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Heimatverbunden. Der gebürtige Bosnier Marko Marin ist in Frankfurt am Main aufgewachsen, hat immer nur für Deutschland gespielt. Seine Lieblingsstadt?

© AFP

Deutscher WM-Kader: Die Internationalmannschaft

Tagesspiegel-WM-Reporter André Görke hat nachgerechnet: 11 der 23 Spieler im deutschen WM-Kader haben ausländische Wurzeln – und gehen offensiv damit um. In Südafrika spielt die deutsche Internationalmannschaft.

Zum Glück ist Oliver Kahn gerade nicht da, der hätte bestimmt wieder so schön angewidert geschnauft. Frage an Cacau: Erinnern Sie sich noch ans WM-Endspiel 2002, Brasilien gegen Deutschland? Es war jenes Endspiel, in dem besagter Nationaltorhüter a.D. nicht seinen besten Tag hatte. Na klar, antwortet Cacau. „Ich war für Brasilien, natürlich.“ Und schiebt brav hinterher: „Doch meine Geschichte und meine Ziele haben sich verändert.“ Puh, noch mal Glück gehabt.

Seit einem Jahr ist der gebürtige Brasilianer deutscher Nationalspieler, hat neulich erst gegen Malta zwei Tore erzielt und eins gegen Ungarn. Wenn der nun feststehende Kader sich auf den Weg macht nach Südafrika, sind viele Spieler dabei, die ähnliche Geschichten zu erzählen haben. Es sind Geschichten von Großeltern, die als Gastarbeiter kamen und blieben, von Aussiedlerfamilien – und manchmal auch einfach ganz normale deutsche Geschichten.

Elf der 23 Fußballer im WM-Kader der Deutschen haben einen – wie heißt das Wort so schön? – Migrationshintergrund.

Es ist eine unkomplizierte Generation von Fußballern herangereift, die vor gar nicht so langer Zeit von den Schulhöfen gekommen ist und nun das weiße DFB-Trikot überstreift. Aus aktuellem Anlass – Deutschland spielt am Donnerstag (20.30 Uhr, ARD) im letzten Vorbereitungsspiel gegen Bosnien-Herzegowina – sei an dieser Stelle an Marko Marin erinnert, der vor ein paar Wochen seinen 21. Geburtstag gefeiert hat. Marin wurde in Gradiska, im heutigen Bosnien-Herzegowina geboren, und wuchs in Frankfurt am Main auf, dort, wo die deutsche Mannschaft heute auflaufen wird. Er hat nie für eine andere Nation gespielt, aber dass er Wurzeln im Balkan hat, betont auch Marin gern: Lieblingsstadt? Belgrad. Traumfrau? Neben Heidi Klum auch Ana Ivanovic, die serbische Tennisspielerin.

Vom Stolz auf die Heimat ihrer Eltern erzählen viele Fußballer auf ihren privaten Internetseiten. Jerome Boateng etwa schreibt auf seiner Homepage unter dem Kapitel „Von Charlottenburg in die Welt“: „Geboren in Berlin, die Wurzeln in Ghana“. Bei der WM könnte der 21-Jährige bekanntlich gegen seinen Bruder Kevin spielen, der etliche Juniorenspiele für den DFB machte, nun aber für die Heimat seines Vaters antritt, weil er nicht erst seit dem Foul an Michael Ballack beim DFB nicht mehr ganz so gern gesehen wird.

Mario Gomez, der in Süddeutschland zur Welt kam, nennt ein spanisches 500-Einwohner-Dorf als Lieblingsort: „Albunan ist die Heimat meines Vaters. Mein Großvater und einige Verwandte leben noch dort und ich war früher fast jeden Sommer zu Besuch (…) Irgendwie ist das für mich ein Stück Heimat.“ Nach Gomez wollen sie in Albunan nun eine Straße benennen, zumal eh das halbe Dorf seinen Nachnamen trägt.

Selbst einer wie Andreas Beck, 23, der auf den letzten Drücker aussortiert wurde, weist auf seine Wurzeln in Sibirien hin. Im Alter von drei Jahren kam er mit seinem Bruder nach Württemberg, gut 70 Kilometer von Stuttgart entfernt, anfangs lebten sie in einem Wohnwagen, schreibt Beck: „Das war eine prägende Zeit.“ Die Aussiedlerfamilie nahm eine russische Katze mit, „damit hatten wir immer ein Stück Heimat bei uns“.

Heimat – wo ist die? Innenverteidiger Serdar Tasci etwa hat türkische Eltern, ist aber in Deutschland geboren, rannte hier durch Kindergärten, trug immer das Trikot der Deutschen, den Pass hat er sowieso. Aber das schönste Reiseziel, schreibt er auf seiner Internetseite, „ist die Türkei, vor allem Istanbul und Artvin, da bin ich heimatverbunden“. Da ist das Wörtchen wieder. Sein Kollege Sami Khedira hat nachdenken müssen am Trainingsplatz in Südtirol, als er auf dieses Thema angesprochen wurde. „Ich sehe nicht ganz deutsch aus“, hat Khedira gesagt und überlegt. Sein Vater kommt aus Tunesien, „ein wunderschönes Urlaubsland“.

Dort drücken sie ihm die Daumen, das machen sie ja auch im Dorf von Gomez, in der Heimat von Cacau und auch in Polen, wo gleich drei deutsche Spieler des WM-Kaders zur Welt kamen. Bei Piotr Trochowski verrät es der Vorname, Lukas Podolski und Miroslav Klose sprechen in der Nationalmannschaft schon mal Polnisch. Klose zog mit acht Jahren in die Pfalz. Die Bemühungen des polnischen Fußballverbandes hat er ignoriert.

Schon oft war deshalb von der deutschen Internationalmannschaft die Rede. Die Spieler spüren den Einfluss vieler Kulturen „vor allem in positiven, lustigen Zusammenhängen, nie negativ“, sagt Marcell Jansen, 24. „Klar, sie bringen schon mal andere Einflüsse ein: zum Beispiel beim Humor.“ Mezut Özil etwa flachse gern mit Tasci rum – auf Deutsch, nicht auf Türkisch. Özil kam hier zur Welt wie auch Dennis Aogo, dessen Vater aus Nigeria stammt. Doch nicht nur Humor und Lockerheit sind von Vorteil für das Team, das hat der stets gut gelaunte Cacau in der Südtiroler Hitze gezeigt. Wenn sich auf den Hemden der DFB-Delegierten Schweißflecken bildeten, grinste er nur: „Mir kann’s gar nicht heiß genug sein.“

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