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© dpa

Deutsches WM-Auftaktspiel: Schwarz-Rot-Bunt gegen Australien

Bundestrainer Joachim Löw baut heute Abend im deutschen Auftaktspiel bei der WM gegen Australien auf ein ethnisch vielfältiges Team – auch weil es spielerische Akzente setzen kann. Fit sind jedenfalls alle Wunschspieler Löws.

Kurz vor dem um 80 Minuten verspäteten Abflug nach Durban erzählte Oliver Bierhoff eher beiläufig eine kleine Geschichte. Der deutsche Teammanager trägt am Handgelenk neben einer schweren Schweizer Uhr noch ein kunstvoll geschwungenes Armbändchen, das in Schwarz-Rot-Gold gehalten ist. Jedes Teammitglied habe es ausgehändigt bekommen, es soll ein weiteres Zeichen der Zusammengehörigkeit sein. Bierhoff hätte nichts dagegen, wenn das Bändchen schon jetzt seine wundersame Wirkung entfalten würde, doch er hat auch die Langzeitfolgen im Blick. So hofft er, das Band möge einen schönen Gedanken hervorrufen, wenn es einem in ein paar Jahren wieder in die Hände fallen sollte: „Hey, war ’ne schöne Zeit damals in Südafrika.“

Dazu sollte allerdings dem deutschen Team heute Abend im Moses Mabidha Stadium gegen Australien (20.30 Uhr, live im ZDF) ein gutes Auftaktergebnis gelingen. „Alle brennen, alle wollen zeigen, was sie können“, sagte Joachim Löw vor dem Start seiner Elf in das Turnier. Und vor allem: Alle sind fit. Bei einer WM würde man sich auf einem schmalen Grat bewegen, meinte der Bundestrainer. „Da entscheiden wenige Situationen über den Verbleib im Turnier, über Erfolg und Enttäuschung. Ein Erfolgserlebnis zum Start wäre wichtig für das Selbstbewusstsein.“

Hinter dem deutschen Team liegen vier Wochen kollektiven Mühens um Inhalt und Form. Was sich im Allgemeinen sagen lässt über die Besonderheiten dieser ersten WM auf afrikanischem Boden, ließe sich in mancher Hinsicht auf das deutsche Projekt 2010 im Speziellen übertragen. Das Land des dreimaligen Weltmeisters schickt das jüngste Team seit 1934 ins Rennen. Und doch darf man dieser Mannschaft eine Überraschung zutrauen.

Philipp Lahm, der junge, neue Kapitän, wähnt sich gar in einer Auswahl, „die am meisten Qualität hat von allen Nationalmannschaften, in denen ich bisher gespielt habe“. Und Bastian Schweinsteiger, der Michael Ballacks Rolle im Zentrum des Feldes auszufüllen sucht, fügte hinzu: „Sicher, wir haben zwar viele junge Spieler dabei, aber sie sind frisch und trauen sich viel zu.“ Mit der durchaus vorhandenen Erfahrung kombiniert „ist sogar was Großes“ drin.

Dabei dürfte es zum Gruppenauftakt hart werden. Beim Turnier vor vier Jahren hatten die Socceroos im WM-Achtelfinale den späteren Weltmeister Italien am Rande eines Knock-outs. Ein mehr als schmeichelhafter Elfmeter rettete damals Italien. „Sie haben von ihren letzten 27 Länderspielen 17 mal zu null gespielt“, sagte Bierhoff. Zuvor hatte schon Löw auf die „fast schon perfekte Defensiv-Organisation“ der Australier hingewiesen. Der Bundestrainer erwartet daher weniger ein Spektakel am Sonntag, sondern sprach von einem „Abnutzungskampf“.

Ein Baustein für den Erfolg könnte das hervorragende Binnenklima sein. „Es ist schön anzusehen, wie die Jungs auftreten, wie sie sich bewegen.“ Trotz des jungen Alters hält der Teammanager die Spieler für reif: „Sie wissen, was sie wollen.“ Und so will Bierhoff inmitten der harmonischen Atmosphäre eine steigende Spannung ausgemacht haben. Bei allem Gemeinsinn hätte der Biss zugenommen und der Wettbewerb. „Jeder will sich zeigen, jeder will spielen.“

Vielleicht wird die Exotik des deutschen Teams zum großen Plus. Die Internationalisierung der Nationalmannschaft ist weit fortgeschritten. Elf der 23 Spieler besitzen einen Migrationshintergrund. Die Nationalelf sei inzwischen zu „einem Spiegel der Gesellschaft“ geworden, wie Bierhoff sagte. Der Sport habe eine große integrative Wirkung. „Bei der WM 1998 haben wir noch alle auf die Franzosen geschaut, die den Titel gewannen. Da hieß es plötzlich: Was wäre, wenn wir mehr Kolonien gehabt hätten.“

Für die aktuelle Generation ist die ethnische Vielfältigkeit mittlerweile so normal wie Abseits oder Elfmeter. „Das ist unsere neue Stärke“, sagte Lahm und meinte jene „Spielertypen, die nicht typisch deutsch sind“. Bei Löw hört sich das ähnlich an. Man wolle spielerische Akzente setzen, deswegen hätte man Spieler wie Marin und Özil dabei. Löw sagt: „Gute fußballerische Qualität ist für mich das Wichtigste.“

Bei allem wird es auch um die Zukunft des Bundestrainers gehen. Bei Löw, dessen Vertrag ausläuft, sind durch Indiskretionen rund um die gescheiterten Verhandlungen Anfang des Jahres Narben geblieben. „Ich bin die Ruhe selbst“, sagte Löw. Auch Schweinsteiger hat ausgeschlossen, dass die ungeklärte Zukunft der Stimmung im Team etwas hat anhaben können. „Das ist komplett ausgeblendet. Wir spielen nicht für den Trainer, wir spielen für unser Land, für unser Team“, sagte er und drehte beiläufig sein schwarz-rot-goldenes Armband.

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