, auch wenn es zu Beginn des Spiels noch anders aussah. 13. Spielmute: Berg wird von Boateng bedrängt, der Schiedsrichter gibt keinen Elfmeter. Die Empörung ist groß. „Das war ein Foul!“, schreit es aus allen Ecken. Eine Viertelstunde später dann der Treffer für Schweden. Ola Toivonen erlöst seine Fans in der 31. Minute und lässt die ersten hoffnungsvollen „Heja Sverige!“ aus der Masse der gelben Trikots erklingen. Auch bis zur Halbzeit hat die deutsche Mannschaft es schwer gegen die Hünen aus dem Norden anzukommen. Als dann der Schiedsrichter zur Pause pfeift, strahlen die Fans im hiesigen Pub. „Wir hätten nicht gedacht, dass sie so schnell in Führung gehen!“, sagt Kevin aufgeregt. Celina attestiert ihrer Mannschaft zu dem Zeitpunkt ein „Momentum“, das sie nutzen müssten.

Bei den wenigen Deutschen dagegen erreicht die Stimmung ihren Tiefpunkt. „Dass wir jetzt sogar mit Rechenspielen in der Gruppe anfangen müssen ...“, sagen Sebastian und Max, die für ihr Studium nach Umea gezogen sind, und schütteln nur ungläubig den Kopf. Auch bei Frithjof, Doktorand an der Umea Universität, ist die Frustration groß, hatte er sich doch mutig in bayrischer Lederhosenkluft und Deutschlandfahne mitten ins Public Viewing gesetzt: „Die Deutschen lassen hinten alles offen. Kein Wunder, dass die Schweden so gut kontern.“

Kurz nach der Halbzeit der Ausgleich durch Marco Reus in der 47. Minute – bei den Schweden pure Sprachlosigkeit. Der gerade erst geweckte Traum vom Achtelfinale gerät ins Wanken. Die deutsche Mannschaft macht es den Skandinaviern auch in den folgenden Minuten nicht leicht und so wächst die Angst in den Reihen vor einem erneuten Treffer. Schließlich ist der Respekt vor dem Weltmeister stets präsent. Nur die schlechte Performance beim Mexiko-Spiel hatte den Samen der Hoffnung in die schwedischen Herzen gepflanzt.

Gesichter werden vergraben

Doch genau dort, mitten hinein, trifft Toni Kroos in der 95. Minute. Gesichter werden in Händen vergraben, ungläubige Blicke auf Bildschirme. Viele hatten schon mit einem Unentschieden ihren Frieden gemacht. Als der Mittelfeldspieler dann jedoch den Freistoß verwandelt, ist die Stimmung am Boden. Mit Abpfiff kommt es zur Massenflucht. Während einige mit den Tränen kämpfen, sind andere nur ernüchtert. „Die Realität hat uns eingeholt“, sagt Celina, „gerade nach der ersten Halbzeit dachte ich wirklich, wir hätten eine Chance zu gewinnen.“ Nun ist sie einfach enttäuscht.

Was erhoffen sie sich noch mit Blick auf die nächsten Spiele? „Naja, jetzt müssen wir gegen Mexiko schon viel Glück haben. Ich rechne eher nicht damit“, gibt Celina zu. „Wir haben einfach keine großen Spieler wie andere Mannschaften, um so ein Turnier zu gewinnen.“ Auch Kevin glaubt nicht an einen Sieg. Wenn Schweden ausscheide, werde er einfach Brasilien anfeuern. Celina dagegen wird sich für Deutschland entscheiden. „Ich mag das Land und das Team. Sie haben auch diesmal das Zeug, den Weltmeistertitel zu holen.“

So viel Euphorie wie am Samstagabend gegen Deutschland werden die schwedischen Fans wohl aber nicht mehr aufbringen können.

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