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Kapitän? Ex-Kapitän? WM-Kapitän? Bundestrainer? Ex-Bundestrainer? Bei der Nationalmannschaft ist derzeit eine Menge im Fluss.

© ddp

Ausblick: Wie der Kader der deutschen Mannschaft künftig aussehen könnte

Die deutsche Elf galt als Team der Zukunft – jetzt gehört ihr schon die Gegenwart, meint WM-Reporter Michael Rosentritt. Ballack, Rolfes oder Adler müssen ihren Platz neu finden. Ein Ausblick.

Als die deutsche Nationalmannschaft vor ziemlich genau fünf Wochen nach Südafrika abhob, war nicht klar, wann und wie sie wiederkommen würde. Das deutsche Team hatte zahlreiche Ausfälle zu kompensieren, René Adler im Tor, Simon Rolfes und Michael Ballack im Mittelfeld. Auf andere erfahrene Spieler wie Torsten Frings und Kevin Kuranyi hatte der Bundestrainer freiwillig verzichtet. An den Start ging das jüngste deutsche Team (Durchschnittsalter 24,96 Jahre), das seit 1934 an einer WM teilgenommen hat. 13 der 23 Spieler hatten zu WM-Beginn weniger als zehn Länderspiele absolviert. „Dieser Mannschaft gehört die Zukunft, sie ist entwicklungsfähig, sie wird ihren Zenit womöglich erst in ein paar Jahren erreichen.“ Mit diesem Satz schickte Joachim Löw sein Team in die WM.

Fünf Wochen und einen dritten Platz später darf der Bundestrainer korrigiert werden. Dieser Mannschaft gehört vielleicht auch die Zukunft, vor allem aber gehört ihr schon die Gegenwart. Zumindest dem wesentlichen Teil von ihr. Die Gegenwart nach der WM beginnt für das DFB-Team bereits am 11. August beim Freundschaftsspiel in Dänemark. Am 3. September beginnt in Belgien die Qualifikationsphase für die Europameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine. Noch in diesem Jahr wird die deutsche Elf gegen das von Berti Vogts trainierte Aserbaidschan (7. September), die Türkei (8. Oktober in Berlin) und in Kasachstan (12. Oktober) antreten. Der Tagesspiegel macht sich schon jetzt Gedanken, wie der Kader der deutschen Mannschaft künftig aussehen könnte.

TOR
Die wohl spannendste Frage lautet hier, ob der WM-Torwart Manuel Neuer auch weiterhin die Nummer eins bleiben wird oder ob die Frage nach der WM wieder in Fluss gerät. Im März hatte der Bundestrainer René Adler als Nummer eins bestimmt, doch dann musste der Leverkusener Anfang Mai seine WM-Teilnahme verletzungsbedingt absagen. Löw bestimmte den 24 Jahre alten Schalker zu seiner neuen Nummer eins. Neuer spielte ein vorzügliches Turnier. Sollte er seine Form halten, dürfte es Adler schwer haben. „Ich hoffe, ich habe mir hier in Südafrika einen kleinen Vorsprung erarbeitet“, hat Neuer gesagt. Der Bremer Tim Wiese, vor allem aber der Münchner Jörg Butt, falls er seine Länderspielkarriere nicht ohnehin beendet, werden sich in erster Linie auf ihre Vereinslaufbahn konzentrieren müssen.

ABWEHR
Der Defensivbereich wird vielleicht jener sein, über den es nachrückenden Spielern am leichtesten gelingen könnte, in absehbarer Zeit überhaupt ins Nationalteam zu gelangen. In Mats Hummels (21 Jahre, Dortmund) und Benedikt Höwedes (22, Schalke) drängen zwei überaus talentierte Spieler nach, auf die Löw bereits seit längerem einen Blick geworfen hat. Sie kämen am ehesten für die Innenverteidigung in Frage, wo der Bremer Per Mertesacker, 25, eine feste Größe bleibt. Natürlich auch Arne Friedrich, 31, für den die WM in vier Jahren allerdings zu spät kommen dürfte. Wobei: Wenn man gesehen hat, welche Entwicklung gerade er in der Reife seiner Jahre genommen ha, und wo er jetzt sogar noch Tore erzielt… Die beiden defensiven Außenbahnen sind vergeben. Jerome Boateng, 21, kann beide Flanken bespielen, bei ihm wird der Fortgang seiner Karriere im Nationalteam davon abhängen, welche Entwicklung er bei Manchester City nimmt. Dem Münchner Holger Badstuber, 21, hat Löw bereits eine glänzende Perspektive vorhergesagt. Und über Philipp Lahm, 26, gibt es ohnehin keine Diskussionen. Hier ist lediglich spannend, ob Löw ihm die Kapitänsbinde lässt oder sie doch wieder an Michael Ballack geht.

MITTELFELD
Das ist das neue Prunkstück der Mannschaft. Nur deshalb kam schon während des Turniers die Frage auf, ob Michael Ballack überhaupt noch einen Platz finden kann. Kann er, wenn der bald 34-Jährige fit und gesund ist. Am ehesten den von Sami Khedira, 23. Der Stuttgarter hat einen guten Ersatz abgegeben, aber auch in seinem Fall kann es so sein wie bei der DFB-Elf und Spanien: Das Original ist besser als die beste Kopie. Berechtigter ist wohl die Frage, ob noch Platz für Simon Rolfes ist. Hier rückt auch der junge Christian Träsch nach, der sich kurz vor der WM verletzt hat. Auch für Lukas Podolski, 25, könnte es eng werden, zumindest für herkömmliche Länderspiele ohne langen Anlauf. Der Kölner ist dann wertvoll, wenn ihn Löw ein paar Wochen auf Turnierform trimmen kann. Für ihn könnte der jüngste deutsche WM-Fahrer, Toni Kroos, 20, spielen, der allerdings auch Mesut Özil, 21, doubeln kann. Özil bleibt die erste Option für die Rolle des Spielmachers, genauso wie Thomas Müller, 20, für die rechte Bahn. Müller ist neben Bastian Schweinsteiger, 25, einer der wenigen im Team, die nicht zu ersetzen sind. Schon gar nicht von Piotr Trochowski, für den der Status Ergänzungsspieler vielleicht erfunden wurde.

ANGRIFF
Das Beste am neuen deutschen Spielsystem ist, dass es im Zweifelsfall auch ohne gute Stürmer auskommt. Löw hat zwei gelernte Stürmer, Lukas Podolski und Thomas Müller zu offensiven Mittelfeldspielern umfunktioniert, die immer wieder selbst den Abschluss suchen – mit Erfolg. Sieben Tore erzielten beide zusammen. Und das Problem in der Sturmspitze löste der alternde Miroslav Klose, der auf vier Tore kam. Doch genau seinetwegen wird das Problem bleiben. Klose ist 32, die EM in seiner Heimat Polen ist vielleicht noch ein Ziel, die WM 2014 aber wird wohl ohne ihn stattfinden. Mario Gomez, 25, hat wie schon bei der EM 2008 keine Rolle gespielt. Cacau, 29, wird den Kader bei Bedarf auffüllen, ebenso wie Stefan Kießling, 26, wenn er in Leverkusen wieder so viele Tore schießt wie in der vergangenen Saison und nicht so viele Chancen auslässt wie im Nationaltrikot. Ein Fan wird Löw von ihm nie werden. Muss er auch nicht.

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